Mediales Erbe der DDR in Forscherhand

Filme wie "Gundermann" belegen das Interesse an differenzierter Aufarbeitung.
Screenshot: www.gundermann-derfilm.de

Medien sind eine wichtige Brücke zum Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungen und Einstellungen. Im Forschungsverbund „Das mediale Erbe der DDR“ untersucht ein Dutzend Wissenschaftler*innen unterschiedlicher Disziplinen, welchen Einfluss in der DDR produzierte Medien vor und nach dem Mauerfall auf die Erinnerung an die DDR haben. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 40 Millionen Euro geförderte Projekt ist Teil eines auf vier Jahre angelegten Schwerpunktprogramms.

Beteiligt an dem Forschungsverbund sind die Ludwig-Maximilian-Universität München (LMU), die Freie Universität Berlin (FU) und das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam.

30 Jahre nach der Wende ist die Erinnerung an den sozialistischen Staat immer noch gespalten. „In der Geschichtswissenschaft, aber auch in der Erinnerungskultur wurde sehr stark der Diktaturcharakter der DDR hervorgehoben“, konstatiert ZZF-Direktor Frank Bösch, Leiter des Potsdamer Teilprojekts. In der ostdeutschen Bevölkerung dagegen würden auch andere, positive Erfahrungen wie etwa soziale Errungenschaften oder der vermeintlich engere gesellschaftliche Zusammenhalt akzentuiert.

Im vereinten Deutschland wurde das Bild von der DDR unter anderem maßgeblich durch Nachwende-Filme wie „Sonnenallee“, „Goodbye Lenin“ oder „Das Leben der Anderen“ geprägt. Viele Ostdeutsche finden sich indes in solchen Darstellungen mit ihren Biografien nicht wieder. Neuerdings schaffen es mit „Gundermann“ oder „Familie Brasch“ auch Filme in die Kinos, die sich um eine differenziertere Aufarbeitung der Verhältnisse im „Arbeiter- und Bauernstaat“ bemühen.

Untersucht werden aber nicht nur spektakuläre Produktionen. Es gehe auch um eine kritische Auseinandersetzung mit den Medienbildern, „die die scheinbar heile Welt der privaten Schmalfilme, der privaten Knipser oder auch der erfolgreichen DDR-Journalisten vermitteln“, so Bösch. Nach wie vor wichtig sei dabei die Herkunft der Akteure und ihre spezifische Sozialisation. Exemplarisch lässt sich das am Beispiel des Journalistenberufs beobachten. Im ehemaligen DDR-Rundfunk, auch in den Zeitungsbetrieben wurden im Gefolge der Wende die Leitungen ausgewechselt. „Aber unterhalb der Ebene der Chefredakteure oder Ressortleiter gibt es natürlich Medienleute, die Journalismus neu lernen.“ In diesem Bereich herrschten bis heute eine große Sensibilität und beträchtliche Unterschiede. Dabei gehe es nicht zuletzt um die „Verteidigung von Lebensleistung“.

Besonders empfindlich reagieren ehemalige DDR-Bürger, wenn Westdeutsche ihnen „ihr Leben erklären“ wollen. Bösch dreht den Spieß gedanklich um: „Wie würden Menschen z.B. aus Bochum reagieren, wenn DDR-Bürger, die vielleicht einmal für zwei Wochen im Ruhrgebiet waren, sie über die dortige Situation in den siebziger Jahren belehren wollten? Vermutlich würden sie es auch als Anmaßung begreifen.“

Drei Disziplinen arbeiten im Forschungsverbund zusammen: Die Geschichtsdidaktiker in München und Berlin untersuchen  vor allem die Nutzung von Medienprodukten in Schulen, Museen und anderen Bildungseinrichtungen. Die Kommunikationswissenschaftler widmen sich vorrangig der Rezeption und Organisation von Massenmedien, unter Einschluss der Rolle von Medienstars. Die Historiker wiederum kümmern sich um den Transformationsprozess von Medien. Etwa um die konkreten Bedingungen, unter denen Teile die elektronischen DDR-Medien im Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg (später Rundfunk Berlin-Brandenburg) bzw. im  Mitteldeutschen Rundfunk aufgehen. Daraus könnten sich Rückschlüsse ergeben über die Ursachen unterschiedlicher Mediennutzung in Ost und West. Privatsender werden von Ostdeutschen deutlich häufiger genutzt, was man mit der Distanz gegenüber dem als westlich angesehenen öffentlich-rechtlichen Rundfunk erklären könne, findet Bösch. Und: „Im Printbereich erfahren Formate wie etwa Super-Illu, die zwar Westdeutschen gehören, aber besonders ostdeutsche Interessen vertreten, eine deutlich stärkere Resonanz als die etablierten westdeutschen Formate.“ Auch die Art und Weise, wie die Bild im Osten gegen die Bild im Westen argumentiere, sei „ein besonders signifikantes Beispiel für die Fortführung der gespaltenen Haltung der Deutschen“.

Andere Teilprojekte kreisen um die Bedeutung von ostdeutscher Rockmusik, von privatem Schmalfilm und um die Kommunikation über die DDR-Vergangenheit in den sozialen Medien.

Erste Ergebnisse wollen die Forscher im September im Rahmen des Filmfestivals „Moving History“ in Potsdam mit dem Schwerpunkt DDR-Geschichte präsentieren. Der Forschungsverbund will dann unter anderem eine Plattform zum DDR-Schmalfilm eröffnen. Auch sollen Hunderte von Filmemachern ihre Arbeiten zeigen – unter der Schirmherrschaft von Margarethe von Trotta.

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