In Sachsen-Anhalt wird es im Dezember keine Abstimmung über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags geben. Ministerpräsident Reiner Haseloff hat den entsprechenden Staatsvertrag zurückgezogen. ver.di-Vorsitzender Frank Werneke wirft Haseloff vor, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „aus parteitaktischen Gründen und um den eigenen Machterhalt“ zu beschädigen. „In einer Zeit, in der Führungsstärke gefragt ist, besorgt Haseloff das Geschäft der AfD“, sagte Werneke. Er demontiere damit eine Säule der Demokratie und „sollte sich fragen, wen er mit seiner Politik vertritt“, so Werneke.
Die Koalition in Sachsen-Anhalt streitet als einzige Landesregierung in Deutschland seit Wochen über die Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Januar 2021. CDU und AfD lehnen die Erhöhung ab. Sie haben im Landtag eine Mehrheit. SPD und Grüne hatten sich ebenso wie die Linkspartei für die erste Anhebung seit zehn Jahren ausgesprochen. Da alle Landesparlamente bis zum Jahresende der Erhöhung zustimmen müssen, kann sie nicht wie geplant am 1. Januar 2021 in Kraft treten.
Aufgrund der Entscheidung von Haseloff wird im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht über den Medienänderungsstaatsvertrag abgestimmt. Für Mittwoch und Mitte Dezember waren Beratungen im Medienausschuss und im Landtag dazu geplant. Haseloff hatte den Staatsvertrag im Juni unterschrieben, in einer Protokollnotiz jedoch festgehalten, dass es dafür keine Mehrheit im Parlament gebe.
Die sogenannte Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt aus CDU, SPD und Grünen kann vorerst weiter regieren, heißt es. Sie drohte anhand der Auseinandersetzung um den Rundfunkbeitrag zu zerfallen. Nun gehe „die Koalition gefestigt aus der Krise hervor und wird ihre Arbeit zum Wohle des Landes bis zum Ende der Legislaturperiode fortsetzen“, so Ministerpräsident Haseloff in einer Mitteilung der Staatskanzlei am Dienstagvormittag.
Haseloff hatte in dem Streit Ende vergangener Woche Innenminister Holger Stahlknecht entlassen, der auch als CDU-Landeschef zurücktritt. Auslöser war ein Interview Stahlknechts, in dem er über eine Minderheitsregierung spekulierte. Am Montag habe Haseloff Reuters zufolge dann zunächst die CDU-Fraktion davon überzeugt, auf die Abstimmung zu verzichten. Danach habe er die Verständigung mit den Grünen gesucht, die eigentlich eine Zustimmung zur Rundfunkgebührenerhöhung zur Voraussetzung für die Fortsetzung der Koalition gemacht hatten. Grünen-Landeschef Sebastian Striege kritisierte die CDU am Dienstag zwar scharf. Dennoch sagte er: „Wir halten es aus staatspolitischer Verantwortung für notwendig, in der Pandemie eine handlungsfähige Regierung zu gewährleisten, erst recht, wenn die CDU selbst nicht mehr handlungsfähig ist. Das werden wir unseren Parteigremien so vorschlagen.”
Die ARD hatte bereits angekündigt, im Falle einer negativen Entscheidung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen.
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