Das nordrhein-westfälische „Zwei-Säulen-Modell“ für den Lokalfunk ist einmalig in der Medienlandschaft Deutschlands. Dort sind die wirtschaftliche und programmliche Verantwortung klar getrennt. Doch jetzt wird das Modell in NRW in Frage gestellt. Verleger wollen über die Redaktionen der Lokalsender bestimmen. Befürchtet wird ein weiterer Rückzug des Lokaljournalismus in NRW.
Vor 30 Jahren haben sich die Medienpolitiker in NRW ein besonderes Modell einfallen lassen, um den privaten Lokalfunk auf UKW einzuführen. Es sollte eine starke, lokal recherchierende Redaktion abgesichert werden und gleichzeitig aber keine Konkurrenz für die örtlichen Tageszeitungen entstehen. So entstand das Zwei Säulen Modell aus gesellschaftlichen Gruppen, die die Veranstalter (VG) sind und die Redaktion kontrollieren und den Verlegern als Betreiber (BG).
Die Veranstaltergemeinschaft erhält die Zulassung für die Veranstaltung eines lokalen Hörfunkprogramms von der Landesmedienanstalt (LfM), ist allein verantwortlich für das Programm und Arbeitgeberin der Redakteurinnen und Redakteure. Sie ist ein Verein, in dem gesellschaftliche Gruppen am Ort wie zum Beispiel Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Kirchen, Sport- und Jugendverbände Mitglieder und damit Rundfunkveranstalter sind. Jeder Landkreis und jede größere Stadt hat ein Lokalradio mit eigener Redaktion. 45 gibt es davon.
Professioneller Journalismus vor Ort
Es sei ein Modell, dass immer noch Zukunft hat, meint Thorsten Kabitz, Sprecher des Vereins der Chefredakteure. „Die Medienpolitik klagt an vielen Stellen darüber, wenn Redaktionen geschlossen werden, abgebaut wird bei privatwirtschaftlichen Medienunternehmen. Beim Lokalfunk NRW, hat die Medienpolitik in NRW eine Chance Einfluss zu nehmen darauf, so wie dieses Modell konstruiert ist, wo noch lokaler, professioneller Vor-Ort-Journalismus passiert: nämlich bei der Lokalredaktion“.
Beschlossen wurde das Modell 1989 von einer SPD-geführten Regierung. Demnach dürfen sich alle Verleger zusammen mit den Kommunen an der Betriebsgesellschaft beteiligen, die eine Lokalzeitung im Sendegebiet haben. Alexander Vogt, medienpolitischer Sprecher der SPD im Düsseldorfer Landtag, verteidigt das System: „Es ist so aufgeteilt, dass die Programmverantwortung und der Chefredakteur durch die Veranstaltergemeinschaften gestellt wird und dadurch eine Unabhängigkeit von den Verlegern und vom wirtschaftlichen Teil da ist. Das ist Grundlage des Systems. Und das ist aus unserer Sicht auch richtig.“
Verleger wollen Lokalfunk reformieren
Inzwischen ist die SPD in NRW aber in der Opposition und fürchtet, dass die starke journalistische Ausrichtung der Lokalradios in Gefahr ist. „Es gibt Forderungen seitens der Zeitungsverleger, also der Anteilseigner der Radiosender, dass man dieses System der Veranstaltergemeinschaften in der Art und Weise nicht mehr bräuchte“, erklärt Vogt.
Die Verbände der Betreiber und Verleger wollen sich dazu nicht äußern. Aber auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) kennt diese Pläne, so der NRW-Geschäftsführer Volkmar Kah: „Ich weiß, es gibt im Hintergrund Gutachten, wo die Betriebsgesellschaften genau das haben prüfen lassen, ob das möglich wäre. Also das Ansinnen gibt es tatsächlich.“ Das Gutachten wurde beim Kölner Medienrechtler Rolf Schwartmann in Auftrag geben. Dort wird eine Fusion der zwei Säulen aus VG und BG ins Spiel gebracht. Danach soll die VG künftig nur noch als eine Art Programmbeirat fungieren, ohne eigene Verantwortung. Die Verleger würden demnach quasi die Macht übernehmen. Der DJV sieht darin die konkrete Gefahr, dass sich der Rückzug des Lokaljournalismus in NRW damit noch vor der nächsten Kommunalwahl 2020 beschleunigen könnte. Der Lokalfunk sei inzwischen an vielen Orten, die letzte Bastion von Lokaljournalismus, so Kah.
2017 gilt als Rekordjahr der Einnahmen
Viele Lokalsender hatten in den vergangenen Jahren eine gute Einnahmesituation, vornehmlich aus der Werbung. 2017 gilt sogar als Rekordjahr.
Die Veranstaltergemeinschaften wollen an dem 2-Säulen-Modell der Trennung von Inhalten und Betrieb unbedingt festhalten. Aber Horst Bongardt, Vorsitzender des Verbands lokaler Rundfunk, geht nun seinerseits in die Offensive: Er würde sich gerne von den Verlegern trennen, die zurzeit ein Vorrecht für eine Beteiligung an den Betriebsgesellschaften haben. Horst Bongardt: „Wir glauben, dass wir frei gemacht werden müssten von der Verpflichtung mit Betreibergesellschaften, die vom Gesetzgeber genau definiert sind.“
Offen ist, wie sich die Landesregierung positioniert. In einer Mitteilung hieß es vor kurzem aus der schwarz-gelben Regierungskoalition, es gäbe: „verkrustete Strukturen, die aufgebrochen werden müssten“. Auf Anfrage dazu sagte ein Sprecher der Landesregierung: Man wolle „journalistische Unabhängigkeit und gesellschaftliche Verankerung“ erhalten. Zurzeit werde eine Gesamtstrategie mit dem Titel „Radio in NRW 2022″ erarbeitet.
Weitere Konkurrenz durch DAB+
Für Hektor Haarkötter, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und Mitglied des Vorstands der dju NRW in ver.di ist die Lage sehr unübersichtlich. Er sorgt sich zusätzlich darum, dass dem Lokalfunk auch durch den bevorstehenden Start des neuen Radiofunkstandard DAB+ weitere Konkurrenz droht. Denn das wäre „interessant für die großen Radio Betreiber aus anderen Bundesländern, die damit eine Möglichkeit hätten in NRW zusätzlich Reichweite zu erzielen und so auch Geld zu verdienen. Das wäre Geld, das natürlich den heutigen Betreibern der Lokalradios NRW fehlen wird.“
Die von der LfM bei der Firma Goldmedia beauftragte Studie geht davon aus, dass UKW bis zum Jahr 2028 bis zu zwei Drittel seiner Hörer*innen verliert, sagt Inhaber Klaus Goldmann: „Zusammenfassend kann man sagen, das egal was passiert, die gesamte Hörfunklandschaft digital wird. Der klassische Hörfunk wird an Reichweite verlieren und DAB+ wird in unterschiedlichen Szenarien bis zu 20 Prozent an Reichweite gewinnen.“
Die LfM ist dabei die Frequenzen für ein landesweites Senderbouquet in DAB+ auszuschreiben und zusätzlich 5 oder 6 regionale Sendegebiete. Dort herrscht großer Andrang: Im vergangenen Jahr meldeten sich 46 Interessenten, davon 18 für landesweite Programme. Nicht auszuschließen ist, dass auch die Verleger dabei sein werden.