ORB-SFB-Hörfunkkooperation weitgehend gescheitert
Die vor drei Jahren gestartete Hörfunkkooperation von ORB und SFB steht vor dem Scheitern. Auf den Rückzug des ORB aus InfoRadio konterte der SFB mit der Ankündigung, sich künftig nicht mehr an Radio Eins zu beteiligen. Auch in der Frage einer gemeinsamen Kulturwelle steht eine Einigung noch aus.
SFB-Intendant Horst Schättle machte seine Drohung wahr. Nach dem Rückzug des ORB aus dem Spartenkanal InfoRadio, so erklärte er vor dem SFB-Rundfunkrat, bleibe dem SFB nichts anderes übrig, als seinerseits die Kooperation bei Radio Eins zum Jahresende einzustellen. Nur so könnten „die finanziellen Zusatzbelastungen für InfoRadio einigermaßen aufgefangen“ werden.
Radio Eins
Die Mitarbeiter beider Anstalten wollen sich mit der verfahrenen Situation nicht abfinden. Rund 50 Kollegen von Radio Eins appellierten in einem Brief an die Geschäftsführungen beider Sender, die Kooperation fortzusetzen. Angesichts der erneut aufgeflammten Debatte um eine Fusion der Länder Berlin und Brandenburg, so heißt es, erscheine es „geradezu widersinnig, dass ausgerechnet die beiden Landesrundfunkanstalten den entgegengesetzten Weg der Abgrenzung gehen wollen“. Radio Eins habe sich von Anfang an als „mehrheitsfähiges öffentlich-rechtliches Angebot“ und als „klare Alternative zu den privaten Hörfunk-Stationen“ in der Region begriffen. Es müsse auch künftig ein kooperiertes Programm bleiben, „um das einzige öffentlich-rechtliche Programmangebot für die Gruppe der 25- bis 45-jährigen Radiohörer nicht zu gefährden“.
Die Geschäftsleitung des ORB sei „der falsche Adressat“, argumentierte ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer in seiner Antwort auf den Mitarbeiter-Brief. Man wollte und wolle bei Radio Eins mit dem SFB zusammenarbeiten und habe diverse Angebote gemacht. Die Sorge der Mitarbeiter um den Erfolg und die Zukunftssicherung von Radio Eins sei jedoch unbegründet. Der ORB werde Radio Eins auch bei einem Ausstieg des SFB „trotz der damit verbundenen finanziellen Risiken und Belastungen“ allein fortführen. Die Tür für den SFB, so Rosenbauer, stehe aber „jederzeit offen“.
SFB-Intendant Horst Schättle bekräftigte in seiner Reaktion auf den Mitarbeiterbrief die Position des Hauptstadtsenders. Nach dem Ausstieg des ORB aus InfoRadio bleibe dem SFB unter finanziellen Gesichtspunkten nichts anderes übrig, als sich aus einem anderen Programm zurückzuziehen. Schättle: „Die Tür steht für den ORB jederzeit offen, sich an InfoRadio zu beteiligen, so dass wir dann wieder in die Lage versetzt werden, uns finanziell und personell an Radio Eins beteiligen zu können.“
InfoRadio
Das für Außenstehende schwer durchschaubare Gerangel der Geschäftsleitungen hat sowohl eine medienpolitische wie auch materielle Komponente. Seit geraumer Zeit monierten die Potsdamer die angebliche „Metropolenlastigkeit“ von InfoRadio. Ein schwer zu widerlegender Vorwurf: In der Hauptstadt passiert nun einmal wesentlich mehr als in der Uckermark. Dass der ORB bei InfoRadio aussteigen will, war spätestens mit der Vorlage des Strukturpapiers „ORB 2010“ zur mittelfristigen Finanzplanung im Sommer 1999 klar. Der schlanke ORB legt eine neuerliche Magerkur ein – allein im kommenden Jahr wird der Hörfunketat von 27 auf 22 Millionen Mark gekürzt. Das entspricht faktisch den bisherigen Aufwendungen für InfoRadio. „Wir müssen Prioritäten setzen“, begründet ORB-Intendant Hansjürgen Rosenbauer den drastischen Schnitt. InfoRadio, für Horst Schättle ein „essential“ der Hörfunkkooperation, landet nach dieser Prioritätensetzung des ORB an letzter Stelle: hinter Kultur, Jugend, der hauseigenen Neuentwicklung Radio Eins und natürlich hinter der Landeswelle „Antenne Brandenburg“. Auf der Strecke bleiben vermutlich 15 ORB-Kollegen, deren Zeitverträge zum Jahresende auslaufen. Ob der SFB diese Mitarbeiter – dann als Festangestellte – übernimmt, ist angesichts des an der Masurenallee herrschenden Stellenstopps eher unwahrscheinlich.
