Geschäfte mit Print

Madsack auf dem Weg zum Medien-Großkonzern

Madsack expandiert weiter auf dem Regionalzeitungsmarkt. Das Geld für Zukäufe wird andernorts gespart. So kann man die neuesten Entwicklungen um die Mediengruppe aus Hannover zusammenfassen, die sich rigoros zum breit aufgestellten Großkonzern entwickelt. Der neueste Madsack-Deal, die Übernahme der Potsdamer Märkischen Allgemeinen Zeitung von der FAZ, zeigt laut Medienforscher Horst Röper auch, dass sich mit Printprodukten hierzulande „weiter Geschäfte machen lassen“.


Die Geschäftsführung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte noch vier Tage bevor der Verkauf öffentlich wurde, „keinen Anlass“ gesehen, dem Potsdamer Betriebsrat „Fragen zu beantworten“ oder etwas zu kommentieren. Mit den „Sorgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihren Fragen nach der Perspektive“, so Betriebsratsvorsitzende Karin Wagner, wollte man sich offenbar „nicht aufhalten“. Der Geschäftsführer der Märkischen Verlags- und Druck-Gesellschaft mbH (MVD) vermeldete der Belegschaft erst am 11.11. um Schlag 11 Uhr Vollzug: Die Märkische Allgemeine, auflagenstärkstes Blatt im Berliner Umland, wechselt Anfang 2012 von der FAZ-Gruppe zum Madsack-Konzern. Das Bundeskartellamt hat inzwischen zugestimmt. Dem Vernehmen nach wanderte eine beachtliche zweistellige Millionensumme nach Frankfurt/ Main. Dort will man sich „zukünftig noch konsequenter“ auf das „nationale Kerngeschäft“ mit den beiden überregionalen Blättern Frankfurter Allgemeine und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung konzentrieren. Für Madsack dagegen passt der erneute Kauf einer Regionalzeitung gut ins strategische Kalkül.
Das vor fast 120 Jahren gegründete Hannoversche Verlagshaus (Hannoversche Allgemeine, Neue Presse), an dem inzwischen die SPD-Medienholding DDVG mit 23 Prozent beteiligt ist, hat neben dem nationalen Zeitungsgeschäft längst auch andere Felder bestellt. Insgesamt hatte die Mediengruppe 2010 offiziell 4.354 Beschäftigte, erwirtschaftete einen Umsatz von 608,8 Millionen Euro und wies einen Jahresüberschuss von 10,7 Millionen Euro aus. Die Madsack-Aktivitäten „in der Bereitstellung und Vermarktung von Informationen“ reichen faktisch von Hörfunkbeteiligungen (Antenne Niedersachsen,
AH Antenne
Hörfunk-Sender Halle, Funk & Fernsehen Nordwestdeutschland, Antenne Thüringen u.a.), Fernsehen (TVN Group, AZ Media) und Onlinediensten (Madsack Online, sportmedia) über privaten Postdienst (Citipost) und Dutzende Vertriebsgesellschaften bis hin zu Abrechnungsbetrieben. Am Neue-Medien-Markt partizipiert man auch durch Mitmachplattformen. Mit einem brandneuen Media-Store-Konzept wird Endkunden zudem ein Paket aus Tablet-PC, Flatrate sowie Verlags-E-Papern und App offeriert, über ein geplantes Franchise-System bald gar für andere Verlage.
Das Madsack-Kerngeschäft liegt allerdings noch immer bei Printmedien. Man ist nationaler Marktführer bei Anzeigenblättern, die von Frankfurt/Main über Altenburg bis Wolfenbüttel mit fast sieben Millionen Exemplaren in bundesdeutschen Haushalten landen. Regionale Tageszeitungen in acht Bundesländern kommen hinzu.

