Funke: Mehr Personal abgebaut als verlangt

Die Zentrale der Funke-Mediengruppe in Essen.
Foto: Udo Milbret

Der von der Geschäftsführung Anfang dieses Jahres verordnete Personalabbau für die Zeitungstitel der Funke Mediengruppe in Nordrhein-Westfalen hat sich zum erwarteten Kraftakt entwickelt: einem zähen, mühsamen Austarieren von Interessen zwischen Belegschaften, Betriebsräten, Verlagsgeschäftsführung und Personalabteilung. Inzwischen hat sich einiger Rauch verzogen und es kann durchgezählt werden.

Die Personalabbauprogramme sind weitgehend abgeschlossen. Beim größten Titel, der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ), ist das Thema weitgehend durch. Und: Es sind sogar erheblich mehr Redakteur*innen gegangen, als die 14, die von der Geschäftsführung gefordert wurden, mehrheitlich Kolleg*innen im Alter von 60+. Die prüften offenbar die Angebote des Verlages, fanden sie angesichts der ungewissen Zukunft der Branche akzeptabel und unterschrieben. Für junge, digital-affine Kollegen und Kolleginnen, die nach Tarif bezahlt werden, bedeutet dies eine unerwartete Chance.
Bei der Westfalenpost wurde der Abbau von 14 Stellen relativ geräuschlos abgeschlossen. Noch viele Fragen offen sind dagegen bei der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ), wo man erst vor wenigen Wochen überhaupt erfahren hat, wie groß das Einsparvolumen für die Redaktion sein soll. Über die Zukunft der sieben Kolleg*innen, die gehen müssen, werden Gespräche geführt.
Was alle Lokalredaktionen eint – der Mantel wurde ja verschont –, ist der bange Blick auf die urlaubsreichen Sommermonate. Mit Kleinstbesetzungen, in denen mitunter zwei oder sogar vier erfahrene Leute fehlen, müssen teils recht umfängliche Lokalteile produziert werden. Die publizistische Online-Allzweckwaffe „User first“ wird in allen Redaktionen zum 1. Juli eingeführt. Alles, was damit zusammenhängt, so ist aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren, wurde in einer Betriebsvereinbarung geregelt.
„Wir workshoppen uns gerade zu Tode“, sagen die einen. Die anderen sind froh, dass sie ihre Vorstellungen in die Konzepte für die zukünftige Arbeit einbringen können. Und angesichts eines spürbaren Anstiegs der digitalen Online-Abos (oft allerdings zunächst Schnupperangebote) sieht der ein oder andere erneut einen Silberstreif am Horizont. Für nüchterne Rechner gilt allerdings die Faustregel: Um den Ertrag eines gekündigten Printabos auszugleichen, braucht es vier Digitalabos!

Nach bisher von Funke nicht dementierten Zahlen müssen bei der Funke Media Sales GmbH NRW 130 Mitarbeiter*innen um ihren Job bangen, etliche haben schon die Kündigung erhalten. Sie fallen der Harmonisierungsstrategie des Unternehmens zum Opfer, bei der Teilbereiche der Vermarktung zentralisiert werden sollen. Sechzehn Verkaufsbüros in NRW werden ganz geschlossen. Der Betriebsrat hat einen Interessensausgleich verhandelt. Nur noch 180 Mitarbeiter insgesamt sollen ab dem 1. Juli für die NRW Media Sales arbeiten. Etliche müssen mit Versetzungen rechnen, zum Beispiel von Olpe nach Essen. Auch Betriebsräte sind von den Kündigungen betroffen. Ob eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Sinn macht, ist individuell zu überlegen. Betriebsräte und Gewerkschaft werden bei der kritischen Prüfung der Arbeitgeberangebote behilflich sein. Kenner der W.A.Z./Funke Mediengruppe erinnern sich an die Kündigungswelle vor zehn Jahren, als die Unternehmensberatung Schickler jede Papierrolle im Verlag umdrehte. Allerdings ist aus dem goldenen Handschlag von damals inzwischen ein bronzener geworden.

Wer sich über die komplizierte Konstruktion und die Besitz- und Beteiligungsverhältnisse der Funke Mediengruppe informieren will, kann diese interaktiven Grafik nutzen.

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