Der Suchmaschinenkonzern Google pumpt enorme Geldsummen in die Medienbranche. Auf die „Google News Initiative“ folgt nun der „Google News Showcase“ mit einem geplanten Volumen von einer Milliarde Dollar. Doch ganz so selbstlos, wie sich der vermeintliche Medienmäzen gern gibt, ist er nicht. Was wirklich dahintersteckt, analysiert eine soeben veröffentlichte Studie im Auftrag der Otto Brenner Stiftung.
Seit 2013 hat Google mehr als 200 Millionen Euro in den europäischen Journalismus gesteckt. In den letzten fünf Jahren flossen allein 21,5 Millionen Euro an 92 Empfänger*innen in Deutschland, darunter auch an renommierte Verlage wie FAZ und Spiegel. Gefördert wurden Technologieprojekte, Journalismus-Kongresse sowie Stipendien und Ausbildungsaufenthalte für den journalistischen Nachwuchs. „Warum macht Google das?“ ist die Ausgangsfrage der Studie, die die beiden Wissenschaftler und Journalisten Ingo Dachwitz und Alexander Fanta im Auftrag der Otto Brenner Stiftung erstellt haben.
Die Frage drängt sich auf, hängt doch die schwere Krise der Printmedien eng mit dem Auftauchen von Google & Co. zusammen. Seit der Expansion der US-Internetplattformen schwächelt das alte Geschäftsmodell der Printmedien, brachen auch den deutschen Verlagen die Werbeeinnahmen weg. Einnahmen, die durch die steigende Zahl von Digitalabos nicht annähernd kompensiert werden. Der hiesige Online-Werbemarkt wird von Google und Facebook schätzungsweise zu mehr als drei Vierteln dominiert.
Offensichtlicher Widerspruch
Vor diesem Hintergrund lohnt sich ein genauer Blick auf die „Charme-Offensive“ des US-Riesen. Der Widerspruch ist offensichtlich: Einerseits gebärdet sich das Unternehmen als Mäzen und Innovationsbeschleuniger, andererseits weigerte es sich jahrelang hartnäckig, auch nur einen Cent für journalistische Inhalte zu bezahlen. Die langjährigen Auseinandersetzungen um ein Leistungsschutzrecht endeten für die Verleger mit einer Niederlage. Der Marktmacht der US-Konzerne war mit bundesdeutschem Medienrecht nicht beizukommen. Dass die Verlage die jetzt angebotenen Finanzhilfen ihres Wettbewerbers gern akzeptieren, entbehrt daher nicht einer bitteren Ironie.
Im Grunde stoße der Suchmaschinenbetreiber nun in die Lücke vor, die die Verlage in Sachen Innovation offengelassen haben, finden die Autoren. In der Krise glaube man offenbar, nicht allzu wählerisch sein zu können und nehme jedes Hilfsangebot gern an. (Das belegt auch die aktuelle Diskussion um die Bundes-Medienförderung in Höhe von 220 Millionen Euro, deren Kriterien in der Branche kontrovers diskutiert werden.) „Kein Konzept, kein Geld, keine Zeit“ – in solch einer Situation müsse Google wie der ersehnte „Weiße Ritter“ erscheinen.
Über die Motivationen von Google dürfte es kaum Zweifel geben. Es geht um langfristige strategische Interessen: PR in eigener Sache, „politische Landschaftspflege“ und die „Abwehr von Regulierungsversuchen im medienpolitischen Bereich“. Frankreich zwingt Google bereits, mit Verlagen über die Vergütung der Nutzung von Inhalten zu verhandeln.
Gefährliches Terrain für Verlage
Die Verlage dagegen begeben sich bei der Kooperation mit diesem potenten Gönner auf gefährliches Terrain. Schließlich hält der Pressekodex des Deutschen Presserates in Ziffer 15 die „Annahme von Vorteilen jeder Art, die geeignet sein könnten, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion zu beeinflussen“, für „unvereinbar mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse“. Schon der Anschein, diese Entscheidungsfreiheit könne beeinträchtigt werden, sei zu vermeiden.
Kritikwürdig erscheint den Autoren auch die mangelnde Transparenz der Deals zwischen den Beteiligten. Google und die meisten Verlage veröffentlichen auch auf Nachfrage keine konkreten Summen. Geheimhaltungsklauseln gebe es angeblich nicht, der US-Riese überlasse die Publikation genauerer Informationen über die Förderhöhe den Verlagen selbst. Die aber mauern. „In Anbetracht der Vertrauenskrise der Medien“, warnen die Autoren, „erweisen die Verlage ihren Journalistinnen und Journalisten einen Bärendienst, wenn sie sich weigern, die genauen Summen der Google-Zuwendungen zu veröffentlichen“. Absolute Transparenz sei die Mindestanforderung, „um den Eindruck unlauterer Geschenke vorzubeugen“.
Die Betroffenen lässt diese Grundsatzkritik offenbar kalt. Eingriffe in die Berichterstattung fänden nicht statt, heißt es von Verlagsseite. Immerhin äußerten einige der befragen Journalisten die Sorge, Google-Gelder könnten Erscheinungen wie Selbstzensur und „Beißhemmungen“ befördern. Was spätestens dann zum Problem wird, wenn der Konzern selbst zum Gegenstand der Berichterstattung wird.
Erstmals direkt für Verbreitung von Inhalten zahlen
Erst nach Redaktionsschluss der Studie wurde der neueste Coup von Google gemeldet: Im Rahmen von „Google News Showcase“ will der Konzern erstmals auch für die Verbreitung von Medieninhalten zahlen. Eine stolze Milliarde Dollar in den kommenden drei Jahren ist Google dieses Projekt weltweit wert. Schon haben in Deutschland 20 Verlage mit rund 50 Publikationen angebissen. Mit dabei sind die meisten der bundesdeutschen Medienflaggschiffe, von Zeit und Spiegel Online über Wirtschaftswoche und Handelsblatt bis hin zur Deutschen Welle und der tageszeitung (taz). Auch Startups wie Riffreporter oder das gemeinnützige Recherchebüro Correctiv sind schwach geworden. Von den großen Marken sind nur Süddeutsche Zeitung und der Springer Verlag nicht mit im Boot.
Für die Autoren der Studie ist das Projekt Googles „strategische Meisterleistung“ in der Auseinandersetzung um das Leistungsschutzrecht: Anstelle einer „branchenweit einheitlichen Lösung mit verbindlichen Konditionen zahlt Google nun Geld an ausgewählte Partnermedien und spaltet damit die Front der Verlage“. Liegt die Zukunft der Nachrichtenmedien in der Abhängigkeit von Googles Scheckbuch-Diplomatie? Angesichts dieser düsteren Perspektive plädieren die Studienautoren für eine „europäische Debatte um öffentlich-rechtliche Innovationsförderung für Medien“.
Ingo Dachwitz/Alexander Fanta: Medienmäzen Google. Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt. OBS-Arbeitsheft 103, Frankfurt/M. 2020, 140 Seiten.