Gewissenhafter Tausendsassa

Gábor Paál engagiert sich als Freienvertreter im Südwestrundfunk

Wie nennt man einen, der Geographie studiert hat, dann aber als Freier in den Journalismus wechselte und neben seiner Hauptbeschäftigung beim Rundfunk Abstecher zum Bücherschreiben, zu Vorträgen und Trainingsprogrammen unternimmt, neuerdings auch noch ein Talent für Lyrik entwickelt. Tausendsassa? Hans-Dampf-in-allen-Gassen?


Den Eindruck des dynamischen Überfliegers macht Gábor Paál nicht. Er wirkt schmal, sein Händedruck ist weich, die Stimme eher leise, allenthalben sein Lachen ungewöhnlich. Und doch handelt es sich um einen, der – zwar immer auf der Suche nach neuen Erfahrungen – zielgerichtet seinen Weg und Dingen auf den Grund geht. Als Journalist sowieso. Da widmet er sich schwierigen Themen in Politik und Wissenschaft, will Ursachen und Zusammenhängen auf die Spur kommen und sie für die Hörer nachvollziehbar machen. Als Moderator der SWR-1-Sendungen „Thema heute“ und „Weitwinkel“ hat er sich politischen Hintergründen und dem genaueren Blick auf bestimmte Regionen der Welt verschrieben, auch im Dialog mit Korrespondentenkollegen oder Experten. Neuerdings arbeitet er in Baden-Baden auch als Moderator und redaktioneller Mitarbeiter beim SWR-2-Magazin „Impuls“, das sich an „Neugierige und Wissensdurstige“ wendet. Seit zehn Jahren ist er mit seinem Kollegen Detlef Clas zusätzlich für die SWR2 Radio Akademie zuständig, das allsommerliche Schwerpunktthema. Die 12teilige Reihe – dieses Jahr ging es um die weltweite Migration – erscheint inzwischen regelmäßig auch als Buch.
Zum Glück, so Gábor Paál, sei nach der „Entwortung“ der Radioprogramme und dem Hang zu Seichtheit inzwischen eine Gegenbewegung erkennbar. Es sei eher wieder möglich, Substanz und anspruchsvolle Inhalte „so rüberzubringen, dass es keine Zumutung für die Hörer“ bedeute. Das kann der 40jährige erwiesenermaßen. Für eine Dokumentation darüber, wie Humangenetiker das Genom entschlüsselten, erhielt er 2001 den „Heurekapreis“ für Wissenschaftsjournalisten. 2005 wurde ihm ein Medienpreis Entwicklungspolitik für den Rundfunkbeitrag „Bits für die Welt“ verliehen, der die digitale Kluft unterschiedlicher Zugangschancen zu Informationen in der westlichen Zivilisation und den Ländern der dritten Welt beleuchtete. Eine lobende Anerkennung der Jury für den Robert-Mayer-Preis des VDI folgte in diesem Jahr. Das Rundfunkfeature befasste sich mit der Zukunft der Kohleenergie.

Netzwerk Wissenschaft gegründet

Gábor Paáls Beschäftigung mit schwieriger Materie und die Frage, wie man Hintergrundberichte im Hörfunk professionell gestaltet, haben ihn schon vor Jahren auf die Idee gebracht, im SWR Seminare dazu anzubieten. Sein beruflicher Kontakt zu Experten führte ihn schließlich dazu, an der Uni Stuttgart und aktuell an der Uni Karlsruhe Trainingsprogramme für Wissenschaftler zu gestalten, die lernen wollen, komplizierte Sachverhalte verständlicher auszudrücken, ihre Scheu gegenüber den Medien abzulegen und bewusst den Kontakt zur Öffentlichkeit herzustellen. Dem soll auch das von Paál vor zwei Jahren gegründete Netzwerk Wissenschaft und Medien (www.wissenschaft-medien.com) dienen. Seit „ein, zwei Jahren“ versucht der Vielseitige nun auch „ästhetische Momente der Wissenschaft in lyrische Form zu bringen“. Noch ruhen die Ergebnisse auf dem eigenen Laptop, aber wer weiß? Seine aus dem Studium in Frankfurt / Main und Edinburgh überkommenen Überlegungen zur Frage „Was ist schön?“ sind nach mehr als zehn Jahren 2003 auch als Buch erschienen. Und die Autobiografie seines Vaters, des ungarischen Arztes und Psychoanalytikers János Paál, der 1956 aus seiner Heimat floh, hat er ebenfalls herausgegeben, nachdem Manuskripte jahrelang in der Schublade gelegen hatten: „Von Kobolden gejagt“ erschien 2006.
In einem seiner Gedichte – es geht um das Verhältnis von Oben und Unten – spricht er von zwei Arbeitern, die „gewissenhaft rudern die ganze schwere Tour über die sieben Meere“. Ein solcher gewissenhafter Arbeiter ist Gábor Paál selbst. Und einer, der seine unangefochtene fachliche Position und seine lange Zugehörigkeit zum Sender nutzt, auch die Interessen anderer mit zu vertreten. Inzwischen wurde er schon zum dritten Mal als Freienvertreter im Sender wiedergewählt. Im letzten halben Jahr habe ihn besonders die Umstellung des Honorarsystems beschäftigt, weil das dann zwar „bei den Festangestellten gut, bei den Freien aber gar nicht funktioniert hat“. Als erste Abrechnungen kamen, waren sie oft fehlerhaft. „Es gab eine ganze Menge berechtigten Unmut zu kanalisieren“, meint er, sieht die Sache aber jetzt auf den Weg gebracht. In Tarifverhandlungen ist er als Freienvertreter gefragt, weiß aber auch um die komfortable Situation, in der sich seine knapp 2000 freien Kolleginnen und Kollegen gegenüber manch anderer Sendeanstalt befinden: „Verordnete Auszeiten gibt es nicht, langjährige Freie sind beim SWR relativ gut abgesichert.“ Allerdings habe die „auf Verlässlichkeit und Stabilität ausgerichtete Ordnung auch ihren Preis“: Es sei für Neulinge ziemlich schwer, beim SWR „einen Fuß in die Tür zu bekommen“. Ansonsten kümmert er sich als gewählter Senderverbandsvorstandssprecher um die alltäglichen Konflikte zwischen Unten und Oben, wobei die weniger mit der Geschäftsleitung auszufechten seien als bei Alleingängen auf unteren Hierarchieebenen. Derartiges sei zum Glück meist „relativ schnell wieder einzufangen“.
Was macht ein gewissenhafter Tausendsassa, wenn er nicht arbeitet? Man könne ihm mit seinen Inline-Skates auf den glatten Radwegen an der französischen Grenze begegnen oder zu Hause am Klavier. Da spielt er am liebsten „eigene Sachen“, wohl eine tönende Melange aus Weltmusik, Jazz und Folklore …

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