Mediale Präsenz im Ausland erhöhen

Intendant Erik Bettermann im Gespräch mit M über die strategische Neuausrichtung der Deutschen Welle

M | Herr Bettermann, die neue Aufgabenplanung skizziert die Aktivitäten der Deutschen Welle bis 2013. Darin fordern Sie einen nationalen Schulterschluss mit anderen öffentlich-rechtlichen Sendern und auch mit kommerziellen Medienunternehmen. Wollen Sie „DSDS“ und „Wer wird Millionär?“ ins Programm holen?

Erik Eettermann | Die Deutsche Welle hat ein klares inhaltliches Profil: Information und Bildung kennzeichnen die journalistischen Produkte. Daran wird sich durch die strategische Neuausrichtung nichts ändern. Die DW wird nicht zur Abspielstation für Unterhaltungsformate. Das wäre weder mit unserem gesetzlichen Auftrag zu vereinbaren, noch würde es den Erwartungen unserer Zielgruppe in aller Welt entsprechen. Es geht darum, die im Sinne unseres Profils attraktiven Inhalte, die wir hierzulande haben, besser nach draußen zu tragen.

M | Was können private Medien der DW bieten, was sie selbst nicht kann?

Eettermann |Vom Auslandsrundfunk profitieren alle – insofern betrachte ich es als eine patriotische Verpflichtung auch der Privaten, einen Beitrag zu seiner Stärkung zu leisten. Eine bessere mediale Präsenz im Ausland erreicht Deutschland nur, wenn es die Stärken seines Mediensystems bündelt.
Andere Länder sind da weiter. TV5 speist sich aus Inhalten öffentlich-rechtlicher Inlandssender in Frankreich, Belgien, der Schweiz und Kanada. BBC World Service und das TV-Angebot BBC World News können auf das Team von BBC News zugreifen, auf die Korrespondentenbüros und auf 2.000 BBC-Journalisten weltweit. In diese Richtung müssen auch wir uns bewegen. Wie das geschehen kann, besprechen wir zunächst innerhalb der öffentlich-rechtlichen Familie. Die angestrebte Kooperation mit privaten Medienunternehmen kann nur Gegenstand einer späteren Ausbaustufe sein.

M | Gibt es konkrete Gespräche und Ideen einer Zusammenarbeit?

Eettermann | Die Aufgabenplanung ist die Initialzündung für eine politische Diskussion über die Frage, welche mediale Visitenkarte Deutschland in der Welt braucht. Ich möchte eine gemeinsame Gestaltung und politische Verantwortung des Bundes und der Länder für die DW. Darüber habe ich mit den meisten Ministerpräsidenten gesprochen und sehr viel Zustimmung für unser Konzept erhalten. Mir ist klar, dass wir nicht binnen Jahresfrist Vollzug für eine „integrierte“ DW werden melden können. Das ist ein Prozess und der braucht in einer föderalen Struktur und einem dualen Mediensystem Zeit. Die ARD-Intendanten haben eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit diesen Fragen beschäftigt. Einbezogen in die Gespräche sind auch der ZDF-Intendant und mein Kollege vom Deutschlandradio.

M | Was ist der Kern der Neuausrichtung, was soll anders werden?

Eettermann | Kernstück ist die stärkere Einbindung der DW in die deutsche Medienlandschaft – dort, wo dies sinnvoll und wünschenswert ist. Ein weiteres Element ist die Fokussierung auf unsere wichtigste Zielgruppe: Informationssuchende in aller Welt, insbesondere solche, die Einfluss auf Entwicklungen und Entscheidungen in ihren Ländern haben. Es sind nach unserem gesetzlichen Auftrag eben nicht die Deutschen, die wir erreichen sollen. Unsere Zielgruppe müssen wir optimal erreichen und binden. Dafür müssen wir unsere Angebote vor allem in den Fremdsprachen inhaltlich weiter regionalisieren und die Übertragungswege noch stärker differenzieren. Inhalte in Hörfunk und Internet erstellen wir in multimedialen Redaktionen. Diesen Weg haben wir schon vor einigen Jahren eingeleitet, als eines der ersten deutschen Medienunternehmen.

