Als „völlig unzureichend“ bewertet ver.di den Richtlinienentwurf zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt aus der Feder von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. Der Entwurf sei nichts „Ganzes und nichts Halbes“. Für jede Interessengruppe sei ein bisschen enthalten; es würden aus Urhebersicht aber zu viele Zugeständnisse gemacht. „Sollte es bei diesem halbherzigen Vorschlag bleiben, vertut die europäische Politik eine große Chance, die Rechte der Kreativschaffenden auch in Europa auf eine stabile Grundlage zu stellen“, kritisiert der stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Frank Werneke, den Entwurf der EU-Kommission „Copyright in the Digital Single Market“.
Für Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler sind unter der Überschrift „faire vertragliche Vergütung“ ein Auskunftsrecht, ein Recht auf Nachforderung von Vergütung bei besonders erfolgreichen Werken und ein Mechanismus für die Beilegung von vertraglichen Streitigkeiten vorgesehen. „Für das aktuell in Deutschland laufende Gesetzgebungsverfahren zum Urheberrecht zeigt uns der europäische Vorschlag, dass der deutsche Weg des Urhebervertragsrechts ein gutes Beispiel für Europa ist. Dabei können die vorgesehenen vertraglichen Rechte auch für Europa nur ein Anfang sein“, so Werneke weiter.
Bei der Präsentation der Regelungsvorschläge stellten der für den digitalen Binnenmarkt zuständige EU-Vizepräsident Andrus Ansip und Digitalkommissar Oettinger das Ziel der Einkommensverbesserungen für Kulturschaffende in den Vordergrund. Im jetzt vorgestellten Entwurf werden die Rechte für Kreative allerdings von den Rechten für Verleger geradezu überlagert. Vorgesehen sind: ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger, die Ermöglichung der Beteiligung von Verlegern an den Einnahmen von Verwertungsgesellschaften aus gesetzlichen Vergütungsansprüchen von Urheberinnen und Urhebern (Verlegerbeteiligung) und ein Mechanismus für Lizenzverhandlungen zwischen Rechteinhabern und Plattformbetreibern. „Zwar ist es grundsätzlich richtig, dass Kulturschaffende nur angemessen vergütet werden können, wenn Geld im Markt ist. Im Vorschlag kommen ihre Rechte aber zu kurz. Der Schwerpunkt liegt auf der Absicherung der Geschäftsmodelle der europäischen Verwerter. Die Bereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher, für Inhalte zu bezahlen, ist jedoch größer, wenn sie wissen, dass das Geld auch bei den Urheberinnen und Urhebern ankommt. Wird der Konflikt zu stark auf das Verhältnis zwischen Verlegern und Verbrauchern beschränkt, fallen die Interessen der Kulturschaffenden unter den Tisch. Beim Urheberrecht muss deswegen immer der Urheber im Mittelpunkt der Regelungen stehen“, betont Werneke.
Speziell für die wohl größte Herausforderung der Kreativwirtschaft, die Bewältigung der Vergütungslücke („value gap“) hatte Oettinger angekündigt, die Plattformen und andere Internetdienste, die wirtschaftliche Vorteile aus der Zugänglichmachung urheberrechtlich geschützter Werke ziehen, zur Verantwortung zu ziehen. Für diesen Bereich sieht der Regelungsvorschlag nunmehr lediglich einen Verhandlungsmechanismus für Lizenzierungen von Rechteinhabern an Video-On-Demand-Plattformen vor.
„Bei der Werknutzung im Internet ist der Kommissionsvorschlag mutlos und bleibt weit hinter den Ankündigungen von Herrn Oettinger zurück. Unsere Urheber sind wütend darüber, dass Plattformbetreiber Unsummen mit der Verbindung von Inhalten und Werbung verdienen, wobei die Schöpfer der Inhalte mehr oder weniger leer ausgehen. Eine Pflicht zu verhandeln bringt nicht zwingend Ergebnisse, vor allem keine zufriedenstellenden. Wir fordern, dass die Plattformbetreiber in die Verantwortung genommen werden. Wer urheberrechtlich geschützte Werke gezielt mit Werbung verknüpft, macht sich die Inhalte zu Eigen und wird damit zum Nutzer im rechtlichen Sinne. Wenn man weiterhin davon ausgehen will, dass die Plattformen lediglich Werknutzungen der Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglichen, bedarf es zumindest einer urheberrechtlichen Schranke und der dazugehörigen Vergütungspflicht“, fordert Werneke. „Vergütungsschuldner sollten dann – entsprechend der Abgaben von Geräteherstellern von Kopier- und Speichermedien – die Plattformbetreiber sein. Verbraucherinnen und Verbraucher bezahlen deren Service faktisch mit Daten bzw. werden Werbung ausgesetzt – an den Erlösen hieraus sind die Rechteinhaber angemessen zu beteiligen. Eine Schranke würde die Verbraucher rechtlich absichern und die Urheber würden endlich Geld sehen, wenn ihre Filme oder ihre Musik auf einer Videoplattform genutzt werden.“
„Wir nehmen Herrn Oettinger beim Wort, dass Nachbesserungen noch möglich sind. Wir werden unsere Forderung nach effektiven Stärkungen der Rechte von Kulturschaffenden weiterhin bei der Kommission platzieren“, kündigt Werneke an.
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