IFA: Digitalangebote von ARD und ZDF

Foto: Hermann Haubrich

Manche Zeitgenossen glauben, im Zeitalter der Digitalisierung habe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk überlebt. Schließlich könne jede Nutzerin und jeder Nutzer doch rund um die Uhr alle medialen Inhalte aufrufen, die er brauche. Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen, findet, das Gegenteil sei richtig. „Nie waren öffentlich-rechtliche Medien so wichtig wie heute im Zeitalter eines entgrenzten digitalen Medienmarkts“, sagte er auf dem Presseforum der Produktions- und Technikkommission (PTKO) von ARD und ZDF zu Beginn der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin.

Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen Foto: Hermann Haubrich
Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen
Foto: Hermann Haubrich

Der technologische Wandel und die Globalisierung des Medienmarktes, so Metzger, veränderten unsere Öffentlichkeit. Nutzer- und Nutzungsdaten stünden als profitable Handelsware immer mehr im Zentrum eines neuen Ökosystems von Netzwerkunternehmen, Medienhäusern, Werbewirtschaft. Per Facebook-Newsscreen oder Netflix-Empfehlung entstünden „Filterblasen“. „Die Gesellschaft spaltet sich in Millionen Einzelgesellschaften auf, die von gefühlten Wirklichkeiten der eigenen Peer-group, von Freunden, von befreundeten Medien und Marken bestimmt werden.“ Nur noch 50-60 Prozent aller Mediennutzer_innen in Deutschland, so eine Schätzung des Kölner „Rheingold Instituts, fühlten sich noch in den sogenannten Leitmedien zuhause. Demgegenüber habe sich ein Drittel aller Deutschen „in die sozialen Echoräume des Internets“ zurückgezogen. Dort erleben sie, strukturiert von Facebook, Twitter und Co. ihre eigene Realität. Tendenziell erreiche sie nur das, was ihre eigenen, schon vorhandenen Ansichten und Vorauswahlen bestätigt. Vor diesem Hintergrund komme dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr denn je die Aufgabe zu, „durch die besondere Qualität seiner Angebote die Gesellschaft miteinander im Gespräch zu halten und damit demokratische Prozesse zu ermöglichen.“ Entsprechend gehe es darum, öffentlich-rechtliche Angebote für alle wichtigen Verbreitungswege und Plattformen zur Verfügung zu stellen. Die Transformation der Rundfunkhäuser hin zu crossmedialen Medienunternehmen sei „in vollem Gange, aber noch längst nicht abgeschlossen“, konstatierte Metzger.

IFA-Presseforum ARD und ZDF. Ulrich Liebenow, Vorsitzender der PTKO (MDR); Carine Chardon, Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform; Moderator Gerald Meyer (RBB); Christoph Vilanek, Vostandsvorsitzender Freenet AG und Volker Zota, Fachjournalist (c´t) (v.l.n.r.) Foto: Hermann Haubrich
IFA-Presseforum ARD und ZDF. Ulrich Liebenow, Vorsitzender der PTKO (MDR); Carine Chardon, Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform; Moderator Gerald Meyer (RBB); Christoph Vilanek, Vostandsvorsitzender Freenet AG und Volker Zota, Fachjournalist (c´t) (v.l.n.r.)
Foto: Hermann Haubrich

Für viele Fernsehzuschauer_innen dürfte der 29. März 2017 ein wichtiges Datum sein. An diesem Tag findet die Umstellung auf den neuen Standard DVBT-2 beim digitalen Antennenfernsehen statt. Bislang wird digitales Antennenfernsehen von rund 3,3 Millionen Haushalten genutzt, vor allem in Ballungsgebieten. Für rund zwei Drittel dieser Nutzer_innen besteht zum Start des Regelbetriebs Handlungsbedarf. Denn für die neue Technik sind auch neue Geräte erforderlich. Infos dazu gibt es schon jetzt auf der ARD-Text-Tafel 198. Allerdings würden die von der Umstellung Betroffenen auch mit mehr Vielfalt entschädigt, informierte Ulrich Liebenow, Vorsitzender der PTKO und Betriebsdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). „Es werden mehr Programme sein, als wir in der Vergangenheit in der Luft hatten und wir werden auch alle kooperierten Programme von ARD und ZDF über den Verbreitungsweg DVBT-2 in Full HD zur Verfügung stellen.“

Zu den digitalen Erfolgsstories der öffentlich-rechtlichen Anstalten gehören die intensiv genutzten Mediatheken der Sender. Allein die ARD-Mediathek enthält mittlerweile rund 150.000 Videos und Audios. Jede „Tatort“-Folge wird im Schnitt 230.000 Mal abgerufen. Die neugeschaffene ARD-Steuerungsgruppe Digitales Produktportfolio kümmert sich darum, diese Angebote noch zu verbessern. Derzeit gehe es darum, „herauszufinden, was die Nutzer von einer Mediathek der Zukunft erwarten. Und was wir ihnen anbieten müssen, wie wir es bauen, konstruieren müssen“, sagte Wolf-Dieter Jacobi, Leiter der Gruppe und Fernsehdirektor des MDR. Außerdem denke die ARD über einen neuen „Player“ nach, eine einheitliche digitale Plattform für sämtliche Inhalte aller Landesrundfunkanstalten. Dabei spiele die Frage nach größtmöglicher Nutzerfreundlichkeit eine zentrale Rolle. Am Herzen liegt Jacobi auch die Frage nach einem speziellen Digitalangebot für Kinder. „Eine Mediathek, wo alle Inhalte des KIKA drin und auch entsprechend kindgerecht aufbereitet sind. Das wäre ein tolles Projekt“, glaubt Jacobi.

Auch für die reifere Jugend haben ARD und ZDF was in der Pipeline. Am 1. Oktober soll das Junge Angebot der Öffentlich-Rechtlichen an den Start gehen. Konsequenterweise ausschließlich online, und natürlich werbefrei. Worauf dürfen sich die 14-29jährigen freuen? Allzu sehr ins Detail mochte Malte Blumberg, SWR-Redakteur und sogenannter Head of Bits and Pixels, nicht gehen. Die jungen Nutzer_innen erwarten Angebote dort, „wo sie sich schon befinden, das heißt, ganz nativ auf ihren Drittplattformen, das heißt auf youTube, auf Facebook, auf Instagram, auf Twitch und wie sie alle heißen. Dann haben sie eine App zu erwarten und ein Webangebot, das als Vollautomat funktioniert.“ Auf die Frage nach konkreten Inhalten und den Namen der neuen Offerte gab Blumberg sich recht zugeknöpft: „Dazu kann ich vor dem 1. Oktober nichts sagen.“

 

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »