Weltweit sitzen 533 Journalisten in Haft 

RSF-Bilanz: Die Ukraine wurde nach dem russischen Angriff zum zweitgefährlichsten Land für Medienschaffende.
Foto: Reuters/Carlos Barria

Die Zahl inhaftierter Medienschaffender ist in diesem Jahr auf ein Rekordhoch gestiegen. Wie Reporter ohne Grenzen (RSF) in seiner Jahresbilanz der Pressefreiheit veröffentlichte, saßen zum Stichtag 1. Dezember mindestens 533 Journalist*innen weltweit in Haft, 63 mehr als im Vorjahr. Mehr als die Hälfte von ihnen ist in Gefängnissen in fünf Ländern: China. Myanmar, Iran, Vietnam und Belarus. Gleichzeitig sind bislang 2022 weltweit mindestens 57 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit getötet worden, fast 19 Prozent mehr als im Vorjahr.

Auch die Zahl der inhaftierten Journalistinnen ist mit 78 so hoch wie nie zuvor. Laut RSF ist das auch auf die Proteste im Iran zurückzuführen – das Land ist neu in dieser Gruppe. Nach dem Ausbruch der landesweiten Proteste seit dem gewaltsamen Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini im September stieg Iran auf Platz drei der Länder mit den meisten Inhaftierungen auf. Aktuell sitzen dort 47 Medienschaffende im Gefängnis. Zwei Journalistinnen droht die Todesstrafe: Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. Nach ihrer Verhaftung im September sind beide wegen „Propaganda gegen das System und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt.

Ein Grund für den Anstieg bei den getöteten Medienschaffenden ist aus Sicht von RSF der Krieg in der Ukraine, wo acht Medienschaffende starben. Das Land wurde damit das zweitgefährlichste Land weltweit für Medienschaffende. Prominente Fälle sind der ukrainische Fotograf Maxim Lewin, der nach Erkenntnissen von RSF am 13. März gezielt von russischen Soldaten erschossen wurde, und der französische Videoreporter Frédéric Leclerc-Imhoff, der auf dem Weg zu Dreharbeiten in der Ostukraine durch einen Granatsplitter getötet wurde. 

Knapp 80 Prozent aller 2022 getöteten Journalistinnen und Journalisten wurden aufgrund ihrer Arbeit gezielt ermordet. Besonders gefährlich waren, wie schon in den Vorjahren, Recherchen zu den Themen organisiertes Verbrechen und Korruption. Allein in Mexiko wurden mindestens elf Journalistinnen und Journalisten ermordet. Der amerikanische Doppelkontinent war laut RSF die gefährlichste Region für Journalistinnen und Journalisten: Fast die Hälfte aller getöteten Medienschaffenden kam dort ums Leben.

In der Jahresbilanz der Pressefreiheit blickt RSF auch auf besonders dramatische Einzelschicksale. Dem Journalisten Jimmy Lai, Gründer der 2020 von den Behörden geschlossenen Hongkonger Tageszeitung „Apple Daily“, und sechs seiner Mitarbeitenden droht unter dem drakonischen „Sicherheitsgesetz“ eine lebenslange Haftstrafe. Dem Wikileaks-Gründer Julian Assange droht die höchste Strafe von allen, die 2022 im Zusammenhang mit Journalismus angeklagt sind – bis zu 175 Jahre Gefängnis, sollte er aus Großbritannien an die USA ausgeliefert werden. Der russische Investigativjournalist Iwan Safronow wurde zu 22 Jahren Haft verurteilt, weil er „Staatsgeheimnisse“ offengelegt haben soll, obwohl diese bereits zuvor online verfügbar waren. In Kamerun muss der seit 2016 inhaftierte und gesundheitlich angeschlagene Journalist Amadou Vamoulké zahlreiche Gerichtsverfahren ertragen, ohne dass jemals Beweise gegen ihn vorgelegt wurden.


JX Fund für Journalismus im Exil

Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine hat ukrainische Medien an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht. Journalistinnen und Journalisten berichten unter Lebensgefahr, viele gehen ins Exil. Gleiches gilt für Medienschaffende, die in Russland nicht mehr frei berichten können, und ebenso für viele Belarussen. Sie alle versuchen, im Exil weiter zu arbeiten. Unterstützung erhalten sie dabei unter anderem von Stiftungen wie dem JX Fund. Er hat erst in diesem Jahr seine Arbeit aufgenommen und verweist schon auf beindruckende Ergebnisse. Darüber spricht M mit Geschäftsführerin Penelope Winterhager.

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