Auflagenkönig im Osten

Den Knaller, mit dem die Madsack-Mediengruppe 2009 von Springer mit einem Schlag direkte und indirekte Beteiligungen an insgesamt sieben Zeitungen übernahm und der die Mediengruppe auf Platz sechs im nationalen Ranking brachte, ließ man sich trotz Krise schlappe 310 Millionen Euro kosten. Neben einer beherrschenden Stellung im Blätterwald des Nordens – das Einflussgebiet reicht hier von Usedom bis Kiel – und Dominanz in weiten Teilen Niedersachsens und Hessens festigte die Transaktion, die die Ostseezeitung (153.000) und die Leipziger Volkszeitung (über 200.000 verkaufte Exemplare) einschloss, die Stellung des Verlagskonzerns vor allem in den neuen Bundesländern. Mit der ebenfalls profitablen Märkischen Allgemeinen – das Verlagshaus der größten brandenburgischen Zeitung mit 15 Lokalausgaben und mit 136.000 verkauften Exemplaren hat im Vorjahr etwa zwei Millionen Euro Gewinn eingefahren – kommt nun die 18. Tageszeitung ins Portfolio. Der Deal macht Madsack zum unangefochtenen Auflagenkönig im regionalen Tageszeitungsmarkt des Ostens.

Zentralisierung von Masse

Noch habe der „fulminante Konzern“ in Hannover finanziell wie strukturell ganz schön an den Zukaufs-„Brocken zu schlucken“, vermutet Medienanalyst Horst Röper vom Dortmunder Formatt-Institut. Madsack setze offenbar weiter darauf, mit großen Stückzahlen und hohen Auflagen Kostenvorteile zu nutzen – bei Investitionen in Technik und Softwareentwicklung ebenso wie bei Papierkäufen. Auch Overhead- und Personalkosten sollen sinken. Wie es bei der „Koordinierung der Einzelhäuser zu größeren Einheiten“ weitergehe, bleibe spannend.
Bislang werden Finanzdienstleistungen in einer konzerneigenen Mediendienstleistungsgesellschaft zentralisiert. Aktuell geht es um die Verlagerung der bisher eigenständigen IT-Bereiche aus dem Mutterhaus und der Leipziger Verlags- und Druckgesellschaft in das tariflose Gutenberg Rechenzentrum in Hannover. Auch in Sachen Personalwirtschaft wird gebündelt, hier in der Madsack Personal Management GmbH.
Doch es geht um mehr als das Administrative. Bekanntlich hat Madsack Anfang 2011 das Berliner Büro der Hannoverschen Allgemeinen zur Gemeinschaftsredaktion für den gesamten Konzern ausgebaut. Das Angebot des „Hauptstadt-Pools“ aus Politik, Wirtschaft und Kultur steht allen Blättern des Konzerns bislang unverbindlich zur Nutzung frei. Zentralisiert wird auch beim Service-Output, wo die tariflose Madsack Medienagentur konzernweit nutzbare Servicebeiträge, Testberichte oder Reiseseiten zuliefert. Rainer Butenschön, Betriebsratsvorsitzender im Hannoverschen Mutterhaus, sieht in all dem eine weitere Einschränkung der journalistischen Informations- und Meinungsvielfalt. Er verweist außerdem auf eine rigide Tarifpolitik. Madsack habe sich in Hessen aus der Tarifbindung verabschiedet, die Abschlüsse, die 2011 erzielt wurden, „liegen allesamt deutlich unter der Inflationsrate und bedeuten Kaufkraftverlust“, erklärt der Gewerkschafter. Mit einem solchen Kurs sammle der Konzern „Geld bei den Beschäftigten ein und gibt es durch Zukäufe aus“.

