EU-Gesetz über Medienfreiheit noch verbesserungswürdig

Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel. Foto: 123rf

Die Europäische Journalistinnen-Föderation (EJF) begrüßt die Initiative der EU-Kommission zur Stärkung des freien und pluralistischen Mediensystems in Europa. In der nun veröffentlichten Stellungnahme zum Entwurf des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes (European Media Freedom Act – EMFA) drängt sie jedoch auch auf Änderungen. Der Vorschlag zur Verordnung kam im September 2022 von der EU-Kommission und richtet sich gegen staatliche Eingriffe in Redaktionen und Medienunternehmen.

Mängel im Entwurf sieht die EJF bei den Regelungen zum Schutz der Medienfreiheit als auch der redaktionellen Unabhängigkeit, die bereits heute in vielen EU-Ländern bedroht seien. Darum müsse hier nachgebessert werden. „Durch die Annahme von Anmerkungen und Vorschlägen von Journalistenorganisationen kann ein gestärktes EMFA zur Verteidigung des Journalismus als öffentliches Gut beitragen“, sagte EJf-Präsidentin Maja Sever.

Die EJF verweist auf die wachsende Marktkonzentration im traditionellen Mediensektor vieler Mitgliedsländer und die zunehmende Marktmacht einiger weniger digitaler Konzerne. Außerdem müsse der Anwendungsbereich der Verordnung auf alle Journalist*innen, also angestellte wie auch freie, ausgeweitet werden. Ihre Forderungen hat die Europäische Journalisten-Föderation in Empfehlungen dargelegt und in sieben Punkten zusammengefasst. Danach sei es notwendig, eine zukunftsorientierte, umfassende Definition von Medien und Mediendienstleistern im Einklang mit internationalen Standards zu verabschieden.

Der Quellenschutz von Journalist*innen müsse verbessert werden. Hier sieht die EJF sogar Rückschritte im Vorschlag der Kommission. Der Einsatz von Spionageprogrammen dürfe ausschließlich im Einklang mit internationalen Standards erfolgen.

Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden

Es müsse verbindliche, gemeinsame und klare Regeln für die Transparenz über die Eigentümer*innen von Medien geben. Deren Fehlen bedauert die Föderation: „Eine aussagekräftige Transparenz ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass wir die Risiken einer Einmischung in die redaktionelle Unabhängigkeit der Medien begrenzen können. Die Bestimmungen zur Transparenz der Eigentumsverhältnisse müssen umfassend, durchsetzbar, überprüfbar und in einer europaweiten Datenbank vollständig öffentlich und frei zugänglich sein.“

Es sollten stärkere Garantien für die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden formuliert werden. Zudem müsse die vollständige Unabhängigkeit des um zahlreiche Aufgaben erweiterten Europäischen Rats für Mediendienste von der Europäischen Kommission gewährleistet sein. Die EJF hat die Sorge, dass dieses neue Gremium bislang so nicht angelegt ist.

Da die Konzentration von Medieneigentum als mögliche große Gefahr für den Medienpluralismus und die redaktionelle Unabhängigkeit erkannt worden sei, plädiert die EJF für Leitlinien zur Prüfung des öffentlichen Interesses bei Medienfusionen. So sollte verhindert werden, dass Medien durch Medienmogule und Oligarchen vereinnahmt werden, „die oft enge Beziehungen zu führenden Politikern des Landes oder sogar zu Regierungen von Drittländern unterhalten“. Letztlich müssten bestehende und neu eingeführte Medienvorschriften konsequenter durchgesetzt werden.

Zur Erinnerung: Der Kommissionsvorschlag umfasst unter anderem „Schutzvorkehrungen gegen politische Einflussnahme auf redaktionelle Entscheidungen und gegen Überwachung. Der Schwerpunkt liegt auf der Unabhängigkeit und stabilen Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien sowie auf der Transparenz von Medieneigentum und der Zuweisung staatlicher Werbeausgaben“. Weiter heißt es von der Kommission, es würden „Maßnahmen zum Schutz der Unabhängigkeit von Redakteuren und zur Offenlegung von Interessenkonflikten festgelegt“. Schließlich werde mit dem Gesetz das Thema Medienkonzentrationen angegangen und ein neues unabhängiges Europäisches Gremium für Mediendienste geschaffen, das sich aus Vertretern der nationalen Medienregulierungsbehörden zusammensetzt.

Darüber hinaus hat die Kommission eine ergänzende Empfehlung angenommen, um interne Schutzvorkehrungen für redaktionelle Unabhängigkeit zu fördern. Dabei dachte die Kommission bei ihrem Anliegen offensichtlich an die Eingriffe in die Berichterstattung in Ungarn durch die Regierung von Viktor Orbán, aber auch Polen und Rumänien.

Kritik im Bundesrat

Viele Mitgliedstaaten begrüßen die EMFA-Ziele durchaus, doch es gibt zahlreiche Änderungsvorschläge zum Entwurf. In Deutschland war der Vorhaben auf Kritik im Bundesrat gestoßen. Die Länder monieren, dass sich die EU damit zu sehr in die Belange der Mitgliedstaaten einmische. Die Kritik richtet sich vor allem gegen das anvisierte neue Gremium zur Medienaufsicht. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die auch Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder ist, kritisierte: „Die Kommission schwingt sich nicht nur zum Mediengesetzgeber auf, sondern will gleichzeitig auch noch die Medienaufsicht übernehmen.“ Die „faktische Zentralisierung der Medienaufsicht auf europäischer Ebene“ sei aufgrund fehlender Staatsferne in Deutschland nicht zulässig und nach Unionsrecht unverhältnismäßig.

Nach ihrer Veröffentlichung hatten die deutschen Verlegerverbände BDZV und MVFP die Pläne der EU-Kommission harsch kritisiert und bei der weitreichenden Aufsicht von einer „Unterwerfung der Presse“ und der „Gefahr einer politischen Vereinnahmung“ gesprochen.

Die EJF fordert jetzt, dass die vorgeschlagenen Änderungen in den Entwurf aufgenommen werden. Nur so könne das Medienfreiheitsgesetz wirksam zum Schutz des Journalismus beitragen. Offenbar plant die schwedische Ratspräsidentschaft eine zügige Behandlung in der Ratsarbeitsgruppe und anschließend eine politische Einigung im Mai. 

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