Fressen oder gefressen werden

Im Zeitungsmarkt geht es nicht mehr nur um Gebietsarrondierungen oder um -erweiterungen, sondern um den Zukauf von Marktanteilen. Über Jahrzehnte hat die sh:z Schleswiger-Holsteinischer Zeitungsverlag GmbH & Co KG im hohen Norden eine kleine Lokalzeitung nach der anderen aufgekauft und damit eine Auflage von aktuell knapp 200.000 Exemplaren erreicht. Der Verlag ist ein Musterbeispiel für die Pressekonzentration: ein größerer Verlag kauft immer mehr kleine Verlage in der Nachbarschaft. Er folgte damit dem Rat der Ökonomen: Fressen oder gefressen werden.

Obwohl die Flensburger alles andere als fressfaul waren, hat es sie nun selbst erwischt: die Unternehmensgruppe um die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) wird den Verlag übernehmen – und zwar beim Fressen. Die Flensburger sind gerade dabei, eine der letzten unabhängigen Lokalzeitungen in Schleswig-Holstein aufzukaufen, die „Uetersener Nachrichten“ (3.900 Exemplare), und haben parallel dazu mit den Osnabrückern über den eigenen Verkauf verhandelt.

Die Flensburger haben sich nicht etwa verschluckt, sondern sind planmäßig vorgegangen. Ihre Konzernzentrale, die medien holding:nord GmbH, hatte etliche Eigner mit oft nur geringen Anteilen. Der Kreis reichte von ehemaligen Besitzern der übernommenen Kleinverlage bis zu Industriellen („Flensburger Pils“).

Die jetzige Übernahme folgt nicht dem klassischen Konzentrationsfall, Groß kauft Klein in der Nachbarschaft und erweitert damit das Verbreitungsgebiet. Denn hier liegen die Gebiete weit auseinander. Die Onsnabrücker kommen auf eine Auflage von rund 160.000 Exemplaren und dürften mit rund 200 Mio. Euro einen ähnlichen Jahresumsatz erreichen wie die Flensburger. Die NOZ beherrscht den Zeitungsmarkt in und um Osnabrück sowie im Emsland bis nach Ostfriesland. Das Gebiet der Flensburger erstreckt sich von der dänischen Grenze bis zur Elbe. Solch dislozierte Verbreitungsgebiete gab es einst nur bei Springer, etwa mit Hamburg und Berlin. Spätestens mit der Wiedervereinigung hat die Verlagsbranche gelernt, dass sich Zukäufe auch in fremden Regionen lohnen. Die Flensburger haben schon vor Jahren mit der „Schweriner Volkszeitung“ (76.000) einen der großen Titel in Mecklenburg-Vorpommern gekauft.

Wie gesagt: Im Zeitungsmarkt geht es um den Zukauf von Marktanteilen. Hohe Stückzahlen werden genutzt, um die Stückkosten zu senken. Vermeintliche und tatsächliche Synergien werden in allen Abteilungen gesucht. Im redaktionellen Bereich bedeutet das heute insbesondere, sämtliche Titel aus einer Zentralredaktion mit den überregionalen Seiten zu bestücken. Die Osnabrücker dürften schon bald auch in dieser Hinsicht den großen Verlagsgruppen wie der Funke-Gruppe oder Madsack folgen. Zu diesen großen Verlagsgruppen gehören sie mit der Übernahme nun selbst. Gerade weil es um getrennte Märkte geht, werden auch die Kartellwächter den Deal durchwinken.

 

Titel Sitz Verk. Auflage

4/2015

Neue Osnabrücker Zeitung Osnabrück 160.300
Delmenhorster Kreisblatt (75%) Delmenhorst 15.000
Uetersener Nachrichten Uetersen 3.900
Flensburger Tageblatt Flensburg 196.700
Schweriner Volkszeitung Schwerin 76.100
Norddeutsche Neueste Nachrichten Rostock 7.500

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Putins Geiseln

In Russland wurden Mitte Juli zwei westliche Journalist*innen aufgrund fingierter Anschuldigungen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Westliche Regierungen werden nun einen zynischen Deal mit dem Kreml eingehen müssen, um Evan Gershkovich und Alsu Kurmasheva freizubekommen. Doch gleichzeitig sollten sie klar machen, dass sie Putins „Verständnis“ von Journalismus nicht teilen.
mehr »

Reformstaatsvertrag: Zweifel am Zeitplan

Der Medienrechtler Dieter Dörr bezweifelt, dass es den Bundesländern gelingt, sich gemäß ihrer Planungen bis Ende Oktober auf einen Reformstaatsvertrag zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu verständigen. Er halte „diesen Zeitplan, um es vorsichtig auszudrücken, für ausgesprochen optimistisch“, sagte Dörr auf M-Anfrage. Nach dem bisherigen Fahrplan sollte der Reformstaatsvertrag dann bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Dezember 2024 unterzeichnet werden.
mehr »

Reform oder Abrissbirne im Hörfunk

Die Hängepartie um Finanzierung und Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) geht weiter. Nach wie vor sträuben sich ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten, der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) für eine Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro zu folgen. Bis Oktober wollen die Länder einen Reformstaatsvertrag vorlegen, um künftig über Sparmaßnahmen Beitragsstabilität zu erreichen. Einzelne ARD-Sender streichen bereits jetzt schon ihre Hörfunkprogramme zusammen.
mehr »

Tarifbindung statt Mehrwertsteuersenkung

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder möchte Verlagen, “Begleitschutz” geben. Das hat er bei einer Veranstaltung des Medienverbandes der freien Presse kürzlich angekündigt. Diejenigen unter ihnen, die Presseerzeugnisse herausgeben, sollen nach dem Willen Söders von einer - weiteren - Senkung der Mehrwertsteuer profitieren.
mehr »