Dass hochgestochene Renditeerwartungen die Konzernstrategie bestimmen, zeigt sich momentan vor allem bei der Leipziger Volkszeitung. Gewerkschaften und Beschäftigte hatten sich auf ein längeres Ringen um einen Haustarifvertrag eingestellt. Doch kam der Abschluss am 11. November fast überraschend schnell (siehe Kasten). Man wollte wohl „Ruhe haben“ für größere Baustellen, vermutet Betriebsratschef Jens Heeg. Erklärtermaßen will Madsack in Leipzig bis 2013 reichlich zwei Millionen Euro einsparen. Von der Ausgliederung des IT-Bereiches sind hier 19 Beschäftigte betroffen, über Schutzbestimmungen wurde bisher keine Einigung erzielt. Schlimmer noch: in den nächsten zwei Jahren sollen 25 bis 30 Stellen in der Leipziger Redaktion abgebaut werden. Die Madsack-Geschäftsführung postuliert eine Stärkung des Lokalen, spricht vom Abbau der Vollredaktion zugunsten des Berliner Pools sowie der Einrichtung eines Newsdesk. Diese „Restrukturierung“, die fast einem Viertel des bisherigen Redaktionsteams die Stelle kosten könnte, soll ohne Kündigungen abgehen, sofern konzernweite Umsetzungen gelingen. Der Konzernbetriebsrat will wegen des angeschobenen Personalkarussells Mindeststandards bei Versetzungen oder Ausgliederungen. Gespräche zu den daraufhin von Madsack-Personalchef vorgelegten „Regeln für freiwillige konzerninterne Wechsel“ stehen noch aus. Derweil haben in Leipzig bereits Gespräche mit Redakterinnen und Redakteuren begonnen, die in Altersteilzeit gehen könnten. Die Interessenvertretung, so Heeg, sieht sich bei möglichen Interessensausgleichs- und Sozialplanverhandlungen noch „ganz am Anfang“. Denn im Verlagsbereich sind bereits weitere 23 Stellen zur Disposition gestellt. Begründet werde all das vom Management in Hannover mit der angespannten wirtschaftlichen Lage und aktuellen Einbußen im Anzeigengeschäft, vorrangig bei Discountern.

Kein großes Wagnis

Auch die Beschäftigten bei der Potsdamer MVD setzten Ende Oktober per Haustarifvertrag Lohn- und Gehaltssteigerungen durch (M 11/2011). Zuvor hatten sie, so die Betriebsratschefin, durch Arbeitszeitverkürzung und Lohnverzicht zehn Jahre lang die Schatulle des Potsdamer Verlagshauses mit fast 30 Millionen Euro füllen helfen. Ob nun tatsächlich eine Druckmaschine gekauft werde, sei wieder völlig offen. Ein neues Redaktionssystem dagegen wurde schon angeschafft, Newsdesks sind für 2012 avisiert. Auch den – nun externen – Druckauftrag für Teile der FAZ-Auflage hat man sich gesichert. Für Madsack sieht das alles nach einem guten Geschäft aus. Beim Springer-Deal 2009 hatte Geschäftsführer Herbert Flecken von einem großen Schritt gesprochen, der für den Konzern jedoch „kein großes Wagnis“ darstelle. Das wird man jetzt ähnlich sehen und der Märkischen Allgemeinen mit Madsack-Konzernstandards zuleibe rücken.

Haustarifvertrag bei der Leipziger Volkszeitung

Bei den Firmentarifverhandlungen für Druckerei, Verlag und Redaktion der Leipziger Volkszeitung lehnte die Geschäftsführung eine Rückkehr zur Flächentarifbindung ab. Am 11. November wurde mit den Gewerkschaften ein Kompromiss ausgehandelt. Der Haustarifvertrag regelt die Fortgeltung der Manteltarifverträge für alle Beschäftigtengruppen bis Ende 2013 bzw. 2014 und orientiert sich bei den Entgelten an den aktuellen Flächentarifregelungen für Redakteure, Drucker und Verlagsangestellte. Es wurden Einmalzahlungen von 280 Euro für Juli 2012 vereinbart. Lineare Erhöhungen sollen ab Juli 2013 wirksam werden – für Redakteurinnen und Redakteure von 1,5 Prozent, für Beschäftigte im Druckzentrum von 2 Prozent. Für die Laufzeit des Vertrages gilt der Tarif auch für Neueingestellte oder beim Übergang von Beschäftigten in andere Gesellschaften.

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