Zunehmender Druck auf kleinere Verlage – Kartellentscheidung noch offen
Auf die Titelseiten der Zeitungen hat es der Vorgang nicht einmal im Wirtschaftsteil gebracht. Dabei hätte er große Aufmerksamkeit verdient. Die Rede ist von der Übernahme der Buchgruppe des Springer-Verlags „Ullstein-Heyne-List“ durch den Bertelsmann-Konzern. Dieser Kauf wird die deutsche Buchsparte nachhaltig verändern. Zum Schlechten, wie man befürchten muss.
Sollte der Verkauf von den Kartellbehörden genehmigt werden, entstünde ein Bücherriese, der 2001 mit 600 Beschäftigten einen Gesamtumsatz von 421 Millionen Euro auf sich vereinigt hat. Die nächstgrößeren Konzerne Weltbild und Holtzbrinck setzten 198 bzw. 175 Millionen um (davon 83 Millionen über die gemeinsame Tochter Doemer-Weltbild). „Random House“ würde zu einem Gebilde aus 43 Verlagen aufsteigen und käme auf einen Marktanteil von elf bis zwölf, bei Taschenbüchern fast 40 Prozent.
Weshalb steigt Springer aus dem prestigeträchtigen Buchgeschäft aus? Der Hamburg / Berliner Konzern hatte 2001 einen Verlust von 198 Millionen Euro eingefahren; 46 Millionen davon stammten von Ullstein-Heyne-List. Das Jahr 2002 hat für den Gesamtkonzern zwar wieder einen Profit von 61 Millionen gebracht, die Buchsparte aber hat nur mit Mühe ein Null-Ergebnis erzielt.
Buchverlage leiden unter einem stagnierenden und neuerdings schrumpfenden Markt. 2002 ist der Buchumsatz erstmals absolut (um minus zwei Prozent) gesunken, und auch das neue Jahr hat im Januar / Februar Umsatzverluste von zwei bzw. drei Prozent gebracht. Das ist eigentlich paradox, denn seit Anfang der Neunzigerjahre ist die Zahl der Neuerscheinungen von Jahr zu Jahr, von 67.000 in 1993 auf 90.000 in 2001, gestiegen. Folge: Der Markt ist überschwemmt, die Einzelauflagen sinken im Durchschnitt. Die Reaktion der Großverlage ist simpel: Bestseller, Bestseller und nochmal Bestseller. Inzwischen zeigt sich aber, dass auch das keinen Erfolg garantiert: Die Rowlings, Grisham & Co bringen zwar Auflagen jenseits der hunderttausend, dafür sind aber enorme PR-Kampagnen erforderlich. Außerdem erreichen die Gagen absurde Ausmaße. Während unbekannte Schriftsteller mit Minihonoraren zufrieden sein müssen, kassieren Fließbandschreiber wie John le Carré, Hera Lind oder Dieter Bohlen Millionen Euro pro Buch. Solche Kosten lassen sich trotz hoher Auflagen nur schwer amortisieren.
Hohe Zahl an Pleiten
Vor diesem Hintergrund ist eine weit greifende Umschichtung auf dem Buchmarkt in Gang gekommen. Springers Ausstieg war nur der spektakulärste Fall. Die Holtzbrinck-Gruppe hat finanzielle Probleme und musste sich unter anderem von den Schulbüchern und Teilen ihrer Fachbuchverlage trennen. Der Süddeutsche Verlag würde gerne seine Fachverlage (Hüthing) loswerden, und die FAZ-Gruppe bietet ihre Buchsparte (DVA, Prestel und Kösel) zum Kauf an.
Zur Marktbereinigung gehört auch die hohe Zahl an Pleiten. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit umfasst die Liste der seit Anfang 2002 insolvent gegangenen oder geschlossenen Buchverlage folgende Namen: Falken, Mosaik, Haffmanns, Weichert, Könemann, Jünger, Bleicher, Courier, Espresso, Baumhaus, E.A. Seemann, Edition Leipzig, Henschel, Achterbahn, Blackwell.
Bislang ist die Buchsparte in Deutschland von relativer Vielfalt geprägt. Von den etwa 2000 Verlagen sind 90 Prozent selbstständig. Die Masse davon sind jedoch ohne Einfluss auf das Marktgeschehen. Die hundert größten Verlage liefern etwa 85 Prozent aller Bücher, der Marktführer Random House – künftig – allein elf bis zwölf Prozent
Für Bertelsmann macht der Deal mit Springer nur Sinn, wenn damit die Produktions- und Verkaufsbedingungen für die eigenen Bücher verbessert werden können. Man wird deshalb mit noch mehr Druck versuchen, schwächere Verlage aus den Buchläden und vor allem aus den Schaufenstern und den Auslagen zu verdrängen. Das könnte auch gelingen, denn Random House ist die größte Buchverlagsgruppe der Erde und hat den fünftgrößten Medienkonzern im Hintergrund. Mit seinem Machtzuwachs durch den Aufkauf der Springer-Verlage wird er noch stärker mit Rabatten und schrägen Absprachen die Bedingungen bestimmen können. Das gilt besonders bei den großen Sortimentern (Thalia, Hugendubel und anderen), bei denen Qualitätsverlage bis zu 70 Prozent ihrer Produktion absetzen.
Wenig erfreulich sind auch die Aussichten für die Beschäftigten. Bertelsmann hat gezeigt, wie rücksichtslos man auch bei Buchverlagen zulangen kann: Der hessische Falken-Ratgeberverlag ist erst aufgekauft, dann eingedampft, anschließend mit dem Münchner Mosaik-Verlag verschmolzen worden. Als ein Verkauf an die Ganske-Gruppe (Gräfe & Unzer u.a.) gescheitert war, ist der Laden Anfang 2002 dicht gemacht worden. 125 Beschäftigte haben ihren Arbeitsplatz verloren. Nach dem Kauf der Springer-Verlage sei „über Personalabbau noch nicht entschieden“ worden, verkündete Joerg Pfuhl, der Vorstandsvorsitzende von Random House Deutschland. Das wäre auch verfrüht, denn der Deal ist kartellrechtlich noch offen. Was nach einer Genehmigung käme, müsste sich zeigen. Auch den Verkauf verlustträchtiger Verlage hat Pfuhl nur „zunächst“ ausgeschlossen.
Random House
Die wichtigsten Verlage in der neuen Buchgruppe Random House
Bisherige Bertelsmann-Verlage:
Albrecht Knaus
Bassermann
Berlin Verlag
Berliner Taschenbuchverlag
Blanvalet
Blessing
C. Bertelsmann
C. Bertelsmann Jugendbuch
Goldmann
Gütersloher Verlag
Luchterhand
Orac
ORBIS
Prisma Electronic Publishing
Riemann
Siedler
Bisherige Springer-Verlage:
Ansata
Bucher
Claassen
Diana
Econ
Heyne
Heyne Taschenbuch
Integral
List
List Taschenbuch
Ludwig
MvS
Propyläen
Ullstein
Ullstein Taschenbuch
Sportverlag
Südwest
Weltkunst
Zabert Sandmann