Formulierungskünstler

Urhebervertragsrecht: Suche nach Kompromissen mit dem Bundesrat – Regierungsentwurf wird ausgenommen wie eine Weihnachtsgans

Seit Mai vergangenen Jahres liegt ein erster Entwurf für ein verbessertes Urhebervertragsrecht vor, seit Mitte dieses Jahres der – etwas weniger urheberfreundliche – Regierungsentwurf. Seither werden zuhauf Bedenken gegen den Entwurf vorgebracht und eine Lobbyarbeit gefahren, die ihresgleichen sucht. Jetzt zeigt die Bundesregierung Nerven.

Gegner hatte der als „Professorenentwurf“ titulierte Vorschlag für ein verbessertes Urhebervertragsrecht von Anfang an. Verwerterunternehmen aller Sparten straften ihre Beteuerung, nichts gegen angemessene Vergütungen zu haben, Lügen: Mit massivem Druck, Besuchen – in Niedersachsen dem Vernehmen nach sogar der Kabinettsitzung! – und Anzeigenkampagnen liefen und laufen sie gegen den Entwurf Sturm. Unterstützung fanden sie im Bundesrat bei Landesfürsten, die gerne einen feschen „Medienstandort“ hätten. Die Ministerpräsidenten hören deshalb auf die ortsansässigen Unternehmer und scheren sich wenig um die Interessen der Urheber und ausübenden Künstler, ohne die sich ein solcher „Standort“ schlecht machen lässt.

Abstriche

Jetzt wird ein Kompromiss mit den Ländern gesucht, der auch die Verwerter von ihrer lärmenden Kampagne abbringen soll. Das bedeutet Abstriche am Regierungsentwurf. Wie die aussehen könnten, ist im Entwurf einer „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums für die Bundestagsausschüsse (Recht / Kultur und Medien) vom 19. November nachlesbar:
Ein eigenständiger Anspruch auf Auskunft über die Werknutzung ist in der Formulierungshilfe nicht mehr vorgesehen. Der Anspruch auf angemessene Vergütung kann nicht mehr an Verwertungsgesellschaften vorweg abgetreten werden. Es wird klargestellt, dass tarifvertragliche Vergütungsregeln Vorrang vor gesetzlichen Ansprüchen haben. Im Streitfall soll über gemeinsame Vergütungsregeln nicht mehr ein Schiedsgericht oder die Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts entscheiden, sondern eine der betriebsverfassungsrechtlichen Einigungsstelle nachgebildete Schlichtungsstelle. Das alles sind teils Klarstellungen, teils Modifikationen, die wenig Probleme bereiten.

Ärgerliches

Es gibt aber auch einige ärgerliche Änderungen. Die Verbesserungen für Filmurheber und ausübende Künstler im Regierungsentwurf sollen gestrichen, ja die Rechtseinräumung sogar noch über das jetzt geltende Recht (§ 88) hinaus auf „alle bekannten Nutzungsarten“ ausgeweitet werden. Urheber und aus- übende Künstler soll sich nur gegen „gröbliche“ Entstellungen wehren können – im „Interesse einer praktikablen Verwertung“, die Heinrich Böll treffender „Verwurstung“ genannt hat. Vom verbesserten Schutz von Urheberpersönlichkeitsrechten aus dem Regierungsentwurf bleibt – konsequent – nicht mehr übrig als eine Ruine: nur Vereinbarungen über das Recht zur (Erst-) Veröffentlichung sollen geregelt werden, was eher zu Fehlinterpretationen verleiten als helfen würde. Gestrichen ist auch die Möglichkeit, Verträge über Urheberrechte nach 30 Jahren zu kündigen, nachdem dieses Recht bereits im Regierungsentwurf massiv eingeschränkt worden war. Schließlich soll das neue Gesetz nur noch auf Verträge angewandt werden, die nach dem 1. Juni 2001 abgeschlossen wurden.

Vergütungsregeln

Nach den aktuellen Vorstellungen bleiben eigentlich nur zwei Regelungsansätze vom Regierungsentwurf übrig: die gesetzliche Absicherung einer „angemessenen Vergütung“ und die Möglichkeit, dass Urheberverbände gemeinsame Vergütungsregeln mit Verwertern aushandeln und notfalls in einem Verfahren durchsetzen. Dies allerdings in deutlich veränderter Form.

