Pressefreiheit contra Persönlichkeitsrecht?
Jeder Journalist sammelt Informationen über Personen, also Namen, Fotos, identifizierende Lebensdaten etc. und nutzt diese für Veröffentlichungen. Was geschieht jedoch mit all den recherchierten Daten?
Wie geht ein Journalist etwa damit um, die psychische Krankheit eines Lokalpolitikers zu kennen und vor einer Wahl einen Bericht über dessen Kandidatur verfassen zu wollen? Kann er die ihm bekannte Tatsache aus der Krankenakte des Kandidaten veröffentlichen? Werden hier die Persönlichkeitsrechte des Kandidaten verletzt oder darüber hinaus auch Datenschutzbestimmungen?
Ein Beispiel
Eine Tageszeitung berichtet über einen Lehrer, der einen Schüler geohrfeigt haben soll. Ein Eklat wird herbeigeschrieben, der Name des Lehrers samt Foto veröffentlicht und der Hinweis gebracht, eben dieser Lehrer sei disziplinarrechtlich schon vorbestraft, da er jahrelang ein Verhältnis zu einer Minderjährigen unterhalten hatte. In diesem Fall (der dem Presserat vorlag) ist nicht nur eine Missachtung des Persönlichkeitsrechts des Lehrers zu erkennen und somit ein Verstoß gegen die schon bestehende Ziffer 8 des Pressekodex. Es handelt sich gleichzeitig um einen Verstoß gegen die Regelungen des Datenschutzes, da das Detail des weit zurückliegenden Disziplinarverfahrens bekannt gemacht wurde, eine Verletzung personenbezogener Daten liegt also auch vor.
Nicht nur in diesem Fall steht die grundgesetzlich garantierte Pressefreiheit mit dem Persönlichkeitsrecht in einem starken Spannungsverhältnis.
Das Ende des Medienprivilegs?
Eine EU-Richtlinie von 1995 zwang auch den deutschen Gesetzgeber dazu, das Bundesdatenschutzgesetz zu ändern, das in dem € 41 bislang für die Presse sehr zurückhaltende Regelungen beinhaltete. Als der Gesetzgeber Ende der 90er Jahre dann das sogenannte Medienprivileg im Datenschutz aufheben wollte, drohte jeder Redaktion ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter sowie ein gesetzlich verankertes Auskunftsrecht und ein Korrekturanspruch, verschärfte Schadensersatzansprüche bei Datenschutzverstößen etc. Durch die Intervention der Journalisten- und Verlegerverbände sowie des Deutschen Presserats konnte dies abgewendet werden. Innenminister Schily machte nach Gesprächen mit den Beteiligten den Weg frei für ein neues Modell der Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz. Ein integratives Modell der Selbstregulierung für den Redaktionsdatenschutz, aufbauend auf die langjährige Erfahrung des Presserats und seiner Beschwerdearbeit.
Änderungen des Pressekodex
Seit dem 18. 5. 2001 ist das Bundesdatenschutzgesetz in Kraft und mit ihm wird nun Schritt für Schritt die Freiwillige Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz beim Presserat aufgebaut. Der Pressekodex, der bisher vor allem in den Ziffern 3 und 8 bereits Regelungen zum Persönlichkeitsrecht enthält, wurde erweitert.
So regelt Ziffer 3 neben der Richtigstellung selbst nun auch deren Dokumentation. Unter ausdrücklicher Wahrung des Informantenschutzes erhält der von einer Veröffentlichung Betroffene einen Auskunftsanspruch gegenüber der Redaktion über seine personenbezogenen Daten. Und Ziffer 8 lautet nun ergänzend: „Die Presse achtet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und gewährleistet den redaktionellen Datenschutz“ Darüber hinaus wird hervorgehoben, dass die Datenübermittlung zu journalistisch-redaktionellen Zwecken zulässig ist.
Ebenso wurden die Präambel ergänzt und weitere Richtlinien hinzugefügt (siehe Kasten auf S. 18)
Neue Aufgaben
Die Selbstregulierung durch den Presserat stellt für die Zukunft sicher, dass die Presse freiwillig und in eigener Verantwortung die datenschutzrechtlichen Anforderungen im redaktionellen Alltag umsetzt. Die geschieht vor allem durch:
- die Datenschutzrichtlinien im Pressekodex
- die Beschwerdearbeit zum Redaktionsdatenschutz in einem eigenen Beschwerdeausschuss
- einen Präventionskatalog zur Datensicherheit
- die Fortschreibung des Kodex auf Basis der praktischen Erfahrungen
- eine regelmäßige Berichterstattung über die Situation des Redaktionsdatenschutzes in den Redaktionen und Verlagen
- ein Beratungsangebot für Redaktionen und Verlage
- eine Selbstverpflichtungserklärung der Verlage, den Pressekodex und die Grundsätze zum Redaktionsdatenschutz einzuhalten.
Akkreditierung
Die offizielle Akkreditierung des neuen Pressekodex wird am 28. 11. 2001 vonstatten gehen, wenn Vertreter des Presserats Bundespräsident Johannes Rau den erweiterten Pressekodex übergeben werden. Ab Januar 2002 wird der Presserat dann seine Arbeit zur Freiwilligen Selbstkontrolle Redaktionsdatenschutz beginnen können, ein zweiter Beschwerdeausschuss wird etabliert und die organisatorische und personelle Ausstattung wird bis dahin stehen.
Mehr Sicherheit & höhere Qualität
Für die Journalisten ergibt sich somit, dass das „notwendige Übel Redaktionsdatenschutz“ nunmehr in Bahnen gelenkt ist, die sich in Form der Freiwilligen Selbstkontrolle der Printmedien mit dem Deutschen Presserat schon seit 45 Jahren eine gute Basis für eine nicht staatlich gelenkte Aufsicht geschaffen hat. Gleichzeitig erfährt die Qualität der journalistischen Arbeit durch die o.g. Maßnahmen eine Verbesserung und das Bürgerrecht zur informationellen Selbstbestimmung wird gewahrt.
- Ella Wassink ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Deutschen Presserat.
Ab Ende November ist der neue Text des Pressekodex beim Presserat erhältlich:
www.presserat.de