Spanien: PRISA gegen den Rest der Welt

Zentralredaktion El País in Madrid Foto: Reiner Wandler

Spaniens größte und wohl international bekannteste Tageszeitung „El País“ feiert dieser Tage ihr 40-jähriges Bestehen. Kein Blatt war in den schwierigen Zeiten des Übergangs von der Diktatur unter General Francisco Franco hin zur Demokratie so wichtig wie die Zeitung aus dem Verlagshaus PRISA. Doch was eine große Feier hätte sein können, wird von Skandalen, Kritik an der Blattlinie, Entlassungen und von der Krise der Printmedien überschattet. Allen voran sorgt PRISA-Chef Juan Luis Cebrián, der einst „El País“ mitgegründet hat, dieser Tage für unliebsame Schlagzeilen. Der Grund: Seine Ex-Frau wird in den Panama-Papieren erwähnt.

Sie hatte ein Unternehmen im Steuerparadies Seychellen, als sie noch mit Cebrián zusammen war. Das Privatfernsehen „La Sexta“, die Nachrichtenweb „El Confidencial“ und die Onlinezeitung „eldiario.es“ berichteten darüber. Cebrián reagiert mit Anwälten, Entlassungen und Verboten auf Kritik. Cebrián verklagt die drei Medien wegen „übler Nachrede“. Er zwang die Redaktion des „Cadena Ser“ – Spaniens meistgehörtem Radio, das ebenfalls zu PRISA gehört – eldiario-Chef Ignacio Escolar aus einer Radiodebatte zu feuern. Mit einigen Unterbrechungen hatte Escolor seit 2006 regelmäßig an diesen Diskussionen teilgenommen. Zudem wurde den Journalist_innen aus dem Hause PRISA die Teilnahme an politischen Talkshows bei „La Sexta“ verboten. „Ich muss gehen, weil Juan Luis Cebrián die gesamte Verlagsgruppe in einen persönlichen Krieg hineinzieht, in dem er nicht Recht hat“, erklärte Escolar nach seinem Rauswurf.

„eldiario.es“ und die anderen beiden Medien recherchieren weiter. Sie befragten die Ex-Gattin, die von den Investitionen nichts gewusst haben will. Die Geschäfte hätten Cebrián und sein Umfeld getätigt. Außerdem stieß „eldiario.es“ auf eine zweiprozentige Beteiligung Cebriáns an der Ölfirma Star Petroleum mit Sitz in Luxemburg, die exklusiv im Bürgerkriegsland Süd-Sudan tätig ist. Die Firma gehört dem iranischen Unternehmer Massoud Farshad Zandi. Dieser unterhält eine Stiftung zur interreligiösen Verständigung, die von Cebrián und dem ehemaligen sozialistischen Premier Spaniens Felipe González unterstützt wird. Zandi schenkte Cebrián Anteile an Star Petroleum im Wert von über 9 Millionen Euro. Der lehnt jedwede Stellungnahme ab. Als „El País“ Ende 2012 ein Drittel der Belegschaft entließ, um die Kosten zu senken, wurde bekannt, das Cebrián jährlich 13 Millionen Euro verdient.

Es ist nicht das erste Mal, das Verleger Cebrián wütend wird. Vergangenen November berichtete die „New York Times“ über den Zustand der Presse in Spanien. So mancher Journalist kritisierte die Abhängigkeit der spanischen Medien von Banken und Fonds. Dies führe zu fehlender Freiheit und zunehmender Gängelei durch Chefredakteure und Verleger. Unter denen, die zu Wort kamen, war auch der bekannte Kolumnist der „El País“ Miguel Angel Aguilar. Er wurde sofort entlassen. PRISA stellte die Zusammenarbeit mit der „New York Times“ ein. Seither erscheint die „International New York Times“ nicht mehr in Spanien.
In den letzten Monaten wird immer häufiger Kritik an der Berichterstattung von „El País“ laut. Unter dem neuen Chefredakteur Antonio Caño, der ideologisch eher der konservativen Volkspartei (PP) nahesteht, verfolgt das Blatt, dass all die Jahre ein journalistischer und intellektueller Bezugspunkt für Leser_innen von Mitte bis Links war, eine harte Linie gegen die neue Anti-Austeritätspartei Podemos. So machte die Zeitung mit der Schlagzeile auf, einer der Podemos-Gründer hätte seinen Lebenslauf als Universitätsprofessor gefälscht. Selbst als dieser alle Unterlagen öffentlich machte, entschuldigte sich „El País“ nicht.
In Umfragen wird die junge Partei immer weit unter Wert verkauft. Während die rechtsliberale Ciudadanos, die ebenfalls als neue Partei auftritt und wie Podemos um den mit dem bisherigen Zweiparteiensystem unzufriedenen Leser wirbt, systematisch gepuscht wird. Längst sorgen diese Umfragen für allerlei zynische und erboste Kommentare in den sozialen Netzwerken, junge Leser_innen laufen in Scharen davon. Chefredakteur Caño kündigte vor zwei Monaten in einem „Brief an die Redaktion“ an, dass „El País“ auf Papier schon bald Geschichte sein dürfte. PRISA steht mit mehreren Milliarden Euro in der Kreide und gehört mittlerweile den Großbanken und ausländischen Investmentfonds.
„Die Zeitungen sind in der Hand der Investoren. Wir befinden uns in einer Lage, die der Glaubwürdigkeit der Medien in unserem Land erheblichen Schaden zugefügt hat. Bei El País zu arbeiten war für alle Journalisten einst ein Traum. Aber jetzt gibt es Menschen, die sind so verärgert, dass sie das Blatt verlassen, manchmal sogar mit dem Gefühl, dass die Situation das Niveau der Zensur erreicht hat“, hatte Miguel Angel Aguilar in seinen Erklärungen gegenüber der „New York Times“ gesagt, die ihm den Job kosteten.

 

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