M | Für DW-TV werden parallele Ausstrahlungskanäle pro Region angestrebt, für Asien ist das schon umgesetzt. Das kostet Geld. Um Kosten zu senken, haben Sie Redaktionen zusammengelegt, Eigenproduktionen verringert, die Wiederholungsrate erhöht und Produktionsaufgaben auf Redakteurinnen und Redakteuren übertragen. Ist es das wert?

Eettermann | In einer dynamischen, wettbewerbsorientierten Medienwelt muss man flexibel agieren können, die Angebote immer wieder neu am Markt justieren. Wir haben den Anschluss bisher halten können, weil wir uns über Rationalisierungen und Umschichtungen den nötigen Bewegungsspielraum erkämpft haben. Das ist jetzt ausgereizt. Unser Problem ist die strukturelle Unterfinanzierung. Allein durch Kostensteigerungen und Tariferhöhungen haben wir bis 2013 einen Mehrbedarf von über 16 Millionen Euro. Wenn sich an unserer Etatsituation nichts ändert, müssen wir auch Programmangebote reduzieren.

M | Die DW wird aus Steuergeldern finanziert und ist damit von Haushaltsentscheidungen des Bundestages abhängig. Wie sehen Sie die Zukunft des Senders vor dem Hintergrund der enormen Sparzwänge der Regierung?

Eettermann | Nur mit einer klar vermittelten Position aus deutscher Quelle wird Deutschland in einer globalisierten Medienwelt wirtschaftlich, politisch und kulturell wahrgenommen. Unser Land muss ein Interesse daran haben, seine Perspektiven und Positionen weltweit zu verbreiten. Wer anders als wir selbst sollte unser Land vertreten? Ich bin optimistisch, dass am Ende der politischen Debatte über unsere Aufgabenplanung die Erkenntnis steht: Wir müssen unsere mediale Stimme stärken.

Die Fragen stellte Stephan Kolbe

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

COP30 und der Klimajournalismus

Die Weltklimakonferenz in Belém bringt das Thema Klimaschutz zurück auf manche Titelseiten. Aber welche Rolle spielt das Klima im Alltag in deutschen Medien? Alexandra Endres (table.media) und Torsten Schäfer (FH Darmstadt) beobachten das Geschehen schon länger und nehmen die CPO30 zum Anlass, um für eine Sendung des Deutschlandfunks darüber zu diskutieren.
mehr »

Ver.di: Deutsche Welle nicht kürzen

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) kritisiert die geplante Etat-Senkung bei der Deutschen Welle, mit der eine Schrumpfung des deutschen Auslandssenders einhergehen wird. Stattdessen müsse eine ausreichende Finanzierung durch Bundesmittel gewährleistet werden.
mehr »

RSF: Exilmedien als Quelle

Sie decken Korruption und Unterdrückung auf, wo ausländische Korrespondent*innen keinen Zugang haben: Exilmedien sorgen dafür, dass zuverlässige Informationen aus geschlossenen Diktaturen weiterhin verfügbar bleiben. In Kooperation mit dem JX Fund stellt Reporter ohne Grenzen (RSF) dar, wie wichtig Exiljournalist*innen in der internationalen Berichterstattung sind.
mehr »

Urheberrecht: ChatGPT-Urteil ist Anfang

Ein Präzedenzfall ist das Urteil im Rechtsstreit zwischen der Verwertungsgesellschaft Gema und dem KI-Unternehmen OpenAI vom 11. November 2025 sicherlich. Aber abgesehen von einem zu erwartenden längeren Instanzenweg stellt sich auch die Frage, wie sich die gesamte Kreativwirtschaft gegen die ungefragte Nutzung von geistigem Eigentum wehren kann.
mehr »