Die bisherigen Entwürfe sahen einen gesetzlichen Anspruch (§ 32) der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung gegen jeden Verwerter ihrer schöpferischen Arbeit vor. Der unbestimmte Begriff „angemessen“ sollte für die verschiedenen Branchen durch gemeinsame Vergütungsregeln (§ 36) konkretisiert werden. Eine elegante Lösung, die es erlaubt hätte, nach und nach zuverlässige Kriterien für Honorare und Gagen zu entwickeln. Dagegen rannte und lärmte die vereinigte Verwerterlobby an, weil eine vom Vertrag unabhängige angemessene Vergütung die „Rechtssicherheit“ beeinträchtige. Im Klartext: Wer einen Autor erfolgreich mit einer unangemessenen Honorarvereinbarung übertölpelt habe, solle den Profit daraus in Sicherheit einfahren können, meinten Verlage und Rundfunksender. Sie fanden mit diesem „Argument“ Gehör.

Erst ändern …

Die Formulierungshilfe definiert also schon vorab, dass „angemessen“ sein soll, was „im redlichen Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Befugnis unter Berücksichtigung aller Umstände üblicherweise“ gezahlt wird. Das stand bislang sinngemäß in der Begründung zum Entwurf, ist also keine wesentliche Änderung. Zugleich wird aber eine Kehrtwendung vollzogen: Es gibt neben dem Vertrag keinen ergänzenden gesetzlichen Anspruch auf Zahlung einer angemessene Vergütung mehr, sondern nur noch das Recht, eine nachträgliche Vertragsänderung durchzusetzen – auf zwei unterschiedlichen Wegen:

– Nach § 32 Abs. 1 soll nun „der Urheber die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen“ können, wenn oder soweit „die vereinbarte Vergütung nicht angemessen“ ist.

– Den gleichen Anspruch soll es nach § 32 a geben, wenn „die aus der Verwertung des Werkes erzielten Erträge oder Vorteile“ in einem „Missverhältnis zu der dem Urheber zustehenden Gegenleistung“ stehen. Es soll – so der Stand bei Redaktionsschluss – nicht mehr ein „grobes“ Missverhältnis erforderlich sein, sondern ein „auffälliges“ oder jedenfalls ein irgendwie besonderes.

… dann Zahlung

Beide Ansprüche verjähren nach den neuen Bestimmungen des BGB im Normalfall nach drei (§ 195), spätestens aber nach 10 Jahren, wenn der Berechtigte kein Kenntnis vom Anspruch hat (§ 199). Das schafft in der Tat „Rechtssicherheit“: Erst muss der Urheber oder die ausübende Künstlerin eine Änderung des Vertrags durchgesetzt haben, dann (was allerdings in einem Gerichtsverfahren zusammengefasst werden kann) kann der Zahlungsanspruch geltend gemacht werden. Weitere Zahlungen richten sich nach dem abgeänderten Vertrag.

Konsequenzen

Die Konsequenzen dieser Änderung am Beispiel: Wer ohne zusätzliche Vergütung – das wird leider oft zur Voraussetzung einer freien Mitarbeit gemacht – auch das Recht zur Nutzung von Zeitungsbeiträgen im Internet abgetreten hat, kann nach der „Formulierungshilfe“ nicht einfach nachträglich ein Honorar dafür verlangen. Zuerst muss eine Änderung des Vertrags durchgesetzt werden. Das dauert, kostet wegen des erhöhten Streitwerts einiges an Geld und schreckt somit ab. Sollte § 32 a für eine Vertragsanpassung obendrein ein irgendwie (z.B. „auffällig“) qualifiziertes „Missverhältnis“ verlangen, dann müsste die Journalistin oder der Journalist erst einmal hilflos zusehen, wie sein „Partner“ den Knebelvertrag ausnutzt, bis das Missverhältnis schlimm genug geworden ist. Eine „angemessene Vergütung“ für jede Werknutzung sichert der Entwurf einer Formulierungshilfe nicht. Solche „Rechtssicherheit“ haben sich die deutschen Medienzaren wohl gewünscht und – kein Berlusconi auf der Regierungsbank – befreundete Ministerpräsidenten vorgeschickt. Bislang mit Erfolg.

Es scheint aber, dass der Verwerterlobby das alles noch nicht reicht. Die Kampagne geht weiter, jetzt eben gegen die gemeinsamen Vergütungsregeln. Nach dem sich abzeichnenden Teilerfolg beim Vergütungsanspruch haben Burda, Doetz, Heinen und Freunde Blut geleckt.

Ausgang offen

Entschieden ist noch nicht alles. Zwar wird das Gesetz sicher weniger Urheberschutz bieten, als der Entwurf versprach. Wie wenig, das hängt auch davon ab, wie deutlich die Signale von Urhebern und ausübenden Künstlern an die Politik, z.B. an Beck, Clement und Gabriel, ausfallen.

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