Radio 3/*radio kultur
Auch bei den Kulturwellen sieht die Situation verfahren aus Nach dem Willen der Programmplaner hätten sich die vor drei Jahren neu konzipierten Programme Radio 3 und *radio kultur möglichst stark gegeneinander profilieren sollen. Doch Inkonsequenz und Konkurrenzdenken verwässerten diesen Ansatz von Beginn an. Radio 3, ursprünglich gedacht als Alternative zum privaten Klassik Radio, trat bald in eine eher kontraproduktive Binnenkonkurrenz zu *radio kultur. Frequenzwirrwarr, Programmüberschneidungen, Desorientierung des Publikums – eine Kette von Fehlleistungen sorgte dafür, dass am Ende die Summe der Hörer beider Wellen niedriger lag als die jeweilige Stammhörerschaft der ohne Not aufgegebenen Marken SFB 3 und Radio Brandenburg. Jetzt sollen – auch aus Sparerwägungen – beide Wellen zu einem starken Kulturkanal eingedampft werden ( M berichtete mehrfach). Doch scheiterte das Fusionsprojekt bislang an der Frage, inwieweit der NDR weiterhin dritter Partner im Radiokulturbunde sein soll.
Angesichts des schleppenden Fortgangs der Kooperationsverhandlungen mit dem ORB und dem NDR kam es zuletzt zu klaren Symptomen von Entsolidarisierung innerhalb des SFB. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des SFB-Programmausschusses, Jürgen Grimming, forderten die Wellenchefs der Sender Berlin 88,8, Radio 3, InfoRadio und SFB Multikulti unlängst den Ausschuss auf, „endlich eine Entscheidung in der Frage des Kulturprogramms voranzubringen“. In dem von Florian Barckhausen, Wilhelm Matejka,, Reinhard Holzhey und Friedrich Voß unterzeichneten Brief hieß es, es könne nicht sein, „dass durch die Fortführung zweier Programme, die keiner mehr will, nach unserer Schätzung allein vom SFB täglich zirka 10.000 Mark ausgegeben werden, und gleichzeitig den bestehenden Programmen Kürzungen auferlegt sind, die den Programmauftrag gefährden“.
Personalratsvertreten Hanne Daum kritisierte den im Brief der Wellenchefs enthaltenen Appell an den Programmausschuss, eine Kooperation mit dem ORB und dem NDR zu empfehlen. Daum sprach den Briefschreibern die Legitimation ab, auch im Namen der – so der Briefwortlaut – „ganz überwiegenden Mehrheit unserer Mitarbeiter“ zu sprechen. Vielmehr verwies sie auf das Votum der Redakteursversammlung, die sich im vergangenen Jahr eindeutig für eine Zweierlösung auf der Basis von *radio kultur ausgesprochen hatte.
Auch die Wellenchefin von *radio kultur, Ina Götz, meldete sich brieflich zu Wort. Sie hatte als einzige den Brief der Vier nicht unterzeichnet. In einer Stellungnahme zum „Appell der Wellenchefs“ begründet sie ihre Abstinenz mit dem Hinweis auf die bereits existierende Empfehlung des Programmausschusses zur Zukunft der Kulturwellen. Die „Verbindung dieses Appells mit einem klaren Votum für die SFB/ORB/NDR-Kooperation“ könne sie nicht akzeptieren, „weil ein großer Teil der *radio kultur-Mitarbeiter meines Wissens diese Position nicht teilt“.
Anfang April kam wieder etwas Bewegung in den „Kulturkampf“. Dem Vernehmen nach soll der NDR mittlerweile bereit sein, auf seine Prime-Time-„Matinee“ zu verzichten. In der Zeit von 9 bis 12 Uhr soll statt dessen die von SFB und ORB verantwortete Sendung „Klassik plus“ zum Zuge kommen – zwecks „Verstärkung der Identität der Kulturberichterstattung von ORB und SFB“, wie es in einem internen Papier heißt. Nicht verzichtet werden soll allerdings auf die Zulieferung umfangreicher Musik- und Wortstrecken durch den NDR. Ob es auf der Grundlage dieses Kompromissangebots zu einer Einigung kommt, erscheint unklar.
Falls das bisherige Patt nicht aufgelöst wird, gilt selbst ein SFB-Alleingang als nicht ausgeschlossen. Doch SFB-Chef Horst Schättle gibt sich versöhnlich: „Selbst bei diesem problematischsten aller möglichen Wege müssten zumindest konzeptionell die Weichen für ein späteres Zusammengehen weiter gestellt bleiben“.