Kleiner Schritt zum Online-Kauf

Zeitungsverlage könnten mit ihren Online-Auftritten deutlich mehr Umsätze erzielen, wenn sie ihre Inhalte in einzelne Kleinstprodukte zerlegen, immer wieder neu bündeln und auf diese Art aus Archiven heraus verkaufen. Sagt Florian Stahl, Autor der Studie „Paid Content – Strategien zur Preisgestaltung beim elektronischen Handel mit digitalen Inhalten“.

M | In Ihrer empirischen Studie zu „Paid Content“ stellen Sie fest, dass die Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte generell zunimmt. Doch für lokale, regionale, nationale und internationale Online-Nachrichten scheint dies nicht zuzutreffen?

FLORIAN STAHL | Man muss unterscheiden zwischen Kurznachrichten, Tagesneuigkeiten und den darüber hinaus gehenden Informationen, Berichten, Artikeln. Bei den Tagesnews ist der Wettbewerb sehr groß, es gibt sehr viele kostenlose Angebote, und deshalb ist die Zahlungsbereitschaft an dieser Stelle tatsächlich sehr gering, wenn nicht sogar stagnierend oder sinkend. Doch spätestens wenn es darum geht, Inhalte zu bekommen, die das Tages­geschehen durch Hintergrundinformationen ergänzen oder mit früheren Berichten, Meldungen oder Informationen in Verbindung setzen, steigt die Zahlungsbereitschaft wieder an. Unseren Studien nach sind rund 10 bis 25 Prozent der Online-Leser bereit, für diese Art der Informations­aufbereitung etwas zu bezahlen.

M | Auch wenn es ähnliche bis identische Inhalte – aufgespürt durch Suchmaschinen – einen Klick weiter doch wieder kos­tenlos gibt?
STAHL | Ich halte das für einen Irrglauben. Die Menschen sind träge und auch die Konsumenten im Internet gehorchen dem Gesetz der Gewöhnung. Wenn die Nutzer sich auf einer Seite wohl, von einer Medien- oder Zeitungsmarke gut bedient fühlen, ihr vertrauen, sich mit ihr identifizieren, werden sie bei ihr bleiben – vo­rausgesetzt, der Schritt zum Online-Kauf der Inhalte ist technisch einfach und klein genug. Abgesehen davon ist es bisweilen mühsam, sich drei oder vier passende Artikel zu einem Thema zusam­menzu„googeln“. Diese Mühe lässt man sich gerne abnehmen – und was kosten.

M | Doch reicht dieses Erlösmodell, gerade für die vielen kleineren, regionalen Zeitungsverlage?

STAHL | Generell wird eine dem Printmarkt vergleichbare Mischkalkulation nötig sein, von ein Drittel verkaufter Inhalte und zwei Drittel Werbung. Die Frage ist, wie das erste Drittel zustande kommt. Meiner Ansicht nach ist ein Paradigmenwechsel not­wendig. Wissenschaftlich betrachtet war Zeitung schon immer ein großes, dickes Bündel ganz unterschiedlicher Informatio­nen. Ob im Abonnement oder am Kiosk, das Produkt war die tagesaktuelle Zusammenstellung an Nachrichten und Artikeln, dazu Nutzwert und Unterhaltung. Die Unmittelbarkeit des permanent verfügbaren Internet ließ nun einen Markt für stundenaktuelle Nachrichten entstehen, der noch immer – und vermutlich noch lange – von kostenlosen Angeboten geprägt wird. Doch gerade weil die Nachrichten im Internet auch stundenschnell veralten und im unüberschaubaren Informationsmeer versinken, kommt dem inhaltlich-thematischen Bündeln und Aufbereiten von News ein besonderer Wert zu.

M | Wer interessiert sich schon für die Nachrichten von gestern?

STAHL | Sehr viele sogar. Nehmen wir die Vogelgrippe: Wer neben der aktuellen Meldung aus dem Landkreis die Links zu vorherigen Artikeln, vertiefenden Interviews oder speziell editierten Dossiers findet, der wird diese vermeintlich alten Nachrichten aus einem kostenpflichtigen Angebot kaufen. Nicht jeder, gewiss – aber eben ein gewisser Teil, Tendenz steigend. Wir konnten nachweisen, dass dies funktioniert, etwa bei Spiegel Online. Mitentscheidend ist dabei der persönliche Aufwand, den der Nutzer für den Erwerb von „Paid Content“ aufbringen muss. Wer sich umständlich durch drei Formulare klicken muss, der kauft keinen Artikel für 99 Cent. Doch wer schon einmal regis­triert ist und dann mit einem Klick zum bezahlten Content kommt, der ist dazu auch schneller und häufiger bereit. Bei großen Portalen wie Bild-T-Online wird nicht nur für Entertainment-Inhalte bezahlt, sondern auch für nachrichtliche Informationen. Zudem gehen die technischen Trans­aktionskosten für den Erwerb digitaler Inhalte weiter zurück, sodass es für die Anbieter lukrativer wird – sofern sich die Verlage den damit einhergehenden technischen Veränderungen stellen.

M | Überregionalen Leitmedien, wie Bild, FAZ oder Spiegel mag das möglich sein, doch kleinen Zeitungsverlagen in der Region fehlt dafür oft die finanzielle Kraft.

STAHL | Kommt drauf an. So wie die Groß- oder die Fachverlage müssen sich die Tageszeitungen in der Region auf ihre Stärken besinnen und ihre Online-Strategie darauf ausrichten: Also konsequent auf regionale Inhalte setzen, das Konsumverhalten der Leserschaft studieren und darauf eine Strategie der Diversifizierung von Inhalten entwickeln. Ihr Vorteil ist die regionale Verbundenheit, oft auch die Alleinstellung in der Region. So könnte eine Zeitung bestimmte Inhalte kostenlos anbieten, während andere, womöglich speziellere, für einen gewissen, geringen Sockelbetrag zugänglich sind. Bei Regionalzeitungen beispielsweise im Bereich Sport oder regionale Wirtschaftsberichte. Wer nun als registrierter, zahlender Abonnent an bestimmten Stellen weitere Inhalte lesen will, kann dies für kleine, rabattierte Beträge und in einem einfachen Zahlungs-Prozess bewerkstelligen.

Das Gespräch führte Henry Steinhau
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