Grenzenlos bunt

Kundenmagazine mit großen Wachstumssprüngen

Das Spektrum der aktuell auf dem Markt befindlichen Kundenzeitschriften ist beeindruckend. Und es werden immer mehr. Dem Endverbraucher am ehesten vertraut sind die so genannten „Business to Consumer“-Produkte, die etwa in Apotheken, Lebensmittelläden, Bäckereien oder Drogerien auf Interessenten warten. So manches Magazin findet seinen Weg zum Leser auch per Post, wenn dieser sich beim Einkauf registrieren ließ.

Firmen, die sich mit einer Publikation an die Kunden wenden, müssen sich entscheiden, ob sie auf Masse oder auf Klasse setzen wollen. Noch gibt es sie – die billig produzierte Massenware, die im Baumarkt oder im Discounter zur Mitnahme ausliegt, worin spärliche redaktionelle Inhalte mehr schlecht als recht den eigentlichen Zweck der Produktwerbung kaschieren. Die Verwandtschaft zu den oft geschmähten „Schweinebauchanzeigen“ ist noch deutlich zu erkennen. Inzwischen hat jedoch ein Umdenken eingesetzt. Seit kurzem sucht etwa der Lidl-Konzern, der bekannt ist für eine rigide Politik der Nicht-Information, mehr Nähe zum Kunden. Mit der Zeitschrift Lebenslust will das Unternehmen, das wegen seiner Mitarbeiterführung in der Kritik steht, um Sympathie werben. Bei einer Auflage von etwa fünf Millionen Exemplaren widmet sich das Heft der Gesundheit seiner Käuferschaft und stellt Produkte aus dem Lidl-Sortiment vor. Auf Preiswerbung wird dabei ganz verzichtet. Der Discounter befindet sich damit in direkter Konkurrenz zum Drogeriegiganten Rossmann, der mit dem Magazin Centaur eine ähnliche Strategie verfolgt. Allgemeine Lifestylethemen wie Promiinterview, Kindererziehung oder Reise umrahmen den eigentlichen Fokus: Beauty, Wellness und Gesundheit werden geschickt kombiniert mit Informationen über die Mittelchen, mit denen sich im Falle eines Falles nachbessern lässt.
Die größten Wachstumssprünge wiesen in den letzten Jahren die Bereiche Gesundheit, Ernährung und Pharma auf. Ein Schwergewicht in dieser Liga ist etwa die Familie der Bleib-gesund-Magazine der AOK mit einer Gesamtauflage von mehr als 16 Millionen. Ein ganzer Strauß von Zeitschriften richtet sich etwa an Kinder, Jugendliche, Berufstätige und Rentner. Ebenfalls ein echtes Erfolgsmodell ist die Apotheken Umschau, die der Baiersbronner Verlag Wort & Bild auf eigenes Risiko initiiert, konzipiert und entwickelt hat. Der Verlag erahnte das steigende Informationsbedürfnis der Kunden im Gesundheitsbereich schon lange, bevor Worte wie Gesundheitsreform und Apothekenkrise in aller Munde waren. Die Zeitschrift mit einer vierzehntäglichen Druckauflage von rund sieben Millionen Exemplaren wird an Apotheker verkauft. Aufgrund der starken Kundennachfrage können sich diese kaum leisten, das Blatt nicht abzunehmen.
Verhältnismäßig neu sind Magazine wie for me des Konsumgüterriesen Procter und Gamble. Das Heftchen, das sich vorwiegend an Frauen richtet, fächert die üblichen Lifestyle-Themen auf. Kern des Ganzen ist jedoch das beiliegende Couponheft, mit dem die Kundin in bestimmten Läden Produkte zu verbilligten Preisen kaufen kann. Der Rücklauf der Coupons macht für den Konzern den Erfolg seiner Kommunikation messbar: Tatsächlich sollen die angeschriebenen Haushalte 20 Prozent mehr für Procter & Gamble-Produkte ausgeben als andere.

Hochglanz für den Couchtisch

Bei Bahnreisenden beliebt ist mobil – Das Magazin der Deutschen Bahn. Nicht etwa langweilige Züge oder Bahnhöfe prangen auf dem Titelblatt in Hochglanzoptik, sondern Aufreißer sind stets Portraits von deutschlandweit bekannten Promis wie Boris Becker, Kent Nagano oder jüngst – WM-affin – Jürgen Klinsmann. Geschichten rund ums (Bahn-)Reisen vermischen sich mit Kultur, Sport, Wissen und Business. Der Aufforderung der Bahn, das Blatt mit nach Hause zu nehmen, kommen viele gern nach.
Ethische Ziele verfolgt die Evangelische Kirche mit Chrismon. Das Heft mit einer Auflage von rund 1,6 Millionen Exemplaren ist aus der Wochenzeitung Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt hervorgegangen. Als Supplement wird der Titel verschiedenen regionalen und überregionalen Zeitungen beigelegt. Chrismon stellt sich als „unterhaltsam und informativ, dialogfreudig und jung“ vor und wurde 2000 mit dem Medienpreis „Newcomer des Jahres“ ausgezeichnet. Diskutiert werden aus christlicher Perspektive Themen, die über kurzlebige Tagesaktualität hinausgehen, getragen von moderner Bild­ästhetik. Das Blatt erfreut sich inzwischen einer wachsenden Leserschaft auch aus nicht kirchlichen Kreisen.
Die StadtAnsichten, herausgegeben von der Autostadt, gehören sicherlich zur Upper Class der Kundenmagazine. Wer die VW-Tochter nicht kennt, wird bei der Lektüre des Heftes kaum den Automobilhersteller dahinter vermuten. Ganz wenige Anzeigen für Autos aus dem Konzern fallen kaum auf in dem Blatt, das sich stets eines gesellschaftlich relevanten Themas annimmt – etwa Zeit, Toleranz oder Erfahrung. Intelligente Texte und fast künstlerische Fotostrecken zum jeweiligen Schwerpunkt machen die Lektüre auch für anspruchsvolle Leser lohnend.
Ein gelungenes Beispiel für B-to-B, die Kommunikation mit dem Geschäftspartner, ist blue line, das Executive Magazin von Hewlett Packard. Das originell umgesetzte Quartalsmagazin war 2005 beim BCP (siehe Kasten) Klassenbester in der Branche IT/Telekommunikation. Es soll in der Vorstandsetage „Denkanstöße für Topentscheider“ liefern. Auch hier wird auf journalistische Qualität und Exklusivität gesetzt; in der limitierten Auf­lage im Buchformat fehlt platte Produktwerbung völlig, stattdessen gibt es flüssig geschriebene Lesegeschichten. Wirtschaftsthemen prägen den Inhalt: Texte zu Marketingstrategien, Mitarbeiterführung oder Effizienz sollen die Führungsetage ansprechen, die Marke Hewlett Pa­ckard steht dabei dezent im Hintergrund.

 

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