Die Printenrevolution im NRW-Hörfunk

Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten – in Aachen haben zwei Lokalradios tatsächlich Erfolg

Im Juni Õ99 sind die beiden Aachener Sender aus dem Lokalfunkmodell in NRW ausgestiegen. Sie produzieren seitdem ihr eigenes 24-Stunden-Programm. In NRW ist das ein Novum. Die übrigen Lokalradios haben nur stundenweise eigene Sendungen und übernehmen sonst Radio NRW. „Wir haben uns die Frage gestellt: Kann man wirtschaftliches Lokalradio machen oder nicht?“, erläutert Torsten Manges, Programmchef von Aachen 100, EINS, den Hintergrund. Dazu habe man das NRW-Modell mit dem bayerischen verglichen. Fazit: Als Lokalsender in NRW müsste eigentlich mehr Geld drin sein.

Ausgangspunkt für die Einschätzung von Manges ist die Kostenrechnung des Partners der bayerischen Lokalsender, der BLR. Sie veranschlagt für ihr Rahmenprogramm 6,5 Millionen DM pro Jahr. Radio NRW setzt dafür einen Betrag an, den Beobachter bei mindestens 30 Millionen DM vermuten. Genaue Zahlen rückt Hartmut Gläsmann, Geschäftsführer von Radio NRW, nicht heraus.

Doch auch so sieht Torsten Manges das Manko von Radio NRW in einem miserablen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Der neue Hauptgesellschafter der Aachener Sender, David Dornier, wird noch deutlicher: „Unzumutbare Konditionen eines Monopolisten und völlig überhöhte Kosten“, urteilt er über das Oberhausener Angebot. Zuletzt seien bei Aachen 100, EINS zum Beispiel nur rund 150000 Mark angekommen. Für diese Summe habe jetzt ein einziger nationaler Werbekunde Spots gebucht. „Wir haben also versucht, mit Radio NRW einen neuen Vertrag auszuhandeln“, erzählt Torsten Manges. Man habe dabei die Transparenz der Geschäftszahlen gefordert. Außerdem hätten die Aachener Sender vorgeschlagen, einzelne Programmelemente zu kaufen oder zumindest die Vermarktung über das Oberhausener Mutterhaus abzuwickeln – ohne Erfolg.

Einheitlicher Auftritt der Lokalstationen …

„Ich hätte es niemandem erklären können, warum Aachen plötzlich bessere Konditionen bekommt als alle anderen“, erklärt Hartmut Gläsmann seine Position. Radio NRW biete nicht nur ein Rahmenprogramm, sondern vermarkte die Lokalstationen mit einem einheitlichen Auftritt. So habe man 1999 zum Beispiel 250 Außenveranstaltungen organisiert, rund 500000 DM in Musikforschung gesteckt und trotzdem noch 27,3 Millionen DM an die Lokalradios ausgeschüttet.

Richard Tigges, Unternehmenssprecher des bayerischen Rahmenprogrammanbieters BLR, unterstellt Radio NRW, die Lokalsender in kleine „Programmfenster“ zu verbannen. „Wir bieten dagegen einen Mantel an, den man freiwillig anziehen kann, wenn einem kalt ist. Aber keiner zwingt einen dazu“, sagt er.

… oder mehr Lokalkolorit?

Torsten Manges glaubt auch, dass durch die Oberhausener Vorgaben vieles gleich klinge. Das sei in Aachen nach der Trennung vom Radio NRW jetzt ganz anders. 107.8 Antenne AC spielt verstärkt Oldies, Aachen 100,EINS dagegen auch aktuellere Hits, die früher nicht im Programm vorkamen. „Wir setzen außerdem verstärkt darauf, vor Ort zu sein. Wir haben etliche Standleitungen in der Stadt. Wir haben Reporter. Und wenn etwas passiert, können wir sofort senden.“ Das Modell funktioniere so gut, dass sich sogar zwei Sender in Aachen halten könnten. Die früheren Eigner der beiden Stationen, die Zeitungsgruppe WAZ und die Aachener Zeitungsverlage, hatten dagegen geglaubt, dass sie nur durch eine Zusammenlegung gerettet werden könnten. Die Dornier Medien GmbH und Co. KG nutzte die Chance und stieg in beide Stationen ein. „Möglicherweise werden wir schon dieses Jahr die schwarze Null erreichen“, kommentiert Torsten Manges die Fehleinschätzung der früheren Besitzer. Mittlerweile sei Aachen der härteste Radiomarkt in NRW.

Neben den zwei Lokalradios und den WDR-Programmen gibt es 100Õ5 – das Hitradio. Das deutschsprachige Programm strahlt aus Belgien nach Aachen ein und ist ein ernst zu nehmender Konkurrent. In der Redaktion von 107.8 Antenne AC hängt das Logo des belgischen Nachbarsenders, Untertitel: „Der Feind“. Trotzdem glaubt Torsten Manges, im Aachener Markt mit journalistischer Qualität zu bestehen. So habe man durch die neu gewachsenen Kontakte mehr Exklusiv-Geschichten. Das Team von Aachen 100,EINS ist seit Juni 1999 stetig größer geworden. Ziel sei es, fünf Redakteure und zwei Volontäre zu beschäftigen. Die Volontäre hätten darum auch eine Übernahmegarantie erhalten.

Manges’ Botschaft: Das Aachener Modell funktioniert. „Wir können hier machen, was wir wollen. Wir machen auch was wir wollen. Und es macht Spaß.“

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