Journalisten und auch Verleger können sich auf die Pressefreiheit berufen
Wer das oberste Gericht auf seiner Seite hat, sitzt am längeren Hebel. Dementsprechend gut geht es Presse und Journalisten in Deutschland. Denn das Bundesverfassungsgericht gilt zu Recht als Bollwerk der Presse- und Meinungsfreiheit.
„Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates.“ So schrieb Karlsruhe im Jahr 1966 und hat es seither in diversen Formulierungen stetig wiederholt. Die Presse ist demnach nicht nur Voraussetzung für die öffentliche Meinungsbildung, da sie Informationen und Wertungen aus verschiedenen Blickwinkeln anbietet. Als zivilgesellschaftliche Wächterin kontrolliert sie außerdem die staatlichen Organe und deckt Missstände auf. In einer lernenden Demokratie ist die Presse damit unverzichtbar.
Zunächst ist die Pressefreiheit allerdings ein Grundrecht der Verleger. Sie haben das Recht, eine Zeitung zu gründen und deren Tendenz zu bestimmen. Dabei kann die politische und weltanschauliche Tendenz sogar den Anzeigenteil erfassen. Wenn der Springer-Verlag den Abdruck von PDS-Wahlwerbung in seinen Zeitungen generell ablehnt, ist er damit durchaus im Recht. Ob es daneben auch eine „innere Pressefreiheit“ der Journalisten gegenüber ihrem Verleger gibt, ist umstritten. Immerhin ist klar, dass kein Redakteur dazu gezwungen werden kann, Meinungen zu vertreten, die er eigentlich ablehnt. Dagegen ist das Recht auf ein Redaktionsstatut mit Garantien für die redaktionelle Unabhängigkeit bisher nicht allgemein anerkannt.
Bei der Rundfunkfreiheit ist wegen der begrenzten Zahl der Frequenzen und den hohen finanziellen Anforderungen manches anders. So umfasst diese Freiheit kein Recht auf Gründung neuer Sender. Vielmehr ist der Staat verpflichtet, die wesentlichen Strukturen der Rundfunklandschaft per Gesetz festzulegen. Dabei kann er private Sender zulassen, muss es aber nicht. Die Grundversorgung ist jedenfalls bis auf weiteres durch öffentlich-rechtliche Programme sicherzustellen.
Geschützt ist durch die Pressefreiheit jede Tätigkeit von Presseorganen von der Beschaffung der Informationen über den Vertrieb des Mediums bis hin zu dessen Finanzierung. Verteilt der Staat Vergünstigungen an die Presse, indem er etwa den Postzeitungsvertrieb subventioniert, so ist auf die inhaltliche Neutralität der Förderung und die Gleichbehandlung aller in Frage kommenden Medien zu achten.
Auch scharfe Aussagen sind geschützt
Soweit es um Medien-Inhalte geht, sind Journalisten und Verleger wie Normalbürger von der Meinungsfreiheit geschützt. Dabei erfasst die Meinungsfreiheit nicht nur Werturteile, sondern auch Äußerungen über (wahre) Tatsachen, da sie die Grundlage der Meinungsbildung sind. Auf das Niveau der Berichterstattung kommt es nicht an. Nicht zuletzt gilt die Meinungsfreiheit auch für scharfe und übersteigerte Aussagen.
Geschützt sind außerdem nicht nur seriöse oder politische Zeitungen, sondern zum Beispiel auch die ausschließlich unterhaltungsorientierte Yellow Presse. Wie das Verfassungsgericht 1999 im Prinzessin-Caroline-Verfahren argumentierte, bietet die Berichterstattung über das Privatleben von Prominenten auch „Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen“. „Eine Zensur findet nicht statt“, heißt es vielversprechend im Grundgesetz. Ausgeschlossen ist damit aber nur eine Vorzensur, bei der staatliche Stellen vor dem Druck entscheiden, was veröffentlicht werden darf und was nicht. Rechtliche Sanktionen im Nachhinein sind zulässig – wenn sie in allgemeinen Gesetzen oder in Regelungen des Jugend- und Ehrenschutzes vorgesehen sind. Als „allgemein“ gilt ein Gesetz, wenn es sich nicht gegen eine bestimmte Meinung richtet. In der Praxis wird die Zulässigkeit von Eingriffen in die Meinungsfreiheit aber vor allem nach der so genannten Wechselwirkungs-Theorie bestimmt. Dabei ist jedes restriktive Gesetz im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen. Letztlich kommt es also – wie auch sonst in der Beziehung von Staat und Bürgern – auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel an.
Zur Beachtung der Grundrechte ist jede staatliche Instanz verpflichtet: der Gesetzgeber, die Verwaltung, die Gerichte. Nur wenn dort der Gehalt der Grundrechte (vermeintlich) verkannt wurde, kann das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet werden. Bei der Beurteilung von Meinungsäußerungen gilt Karlsruhe als besonders grundrechtsfreundlich. So legt das Verfassungsgericht bei mehrdeutigen Äußerungen wenn möglich einen Inhalt zugrunde, der keine Sanktionen erlaubt.
Für diese liberale Praxis musste Karlsruhe bereits viel Prügel einstecken. Spätestens seit das Gericht das pazifistische Glaubensbekenntnis „Soldaten sind Mörder“ zuließ, werfen ihm konservative Juristen vor, den Ehrenschutz des Grundgesetzes ausgehöhlt zu haben. In der Auseinandersetzung um Prominentenphotos hat Karlsruhe nun aber auch mehrfach Persönlichkeitsrechte gestärkt.
Straßburg hat wenig zu tun
Dem Schutz von Grundrechten dient auch die Europäische Menschenrechtskonvention. Bei einer Verletzung von Meinungs- und Pressefreiheit kann deshalb auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingeschaltet werden. Erst Ende Februar beanstandete er mehrere Gerichtsurteile aus Österreich. Unter anderem war dem links-alternativen „Tatblatt“ von einem Wiener Gericht verboten worden, der Haider-Partei FPÖ „rassistische Agitation“ vorzuwerfen. Jetzt urteilte der EGMR, dass es sich bei der Tatblatt-Äußerung um ein Werturteil handelte, das toleriert werden müsse. In deutschen Presse-Fällen spielt Straßburg allerdings nur sehr selten eine Rolle. Denn der Gang zum EGMR ist nur möglich, wenn zuvor der nationale Rechtsweg vollständig durchlaufen wurde. Angesichts der Pressefreundlichkeit des Bundesverfassungsgerichts ist dies in der Regel aber nicht erforderlich.