„Mein Werder“ spielt nur noch zu fünft

Screenshot meinwerder.de

Ein ehrgeiziges Projekt der Bremer Tageszeitungen AG (BTAG) scheint weitgehend gescheitert zu sein: Das BTAG-Flaggschiff Weser-Kurier hatte 2017 seine Berichterstattung über den Fußball-Bundesligisten Werder Bremen in eine konzerneigene Redaktion ausgelagert, die sich unter anderem durch kostenpflichtige Inhalte im Internet finanzieren sollte. Doch zu wenige Fußballfans wollten für die Beiträge zahlen. Nun müssen acht von 13 Redaktionsmitgliedern gehen.

Die Umsonst-Mentalität im Internet kostet jetzt acht Bremer Sportjournalist*innen ihren Arbeitsplatz. Zwei von ihnen haben bereits selbst gekündigt, sechs weitere wurden entlassen, überwiegend zur Jahresmitte. Das bestätigte jetzt auf Anfrage von M Moritz Döbler, seit 2015 Chefredakteur des Weser-Kuriers (WK) und seit Anfang 2019 zugleich auch eines von zwei Vorstandsmitgliedern des WK-Verlages BTAG.

Döbler war immer stolz gewesen auf das bundesweit vielbeachtete Projekt. Im Sommer 2017 hatte die BTAG die komplette Berichterstattung über die Werder-Bundesligaprofis in die konzerneigene Firma Weser-Kurier digital GmbH ausgelagert. Dort entstand eine gut ausgestattete Redaktion, nach Verlagsangaben „die mit Abstand größte Fußball-Experten-Redaktion in Deutschland, die sich ausschließlich um einen Bundesligisten kümmert“.

Im Zwei-Schichten-Betrieb stellen die Redaktionsmitglieder seitdem jede Neuigkeit rund um Werder ins Internet – unter der Marke „Mein Werder“, was gelegentlich zu Verwechselungen mit dem offiziellen Vereinsauftritt führt. Außerdem liefern sie täglich eine Seite mit Werder-Berichten für die WK-Printausgabe. Die bisherige Sportredaktion im Mutterhaus wurde personell leicht ausgedünnt und kümmerte sich fortan nur noch um Themen jenseits des heimischen Bundesligisten. Auch andere WK-Ressorts müssen mit gekürzten Etats auskommen. Chefredakteur und Vorstand Döbler bestreitet aber, dass wegen der teuren Werder-Redaktion die anderen Ressorts Kürzungen um etwa 20 Prozent hinnehmen mussten.

Für die Fußballfans war die ausgeweitete Werder-Berichterstattung anfangs komplett gratis, sowohl auf der Homepage „www.meinwerder.de“ als auch auf der Smartphone-App „Mein Werder“ („Deine digitale Dauerkarte für alles, was grün-weiß ist“). Doch 2018 stellte der Verlag hier und dort Bezahlschranken auf. Wer jenseits der wichtigsten Grundinformationen auch noch vertiefende Texte („Plus“-Artikel) lesen wollte, sollte dafür zahlen: 5,49 Euro pro Monat für die Freischaltung dieser Artikel in der App – oder 2,99 Euro Aufschlag für WK-Abonnent*innen, die die „Plus“-Artikel auf der Homepage lesen wollen.

Doch die Rechnung ging nicht auf: Den meisten Fans ist die App zu teuer. Was bisher nur ein Gerücht war, erfuhr die Belegschaft Ende März durch ein Rundschreiben der BTAG-Vorstandsmitglieder Moritz Döbler und David Koopmann. Ihre „Mitarbeiterinfo“ begann zunächst mit Selbstlob: Mit „großem Aufwand und voller Überzeugung“ sei es gelungen, „ein technisch und redaktionell herausragendes Produkt mit hoher Reichweite am Markt zu etablieren“. Doch dann folgte das Eingeständnis: „Leider hat sich trotz aller Bemühungen der wirtschaftliche Erfolg nicht im notwendigen Maße eingestellt. In einem ohnehin herausfordernden Umfeld sehen wir uns gezwungen, nun Konsequenzen zu ziehen.“ Nämlich „eine Reihe von Kündigungen auszusprechen“. Der Vorstand weiter: „Wir bedauern diesen Schritt sehr; leider gibt es keine andere Möglichkeit.“ Und dann dankte er noch den Kolleginnen und Kollegen „für ihr herausragendes Engagement und wünschen ihnen alles Gute auf ihrem weiteren beruflichen Weg“.

