„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat…“

oder: Der Regievertrag der Bavaria auf dem gerichtlichen Prüfstand

In einem beachtenswerten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat Martin Buchhorn, Fernsehspielchef des Saarländischen Rundfunks, die gerichtliche Überprüfung der vertraglichen Bedingungen des Regievertrags der Bavaria Film GmbH erzwungen und vor dem Landgericht München I in der 1. Instanz obsiegt. Die IG Medien gewährt in diesem Verfahren Rechtsschutz.

Die 7. Kammer des Landgerichts München I, AZ: 7 O 21058/99 (Urheberrechtskammer) hat am 24. 02. 2000 die bereits im Dezember 1999 erlassene einstweilige Verfügung bestätigt, wonach der Bavaria untersagt wurde,

1. die Endfertigung der Filmproduktion „Down Under“ (Arbeitstitel) – (Bavaria Produktionsnr. 33273) ohne Mitwirkung des Antragstellers (d.h. des Regisseurs Anm. d. Verf.) bei der Hauptmischung der deutschen Sprachfassung vorzunehmen; 2. den Film „Down Under“ (Arbeitstitel) ohne vorherige Mitwirkung des Antragstellers in dem in Ziffer 1 bezeichneten Umfang öffentlich auszustrahlen.

Wer die Verträge der Bavaria kennt, weiß, dass die von der Bavaria ständig überarbeiteten Vertragsbedingungen gravierend in arbeitsrechtliche und urheberrechtliche Befugnisse der Regisseure eingreifen. Erstmalig hat ein deutsches Gericht die von den Betroffenen häufig als rechtswidrig eingestuften Klauseln für unwirksam erklärt. Buchhorn sah sich zur Klage gezwungen, weil er in den zwanzig Jahren seiner Tätigkeit weder als Regisseur noch als Produzent beim Saarländischen Rundfunk mit derartigen Vertragsbedingungen konfrontiert worden war.

Was war geschehen?

Martin Buchhorn hat seit 1993 einen in Australien spielenden Stoff für einen Fernsehfilm entwickelt, die Voraussetzungen für die Realisierung einer deutsch-australischen Koproduktion mit angestoßen und bei der Formulierung der Koproduktion mitgewirkt. Er erhielt den Regieauftrag. Während die australischen Koproduktionspartner mit der Tätigkeit von Herrn Buchhorn sehr zufrieden waren, führte die Zusammenarbeit mit der Bavaria zu Differenzen, zuletzt zu einem Zerwürfnis mit dem Ergebnis, dass zunächst Herr Buchhorn als Regisseur der englischen Originalfassung von der Hauptmischung und zuletzt von der Herstellung und Hauptmischung der deutschen Synchronfassung ausgeschlossen wurde.

Die Entscheidung des LG München I

Der gegen die Fertigstellung der deutschen Fassung gerichtete Antrag auf einstweilige Verfügung hatte Erfolg. Die Bavaria ist derzeit gehindert, ohne Mitwirkung des Regisseurs die Endfertigung vorzunehmen und den Film öffentlich auszustrahlen.

Die Brisanz des Falls liegt darin, dass seit Jahren die Produktionsfirmen mit erheblichem Aufwand und Energie die vertraglichen Bedingungen in Regieverträgen zu Lasten der Regisseure gestalten, um in jeder Phase der Produktion dienstliche, arbeitsrechtliche und urheberrechtliche Befugnisse zu eliminieren.

Das Urteil ist schon deshalb bemerkenswert, weil es eine ganze Reihe von höchst sensiblen und aufgrund der Vertragsentwicklung der letzten Jahre höchst ärgerlichen Vertragsklauseln auf Produzentenseite für unwirksam erklärt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass derartige Klauseln häufig nicht aufgrund der eigenen Überzeugung der Produzenten Bestandteil des Regievertrags werden, sondern auf den Produktionsvertrag mit den Sendern zurückzuführen sind und als unabänderbare, versteinerte Klauseln im Regievertrag auftauchen.

An dieser Stelle seien nur die wichtigsten Passagen des Urteils genannt:

1. Verzicht des Regisseurs auf einstweiligen Rechtsschutz gegen den Produzenten ist verfassungswidrig

Im Regievertrag der Bavaria soll der Regisseur auf alle Ansprüche des einstweiligen Rechtsschutzes (einstweilige Verfügung) verzichten. Insbesondere soll darauf verzichtet werden, die Fertigstellung der Produktion zu verhindern oder zu verzögern (etwa durch Geltendmachung von lästigen und verzögernden Unterlassungsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung). Das Gericht hält derartige Klauseln, die ausschließlich zu Lasten der Regisseure gehen, für unvereinbar mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (Rechtswegsgarantie). Es muss dem Regisseur möglich sein, die ihm zustehenden Rechte effektiv gerichtlich durchzusetzen. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer Rechtsstaat, der auch für Streitigkeiten zwischen Regisseuren und Produzenten wirkungsvollen Rechtsschutz gewährleistet. Diese vom Gericht attestierte, sog. Drittwirkung der grundrechtlichen verbürgten Rechtswegsgarantie ist eine der herausragenden Passagen des Urteils. Hervorzuheben ist, dass sich das Gericht hier nicht nur auf das sog. Kleingedruckte bezieht, sondern jede (auch ausgehandelte) Individualvereinbarung für verfassungswidrig erachtet, die es den Regisseuren unmöglich macht, Rechte effektiv gerichtlich durchzusetzen.

