Hilfe für afghanische Mitarbeiter gefordert

19. Juli 2021, Dhaka, Grenzübergang zu Pakistan: Bangladeschische Journalisten zünden Kerzen an, halten Plakate und ein Porträt im Gedenken an den ermordeten Reuters-Journalisten Danish Siddiqui.
Foto: picture alliance/Zabed Hasnain Chowdhury /ZUMAPRESS.com

In einem Offenen Brief wenden sich deutsche Verlage, Redaktionen, Sender und Medienhäuser an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesaußenminister Heiko Maaß. Sie fordern, ein Visa-Notprogramm für afghanische Mitarbeiter*innen deutscher Medienhäuser. Nach dem Rückzug der internationalen Truppen werden „Racheakte der Taliban“ befürchtet.

„Wir sind der Überzeugung: Es gilt jetzt, keine Zeit mehr zu verlieren. Unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die das Land verlassen wollen, drohen Verfolgung, Verhaftung, Folter und der Tod“, heißt es in der Petition.

Und weiter: „Unsere Berichterstattung, die die deutsche Öffentlichkeit und Politik mit Analysen, Erkenntnissen und Eindrücken aus dem Land versorgt hat, war nicht denkbar ohne den Einsatz und den Mut der afghanischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die uns vor Ort unterstützt haben: den lokalen Journalistinnen und Journalisten, Stringern, Übersetzerinnen und Übersetzern.“ Ein außerordentliches Visa-Programm, wie die Bundesregierung es für die afghanischen Bundeswehr-Übersetzer geschaffen habe, werde auch für Mitarbeiter*innen deutscher Medienhäuser dringend benötigt.

Vergangene Woche erkannte die Biden-Administration nach ähnlichen Appellen der US-Medien die dramatisch gestiegene Gefahr an, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausländischer Medien ausgesetzt sind, und nahm sie in ihr Flüchtlings-Programm für Afghanistan auf. Die britische Regierung hat angedeutet, dass auch sie eine ähnliche Entscheidung vorbereitet.

Der Offene Brief ist eine gemeinsame Initiative von Arte, Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV), „Der Spiegel“, Deutsche Welle, Deutschlandradio, „Die Zeit“, dpa, „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, n-tv, Reporter ohne Grenzen, RTL, „Stern“, „Süddeutsche Zeitung“ und „taz“.

Fotograf Danish Siddiqui in Kandahar erschossen

„Allein in den vergangenen Wochen wurde der weltbekannte Fotograf Danish Siddiqui in Kandahar erschossen, starb eine Fernsehjournalistin in Kabul bei einem Bombenanschlag. Amdadullah Hamdard, der häufig für „Die Zeit“ gearbeitet hat, wurde vor seinem Haus in Dschalalabad erschossen. Dutzende Journalistinnen und Journalisten wurden in den vergangenen Jahren ermordet, von den Taliban, vom „Islamischen Staat“, von Unbekannten. Und fast nie hat die Regierung die Täter ermittelt. Es steht zu befürchten, dass solche Morde jetzt dramatisch zunehmen werden – und viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind bedroht.

Internationalen Menschenrechtsorganisationen zufolge gibt es weltweit kaum ein Land, in dem Journalistinnen und Journalisten mittlerweile so gefährdet sind wie in Afghanistan“, berichtet Zeit Online.

Medien geschlossen – Journalisten auf der Flucht

Reporter ohne Grenzen (RSF) war Ende Juli noch für zehn Tage nach Afghanistan gereist, um Solidarität mit den Betroffenen auszudrücken und Vertreterinnen und Vertreter aus Medien und Politik ein Konzept für den Schutz von Medienschaffenden vorzustellen. Denn: „Die Taliban haben in den vergangenen Jahren immer wieder Anschläge verübt, bei denen Medienschaffende getötet wurden. Mit dem weiteren Vorrücken der Extremistengruppe drohen weitere Morde an Journalistinnen und Journalisten und gleichzeitig eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Informationen“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

„Inzwischen mussten bereits mehr als 50 Medien – hauptsächlich lokale Radio- und Fernsehsender – in den von den Taliban kontrollierten Gebieten ihren Betrieb einstellen“, berichtete RSF am 14. August. Medien, die noch nicht schließen mussten, würden nur noch religiöse und von der Extremistengruppe vorgegebene Inhalte senden. Rund 100 Journalistinnen und Journalisten hätten ihren Arbeitsplatz verloren, da sie aus den von den Taliban besetzten Gebieten fliehen und in den großen Städten, insbesondere in der Hauptstadt Kabul, Zuflucht suchen mussten.

In Kabul hätten afghanische Journalistinnen und Journalisten, die ein Visum beantragen wollen, mehrere Botschaften aufgesucht. Viele Medienschaffende befürchteten, dass diejenigen, die für ausländische Medien gearbeitet haben, bevorzugt behandelt werden könnten. Schleusergruppen hätten inzwischen begonnen, ihre Preise zu erhöhen, so RSF.

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »