Publizistische Attacken gegen den Entwurf zum Urhebervertragsrecht
Am 22. Mai haben fünf führende Urheberrechtler der Bundesministerin der Justiz ihren Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“ überreicht. Ein überfälliges, von Gewerkschaften wie Urheberverbänden immer wieder eingefordertes Gesetzgebungsvorhaben ist damit endlich auf den Weg gebracht. Schon werden dagegen die ersten publizistischen Breitseiten abgefeuert.
Der Entwurf – sein Name ist Programm – wird die Position von Urhebern und ausübenden Künstlern bei Vertragsverhandlungen und bei der Durchsetzung ihrer Rechte deutlich verbessern. Es ist auch höchste Zeit, den Wildwuchs von Klauseln und Knebelverträgen (Beispiele in „M“ 5-6/2000) einzudämmen. Das Urheberrecht soll den Kreativen als unveräußerliches Recht für jede Nutzung eine angemessene Vergütung sichern. So wollte das 1965 der Gesetzgeber und so sehen das auch die höchs-ten Gerichte. Anderes wollen die Verfasser seitenlanger Verträge: Urheber und ausübende Künstler sollen ihre Rechte für alle Zeit – bis auf eine leere Hülle – abtreten, möglichst gegen ein einmaliges (oft schäbiges) Honorar für sie und ihre Erben.
Dem will der Entwurf einen Riegel vorschieben: Er garantiert einen gesetzlichen Vergütungsanspruch, der durch keinen Vertrag abgenötigt werden kann. Urheberverträge können nach 30 Jahren gekündigt werden. Und schließlich sollen Mindestbedingungen in Gesamtverträgen zwischen Verwertern und Gewerkschaften festgelegt werden können.
Verlagen, Rundfunksendern, Produzenten und anderen Verwertern passt diese Begrenzung der Vertragsfreiheit nicht: Ihre (Vertrags-) Freiheit nämlich, das „Recht“ des Stärkeren, würde dadurch in gesetzliche Schranken gewiesen. Welcher Urheber oder Künstler kann schon seine Vertragsbedingungen durchsetzen?
In den nächsten Monaten werden die Gazetten wohl voll sein von Artikeln, in denen der Untergang an die Wand gemalt wird – nicht der des Abendlandes (das ist nicht mehr chic), sondern des „Medienstandorts“ Deutschland. Angefangen hat der Wirbel bereits.
Einfach mit „unfairen“ Verträgen abfinden
Ganz schnell meldete sich Martin Schippan, Rechtsanwalt aus München in der „Financial Times Deutschland“ vom 31. Mai zu Wort: „Mehr Mäuse für Erfinder von Micky Mouse“ witzelt die Schlagzeile und Schippan rügt, der Entwurf schieße übers Ziel hinaus und daran vorbei.
„Viele Betroffene“, schreibt er, hielten die derzeit geltende Regelung für „ausreichend“. Welche Betroffenen er meint, und woher seine Weisheit stammt, verschweigt er. Seine Analyse: „Zwar müssen sich Angehörige von Berufen wie Übersetzer, Musiker oder Kameraleute oftmals mit unfairen Bedingungen abfinden. Beim Film oder Fernsehen gibt es aber meist eindeutige Tarifverträge oder Branchenüblichkeiten, die für vernünftige Bezahlung sorgen.“ Einige sollen sich also einfach mit „unfairen“ Verträgen abfinden. Übersetzer, Musiker oder Kameraleute vertritt der Anwalt wohl nicht. Comic-Übersetzer ganz gewiss nicht, sonst wüsste er, dass Micky eine Maus ist und die Mouse Mickey heißt.
Auch mit Sachkunde glänzt der Gastkommentator der FDT nicht: Wenn er sich nur umgesehen hätte, wüßte Schippan, dass es bei Film und Fernsehen „meist“ eben keine Tarifverträge für Urheber gibt: Nur NDR und WDR haben solche Verträge abgeschlossen, der SWR hat sie von SDR/SWF geerbt. Ansonsten Fehlanzeige in der ARD, ebenso beim ZDF, wo nur unvollständige Teilregelungen existieren, und bei den kommerziellen Sendern erst recht Fehlanzeige. Beim Film gibt es Tarifverträge für Arbeitnehmer, aber keine für selbstständige Urheber.
