Freie Mitarbeiter der Berliner Morgenpost „entlassen“/ Redakteure planen eigenes Kiez-Heft
Die Lokalanzeiger der „Berliner Morgenpost“ erscheinen ab dem 30. Oktober in einem neuen Magazin-Format. „Die als handliche ,Zeitung in der Zeitung‘ zum Herausnehmen konzipierten Lokalmagazine bieten dem Leser eine Fülle von Hintergründen zum politischen und gesellschaftlichen Geschehen aus den Berliner Bezirken und Brandenburg sowie einen umfangreichen Serviceteil. Mit elf Lokalredaktionen von Marzahn bis Zehlendorf, von Königs Wusterhausen bis Oranienburg ist die Berliner Morgenpost damit wie keine andere Regionalzeitung im gesamten Großraum Berlin präsent“, hieß es in einer Pressemitteilung des Springer Verlages Anfang Oktober.
Was die Leser in der Verlautbarung nicht erfahren, ist, dass mit diesen neuen, nicht mehr täglich erscheinenden Lokalanzeigern auf die Mitarbeit von mehr als 80 freien Beschäftigten verzichtet wird. Pauschalverträge wurden gekündigt, sogenannten Zeilenfreien wurde an einem Freitag gesagt, dass man sie am Montag nicht mehr benötige. Quasi von einem Tag auf den anderen standen sie ohne Arbeit da, viele von ihnen arbeiteten vorwiegend oder fast ausschließlich als Lokalreporter für das Springerblatt. Demzufolge hatten sie einen arbeitnehmerähnlichen Status. Ein Großteil der Freien hat deshalb diesen Anspruch gegenüber der Springer-Tochter Ullstein geltend gemacht. Sollte diese Forderung nicht anerkannt werden, steht ihnen natürlich unterstützt von ver.di der Klageweg offen.
Das Vorhaben warf seine Schatten voraus (siehe M 10/01), wenn es auch bis zuletzt unter der Decke gehalten wurde. Infolge der ersten Sparwelle im Hause Springer wird der Lokalteil des Blattes „Die Welt“ seit einigen Monaten mit Texten aus der „Berliner Morgenpost“ bestückt. Nun wird auch noch der Etat der gesamten „Morgenpost“-Redaktion um 15 Prozent gekürzt. Die Folge: Auch in anderen Bereichen wie der Infografik werden weniger Freie beschäftigt. Inwieweit die Qualität des Gesamtblattes und der Lokalmagazine, mit der die „Morgenpost“ „wie keine andere Zeitung im gesamten Großraum Berlin präsent“ sein will, unter dieser rigiden Ausdünnung der Mitarbeiter leidet, wird die Zukunft zeigen.
Die betroffenen Redakteure rechnen durchaus mit einer schwindenden Lokalkompetenz des Springer-Blattes. Ehemalige „Morgenpost“-Mitarbeiter legten inzwischen das Konzept eines eigenständigen Pendants zum „Lokalanzeiger“ vor, das den Berliner Tageszeitungen als Supplement angeboten werden soll. Geplant ist, die lokale Berichterstattung nach sechs Gebieten aufgeteilt in einem täglich erscheinenden Heft zu bündeln. Konzeptentwickler und Unternehmensberater Herbert Börner könnte sich eine Anschubfinanzierung mit Hilfe von Einlagen der Mitarbeiter vorstellen. Mittelfristig müssten jedoch finanzstarke Partner gefunden werden. Denkbar sei die WAZ-Gruppe, aber auch ein branchenfremdes Unternehmen.