Manche Zeitgenossen glauben, im Zeitalter der Digitalisierung habe sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk überlebt. Schließlich könne jede Nutzerin und jeder Nutzer doch rund um die Uhr alle medialen Inhalte aufrufen, die er brauche. Jan Metzger, Intendant von Radio Bremen, findet, das Gegenteil sei richtig. „Nie waren öffentlich-rechtliche Medien so wichtig wie heute im Zeitalter eines entgrenzten digitalen Medienmarkts“, sagte er auf dem Presseforum der Produktions- und Technikkommission (PTKO) von ARD und ZDF zu Beginn der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin.
Der technologische Wandel und die Globalisierung des Medienmarktes, so Metzger, veränderten unsere Öffentlichkeit. Nutzer- und Nutzungsdaten stünden als profitable Handelsware immer mehr im Zentrum eines neuen Ökosystems von Netzwerkunternehmen, Medienhäusern, Werbewirtschaft. Per Facebook-Newsscreen oder Netflix-Empfehlung entstünden „Filterblasen“. „Die Gesellschaft spaltet sich in Millionen Einzelgesellschaften auf, die von gefühlten Wirklichkeiten der eigenen Peer-group, von Freunden, von befreundeten Medien und Marken bestimmt werden.“ Nur noch 50-60 Prozent aller Mediennutzer_innen in Deutschland, so eine Schätzung des Kölner „Rheingold Instituts, fühlten sich noch in den sogenannten Leitmedien zuhause. Demgegenüber habe sich ein Drittel aller Deutschen „in die sozialen Echoräume des Internets“ zurückgezogen. Dort erleben sie, strukturiert von Facebook, Twitter und Co. ihre eigene Realität. Tendenziell erreiche sie nur das, was ihre eigenen, schon vorhandenen Ansichten und Vorauswahlen bestätigt. Vor diesem Hintergrund komme dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mehr denn je die Aufgabe zu, „durch die besondere Qualität seiner Angebote die Gesellschaft miteinander im Gespräch zu halten und damit demokratische Prozesse zu ermöglichen.“ Entsprechend gehe es darum, öffentlich-rechtliche Angebote für alle wichtigen Verbreitungswege und Plattformen zur Verfügung zu stellen. Die Transformation der Rundfunkhäuser hin zu crossmedialen Medienunternehmen sei „in vollem Gange, aber noch längst nicht abgeschlossen“, konstatierte Metzger.
Für viele Fernsehzuschauer_innen dürfte der 29. März 2017 ein wichtiges Datum sein. An diesem Tag findet die Umstellung auf den neuen Standard DVBT-2 beim digitalen Antennenfernsehen statt. Bislang wird digitales Antennenfernsehen von rund 3,3 Millionen Haushalten genutzt, vor allem in Ballungsgebieten. Für rund zwei Drittel dieser Nutzer_innen besteht zum Start des Regelbetriebs Handlungsbedarf. Denn für die neue Technik sind auch neue Geräte erforderlich. Infos dazu gibt es schon jetzt auf der ARD-Text-Tafel 198. Allerdings würden die von der Umstellung Betroffenen auch mit mehr Vielfalt entschädigt, informierte Ulrich Liebenow, Vorsitzender der PTKO und Betriebsdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). „Es werden mehr Programme sein, als wir in der Vergangenheit in der Luft hatten und wir werden auch alle kooperierten Programme von ARD und ZDF über den Verbreitungsweg DVBT-2 in Full HD zur Verfügung stellen.“
Zu den digitalen Erfolgsstories der öffentlich-rechtlichen Anstalten gehören die intensiv genutzten Mediatheken der Sender. Allein die ARD-Mediathek enthält mittlerweile rund 150.000 Videos und Audios. Jede „Tatort“-Folge wird im Schnitt 230.000 Mal abgerufen. Die neugeschaffene ARD-Steuerungsgruppe Digitales Produktportfolio kümmert sich darum, diese Angebote noch zu verbessern. Derzeit gehe es darum, „herauszufinden, was die Nutzer von einer Mediathek der Zukunft erwarten. Und was wir ihnen anbieten müssen, wie wir es bauen, konstruieren müssen“, sagte Wolf-Dieter Jacobi, Leiter der Gruppe und Fernsehdirektor des MDR. Außerdem denke die ARD über einen neuen „Player“ nach, eine einheitliche digitale Plattform für sämtliche Inhalte aller Landesrundfunkanstalten. Dabei spiele die Frage nach größtmöglicher Nutzerfreundlichkeit eine zentrale Rolle. Am Herzen liegt Jacobi auch die Frage nach einem speziellen Digitalangebot für Kinder. „Eine Mediathek, wo alle Inhalte des KIKA drin und auch entsprechend kindgerecht aufbereitet sind. Das wäre ein tolles Projekt“, glaubt Jacobi.
Auch für die reifere Jugend haben ARD und ZDF was in der Pipeline. Am 1. Oktober soll das Junge Angebot der Öffentlich-Rechtlichen an den Start gehen. Konsequenterweise ausschließlich online, und natürlich werbefrei. Worauf dürfen sich die 14-29jährigen freuen? Allzu sehr ins Detail mochte Malte Blumberg, SWR-Redakteur und sogenannter Head of Bits and Pixels, nicht gehen. Die jungen Nutzer_innen erwarten Angebote dort, „wo sie sich schon befinden, das heißt, ganz nativ auf ihren Drittplattformen, das heißt auf youTube, auf Facebook, auf Instagram, auf Twitch und wie sie alle heißen. Dann haben sie eine App zu erwarten und ein Webangebot, das als Vollautomat funktioniert.“ Auf die Frage nach konkreten Inhalten und den Namen der neuen Offerte gab Blumberg sich recht zugeknöpft: „Dazu kann ich vor dem 1. Oktober nichts sagen.“