Platz da!

Zum Start des neuen Nachrichtenkanals N24

Der Boom des Wirtschaftsjournalismus hinterlässt auch in den elektronischen Medien Spuren. Am 24. Januar ging N24, der neue News-TV-Sender aus dem Hause Kirch auf Sendung. Trotz vorerst geringer Reichweite will N24 vor allem dem privaten Wettbewerber n-tv Paroli bieten. In Berlin wird hinter den Kulissen heftig um einen Platz im Kabel gerangelt.

Urs Rohner, seit dem 1. Februar Nachfolger von Georg Kofler als Vorstandschef der Pro Sieben AG, hatte einen Wunsch. Am liebsten wäre es ihm, so bekundete er bei der Einstandsparty in der Neuen Berliner Nationalgalerie, wenn „N24 möglichst bald auf allen Kabelkanälen in Deutschland zu sehen“ wäre. Dabei stand ihm der Sinn nicht nach einer News-Diktatur seines neuen TV-Schützlings. Rohner bekümmert, dass N24 außer im Stammland Bayern vorerst nur unter weit gehendem Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden kann. Nur in Bayern kann der Newcomer vom Start weg über Antenne oder Kabel von rund zwei Millionen Zuschauern empfangen werden. Darüber hinaus ist N24 zunächst nur über den Satellit Astra 1D zu sehen, was unterm Strich eine Reichweite etwa 30 Prozent ergibt.

Ansonsten aber scheint der Sender für den Wettbewerb gerüstet. Der Jahresetat beträgt 120 Millionen Mark. Neben der Zentrale in München gibt es Studios in Berlin, Hamburg und Frankfurt. Auf Personalseite stehen 140 Mitarbeiter, darunter Korrespondenten in Washington, Paris, Rom, Brüssel, London, Moskau und Jerusalem. „Wir überholen n-tv schon vom Start her“, hatte Geschäftsführer Ulrich Ende sich reichlich prahlerisch gegeben. Zumindest was die Online-Aktivitäten des Senders angeht, ist das Selbstbewusstsein gerechtfertigt. Während der seit sieben Jahren existierende Konkurrent n-tv erst im vergangenen Jahr seinen Internet-Auftritt absolvierte, war N24 bereits einen Tag vor Sendestart im Netz präsent (www.n24.de).

Kooperation der Wirtschaftsdienstleiter

„Bei uns werden Nachrichten groß geschrieben“ ironisiert der Sender das Logo des Konkurrenten n-tv. Das Fernsehen neu erfinden wird der Newcomer sicher nicht. Aber Innovatives ist von ihm schon zu erwarten. N24 begreift sich von Anfang an als Mischung aus TV-Sender und Dienstleister einerseits, als Internet-Plattform und Multimedia-Terminal andererseits. Zunächst werden für Pro Sieben und Kabel 1 Nachrichten zugeliefert. Synergieeffekte nutzen, heißt so etwas im Branchenjargon. Das Konzept der Senderfamilie machtÕs möglich. Dass seit 1998 auch die neuformierte Nachrichtenagentur ddp/ADN zur Pro-Sieben-Gruppe zählt, dürfte kaum von Nachteil sein. Ganz so international wie der Wettbewerber ist N24 nicht: hinter n-tv stehen immerhin CNN, Time Warner sowie die Handelsblatt-Gruppe aus dem Hause Holtzbrinck. N24 hat sich mit dem 25-prozentigen Minderheitsgesellschafter FAZ zusätzliche wirtschaftsjournalistische Kompetenz ins Boot geholt. Mit Bloomberg-TV wurde im Wirtschaftsbereich eine Kooperation eingegangen. In Sachen Wirtschaftsinformation ist der Wettbewerb besonders ausgeprägt. Dabei hat N24 den Berlinern einiges abgekuckt: zum Beispiel die Live-Schaltungen zu den Börsen und die Kurs-Laufbänder am unteren Bildrand. Der besseren Übersichtlichkeit halber werden Verluste rot, Gewinne grüne markiert. Allerdings läuft das N-24-Band schneller als das Auge des durchschnittlich sehbegabten Zuschauers zu folgen vermag. Reportagen, wie sie die öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Unterfütterung der manchmal trockenen News-Kost aufbieten, kommen bei N24 einstweilen nicht vor. Fazit einer Programmbeobachterin in der „Berliner Zeitung“ nach der ersten Sendewoche: „Bei umfassender Beschreibung von Sachverhalten … kann N24 nicht mithalten.“

Die vorerst geringe Reichweite des Kanals lässt einige Akteure allerdings nicht ruhen. Vor allem eine Präsenz im großen Berliner Kabelnetz wäre aus Sicht der Verantwortlichen wünschenswert. Doch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) winkt einstweilen bedauernd ab. Mangels Kapazität mussten im vergangenen Jahr auch Bloomberg-TV und einige Musikkanäle draußen bleiben.

Hans Hege, Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, macht dem Newcomer aus München dennoch Mut. Im Rahmen eines Netzausbaus durch die Telekom werde es zusätzliche Kanäle geben. Hege: „Und ich bin guter Hoffnung, dass bei den zusätzlichen analogen Kanälen dann dort auch N24 zu sehen sein wird.“ Bis dahin gelte es, Geduld zu üben. Schließlich könne die Medienanstalt nicht einfach einen der bisherigen Platzhalter aus dem Kabel werfen.

Große Koalition: Kabelbelegung überprüfen

Da sind einige Akteure ganz anderer Auffassung. Die große Berliner Koalition beispielsweise hat dem Problem sogar einen ganzen Passus in ihrer Koalitionsvereinbarung gewidmet. Im medienpolitischen Teil dieser Vereinbarung heißt es, die Koalition wolle prüfen, ob alle bisherigen Anbieter im Kabelnetz „tatsächlich zur Meinungsvielfalt in Berlin beitragen“. Die Landesmedienanstalt möge doch „unter den derzeitigen Frequenzbedingungen und angesichts der Ansiedlung neuer Anstalten“ prüfen, „ob ein Sender durch einen anderen ersetzt wird“. Das klingt ein wenig geheimnisvoll, aber Senatssprecher Michael-Andreas Butz nimmt, wenn man ihn fragt, kein Blatt vor den Mund. Es müsse doch die Frage erlaubt sein, „ob man nicht auf den Offenen Kanal verzichten“ könne. Der sei nicht nur wenig relevant für die Meinungsvielfalt im Kabel, sondern koste zusätzlich noch öffentlich-rechtliche Gebühren: Zwei Millionen, die aus dem Etat der MABB locker gemacht werden. Das Land Brandenburg, so Butz, wäre hierzu bereit. In Berlin dagegen seien sich die Koalitionäre nicht einig.

Im Visier: Der Offene Kanal

Der Berliner CDU ist der Offene Kanal seit langem ein Dorn im Auge. Sie würde seine Kabelfrequenz liebend gern an N24 weiterreichen. Schon wegen der Arbeitsplätze, die dadurch möglicherweise in Berlin entstehen könnten. Die Berliner SPD hat dieses Ansinnen bislang abgelehnt. Wieso sie dann eine derart kryptische Formulierung im Koalitionsvertrag mit unterschrieben hat, erscheint etwas rätselhaft. Auch weil der Prüfantrag an die Medienanstalt schlicht die Kompetenzen des Medienrates tangiert. Meint zumindest Alice Ströver, medienpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Frequenzverteilung und Entscheidung über Kabelplätze fielen eindeutig in den Zuständigkeitsbereich der Medienanstalt. Tatsächlich ist die Existenzberechtigung der Offenen Kanäle in Paragraf 43 des Medienstaatsvertrags Berlin-Brandenburg ausdrücklich festgeschrieben.

Der Offene Kanal im Hörfunk ist in der Vergangenheit einige Male durch Beiträge rechtsradikaler Gruppe negativ aufgefallen. Vor allem die Sendung „Radio Germania“, zuletzt ausgestrahlt am 29. Oktober vergangenen Jahres, hat wegen ihrer neonazistischen Tendenz immer mal wieder die Gemüter erhitzt. Erst Ende Januar 2000 sah sich die MABB gezwungen, den Programmverantwortlichen von „Radio Germania“ auf Dauer von der Kanalnutzung auszuschließen. (vgl. Artikel Seite 26).

Interessen-Koalition oder -Kollision?

Jetzt wird offenbar von interessierter Seite versucht, diese Vorgänge zu nutzen, um den Offenen Kanal insgesamt zu liquidieren. Fast wie bestellt erschien zum Sendestart im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ein zweiseitiger Horror-Bericht über „Radio Germania“. Und pünktlich zum Sendestart titelte die FAZ auf ihren Berliner Seiten: „Wer heute N24 sucht, findet Erleuchtung.“. Eine Anspielung darauf, dass der „zu Pro Sieben gehörende Sender“, wie die Zeitung schrieb, in Berlin vorerst nur via Satellit gesehen werden kann. „Nur ein kleiner Teil der Berliner Haushalte kann ihn empfangen, denn im Kabelnetz war kein Kanal für ihn frei“, bedauerte die FAZ. Die Zeitung plädierte im Schulterschluss mit der Berliner CDU unverhohlen dafür, den Offenen Kanal aus dem Kabelnetz zu werfen. An seiner Stelle, dies die unverhohlen mitschwingende Botschaft, lasse sich doch besser das neue News-TV einspeisen. Schon wegen der Arbeitsplätze. Was der Autor verschwieg, ist der 25-prozentige Anteil, den der FAZ-Verlag selbst an N24 hält. Die Berliner Pro-Sieben-Repräsentantin ist übrigens Gabriele Wiechatzek, früher mal CDU-Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus und Ex-Rundfunkratsvorsitzendende des Senders Freies Berlin. Zufall oder ein besonders gutes Beispiel für abgestimmte Lobbyarbeit? MABB-Chef Hans Hege nimmt den Disput jedenfalls gelassen. Ihn stört die „tagesaktuelle Debatte“ über den Offenen Kanal; die „Verknüpfung mit N24“ erscheint ihm wenig glücklich. Dass Interessen artikuliert werden, sei „legitim“, findet er. Aber der Medienrat treffe seine Entscheidungen „völlig unabhängig“. Hege: „Wir wollen alle Programme verfügbar machen. Insofern würden wir es natürlich begrüßen, wenn N24 auch zu sehen sein könnte.“

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