Was interessieren die Fakten, Schippan kann einfach behaupten – und Angst machen: Produzenten könnten ihre Drohung wahrmachen, „einzelne Produktionen oder Geschäftszweige ins Ausland zu verlagern“. Das Buch für die „Lindenstraße“ kommt aus Taiwan, der Hauptdarsteller aus Korea oder einem anderen Billiglohnland, gedreht wird in Afrika und senden tutÕs der WDR. Schippan, vergiss es. Sogar die Privatfunker haben gemerkt, dass das keine Quote bringt.
Anfang Juli zog nun Gerhard Beckmann mit einer Suada von der „Welt“ zum „Buchmarkt“, der Entwurf bedrohe „Schriftsteller und Verlage“ (ja, beide!), eine „Prozess-lawine“ stehe bevor, und geißelt („Buchmarkt“) das Vorhaben als „Wahnwitz“.
Was treibt den Mann um? Nun er mag die IG Medien nicht, der er „alte ideologische Fixierung“ vorwirft und – zu viel der Ehre – letztlich den Entwurf zuschreibt.
Am Entwurf stört Beckmann zunächst das Recht für Urheber, Verträge nach 30 – dreißig! – Jahren zu kündigen. In Ordnung scheint Beckmann dagegen, dass die üblichen – vom Verlagsgesetz abweichenden – Verträge erst 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers enden, vom Urheber nicht gekündigt, aber vom Verlag nach Ausverkauf einer Auflage faktisch beendet werden können.
Urheberrechtliche Leibeigenschaft
Solche Verträge mit einseitiger Bindung auf zweimal lebenslänglich könnte man „Wahnwitz“ nennen. Beckmann hält das aber für erforderlich, damit nicht „Großverlage und Konzerne“ im Wettbewerb um die nach einer Kündigung wieder beim Autor liegenden Rechte die „kleinen und mittleren Häuser überbieten und ausstechen“. Ein feines Argument: Autorinnen, ausübende Künstler und deren Erben werden in urheberrechtlicher Leibeigenschaft gehalten, um die rabiate Konkurrenz unter Verlagen zu bändigen.
Das ist zynischer Unfug, der nur deshalb nicht sofort auffällt, weil hier vom Urheberrecht die Rede ist. Nach Beckmanns Logik müsste man auch Arbeitnehmern das Recht zu kündigen nehmen, weil sonst ja die „Konzerne“ qualifizierte Kräfte bei „kleinen Häusern“ abwerben. Beckmann wirft der IG Medien „alte ideologische Fixierung“ vor und kommt mit noch älteren Ideen daher: Die marktwirtschaftliche Konkurrenz, das Fressen und Gefressenwerden, will er mit feudalistischen Strukturen bekämpfen. Ein aussichtsloser Kampf: Seit dem „Normalvertrag“ (1933) der Reichsschrifttumskammer haben sich Verlagsverträge ohne zeitliche Begrenzung eingebürgert. Dass dadurch die Konzentration im Verlagsgeschäft aufgehalten worden wäre, ist nicht ersichtlich.
Beckmann hat noch eine Sorge: Auf die Verlage könnte eine „chaotische Prozesswelle“ zurollen, wenn gesetzliche Ansprüche auf angemessene Vergütung geltend gemacht werden. Da könnte er Recht haben – aber eben nur, wenn Verlage gegenwärtig weniger als eine angemessene Vergütung zahlen. Sonst gibt es nichts mehr einzuklagen. Will Beckmann uns also sagen, dass er die gegenwärtig gezahlten Honorare für unangemessen niedrig hält? Eigentlich nicht, verrät diese Einsicht aber versehentlich am Rande seiner Prophezeiung.
Schippan und Beckmann machen nur den Anfang. Von solchen Stimmen sollte sich keine Urheberin, kein ausübender Künstler irre machen lassen. Die Welt wird nicht untergehen, nur weil „Übersetzer, Musiker oder Kameraleute “ (Schippan) zu fairen Bedingungen arbeiten können.