2. Keine Veröffentlichungs- und Verwertungsbefugnis des Produzenten ohne Mitwirkung des Regisseurs

Das Recht zur Mitwirkung bei Vertonung (hier z.B. auch Herstellung der deutschen Synchronfassung), der Mitwirkung bei der Hauptmischung (z.B. auch sog. Colour-Matching) wird als elementares Regieurheberrecht, basierend auf dem Veröffentlichungsrecht gem. §12 UrhG herausgearbeitet. Daher ist der Regievertrag der Bavaria unwirksam hinsichtlich folgender vertraglicher Regelungen:

  • Berechtigung des Produzenten, jederzeit auf die Dienste des Regisseurs zu verzichten;
  • Berechtigung des Produzenten, letztlich die inhaltliche Gestaltung des Films rein nach den Vorstellungen und nach den Weisungen des Produzenten (ohne den Regisseur) durchzuführen.

Beide Regelungen verstoßen nach den Ausführungen der Urheberrechtskammer des LG München I gegen wesentliche Grundgedanken des deutschen Urheberrechts. Das Gericht berücksichtigt zwar die Besonderheiten des Urheberrechts im Filmbereich (§88 bis 94 UrhG, wonach Regisseure bei abgenommenen Filmwerken nur gröbliche Entstellungen oder Beeinträchtigungen des Werks verbieten lassen können), verneint aber die Möglichkeit, dass ein Produzent einen Film ohne Mitwirkung des Regisseurs gegen dessen Willen fertig stellt.

Das Gericht betont, dass die beanstandeten Bavaria-Klauseln nicht nur aufgrund ihres standardisierten Charakters (das sog. Kleingedruckte – Allgemeine Geschäftsbedingungen) unwirksam sind, sondern auch dann, wenn die Klauseln einzeln ausgehandelt und in einen individuellen Vertrag aufgenommen sind.

Fazit

Der vom Gericht konsequent vertretene urheberrechtliche Schutz des Regisseurs gegen die eigenmächtige Fertigstellung eines Films durch den Produzenten vor Freigabe durch den Regisseur korrigiert den in den letzten Jahren entstandenen Eindruck, Produzenten könnten wirksam elementare Urheberrechte durch clevere Vertragsgestaltung eliminieren. Das Gericht erteilt allen Versuchen eine Absage, Mitwirkungsrechte des Regisseurs bis zur endgültigen Fertigstellung des Films zu beschränken. Rechtlich wird dieses nicht verzichtbare Mitwirkungsrecht abgeleitet aus dem Veröffentlichungsrecht gem. §12 UrhG. Offen bleibt, wie sich das Gericht die Lösung von Konflikten zwischen Regisseur und Produktion bei der Endfertigung vorstellt. Das Gericht deutet hier zwar Lösungsvorschläge an – das Urteil schließt jedoch jetzt schon aus, dass derartige Konflikte einseitig durch eine Weisung des Produzenten gelöst werden.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Die Bavaria will Berufung einlegen. Die IG Medien wird auch in der Berufungsinstanz Rechtsschutz gewähren. Das Urteil hat schon jetzt erhebliche Auswirkungen. Es ist zu hoffen, dass auch auf Produzentenseite die Einsicht einkehrt, dass mit einseitigen, rechtswidrigen Vertragsklauseln keine Verbesserung der Produzentenposition erreicht werden kann. Zu ihrer Entschuldigung verweisen die Produzenten häufig auf die ihnen vorgegebenen Bedingungen der Sender. Ob dort Einsichtsfähigkeit und die Bereitschaft besteht, Regieverträge auch ohne rechtswidrige Klauseln zu akzeptieren, bleibt abzuwarten.


  • RA Dr. Florian Prugger
  • Martin Buchhorn, Leiter der Abteilung Fernsehspiel und Serien beim Saarländischen Rundfunk, hat mit Rechtsschutz von IG Medien und Regieverband ein bemerkenswertes Urteil erstritten
  • Urteil des LG München I vom 24. 02. 2000, AZ: 7 O 21058/99, dort S. 10
  • nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fakten, Fame und Follower

Im Netz dominiert mittlerweile der Content, den kommerzielle BigTech-Plattformen pushen. Er ist nicht mehr gebunden an eine „öffentliche Aufgabe“ von Journalismus, nämlich durch Information und Fakten zur Selbstverständigung der Gesellschaft beizutragen.
mehr »

Junger Journalismus: Lernen, vernetzen und schützen

Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu, online wie auf der Straße. Umso wichtiger, Pressefreiheit nicht nur als Prinzip zu verstehen, sondern sie im Alltag zu verteidigen. Mit diesem Anspruch lud die Jugendpresse Deutschland Anfang November rund 80 junge Medieninteressierte nach Dresden ein. Bei der „YouMeCon kompakt“ ging es um journalistisches Handwerk, Verantwortung und darum, wie man Menschen schützt, die berichten.
mehr »

Lokaljournalismus verliert Quellen

Viele Städte und Gemeinden betreiben inzwischen ihre eigenen Social Media Kanäle und ihre eigene Informationsstrategie. Auch Akteure wie Polizei und Feuerwehr setzen immer mehr auf direkte Kommunikation – was Vorteile hat. Gleichzeitig, so der Verband der Deutschen Zeitungsverleger (VDL), erschwert diese Entwicklung die Arbeit von Lokalkjournalist*innen. Eine Sendung des Deutschlandfunks hat nachgefragt.
mehr »

Deutsche-Welle: Beschäftigte wehren sich

Mitarbeiter*innen der Deutschen Welle (DW) protestieren an der Marschallbrücke in Berlin gegen die geplanten massiven Kürzungen im Etat des deutschen Auslandssenders. Sie wollen bis Freitag jeweils frühmorgens Bundestagsmitglieder auf ihrem Weg ins Parlament um Unterstützung für eine ausreichende finanzielle und personelle Ausstattung der Deutschen Welle bitten.
mehr »