Nach Informationen von M soll der Verlag einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in das Projekt investiert, aber nur wenige tausend Euro eingenommen haben. Insgesamt soll der Jahresverlust der BTAG 2018 von gut fünf Millionen auf mehr als acht Millionen Euro angestiegen sein. Döbler wollte sich auf Nachfrage nicht zu diesen Zahlen äußern, sondern bekräftigte nur, dass die Sparmaßnahmen „für uns unausweichlich“ gewesen seien und dass er diese Entwicklung „zutiefst“ bedauere.

War vielleicht die Konkurrenz zu groß? Denn die Kreiszeitung aus Bremens Nachbarstadt Syke hatte bereits vor der BTAG eine eigene Werder-App etabliert: die „Deichstube“. Ist in der Region vielleicht kein Platz für zwei Werder-Spezialredaktionen? Döbler antwortet darauf so: „Wir sehen uns als führenden Anbieter. Das Redaktionsteam, zu dem herausragende Sportjournalisten wie Christoph Sonnenberg und Jean-Julien Beer gehören, kann sich mit seiner Kompetenz und auch mit seiner Teamstärke auch künftig mit jeder anderen Werder-Redaktion messen.“ Und weiter: „Eine hochwertige, hintergründige, substanzielle Werder-Berichterstattung bleibt ein wesentlicher Bestandteil unserer Produkte“. Allerdings werde der Umfang bei „Mein Werder“ verringert – jedoch ohne Abstriche an der Qualität, wie Döbler sagt. Und für die WK-Printausgabe sieht er überhaupt keine Auswirkungen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fünfter Streik beim Bundesanzeiger

Mit rund 130 Millionen Euro Jahresumsatz und einer stattlichen Gewinnmarge von 18 bis 20 Millionen Euro ist der Bundesanzeiger Verlag die Cash Cow der DuMont Verlagsgruppe. Doch der Verlag verweigert Tarifverhandlungen. Dabei, so formuliert es Bundesanzeiger-Betriebsrat Gerhard Treinen, befindet sich ein großer Teil der rund 560 Beschäftigten und der bis zu 280 Leiharbeitenden in prekären Arbeitsverhältnissen. Daher hat ver.di jetzt zum fünften Mal in diesem Jahr zu einem Warnstreik aufgerufen. Rund 100 Streikende hatten sich dann auch vor dem DuMont Gebäude in Köln versammelt und verliehen ihrem Unmut hörbar Ausdruck als sie „Tarifvertrag jetzt“ skandierten. „Ich habe…
mehr »

Entlarven und kontern auf TikTok

Rechte und Rechtsextreme verfügen über große Reichweiten auf sozialen Medien, insbesondere auf TikTok. Dort trenden populistische Inhalte und fremdenfeindliche Hashtags. Dagegen regt sich immer mehr Widerstand. Politiker*innen und Institutionen wollen das digitale Feld nicht der AfD überlassen. Doch warum gelingt es den Demokratiefeinden dort offenbar so mühelos, junge Menschen anzusprechen? Antworten erhoffen sich Nachwuchsjournalist*innen der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft mit ihrem Medienprojekt „Im rechten Licht“.
mehr »

Equal Pay – auch nicht im Journalismus

Am 6. März ist dieses Jahr Equal Pay Day, denn die Gender Pay Gap liegt seit dem Jahr 2020 nach wie vor bei 18 Prozent. Legt man die Prozente, die Frauen weniger verdienen, in Tage um, entspricht dies der Zeit von Neujahr bis zum 6. März als Nullverdienst. Im Journalismus sieht es dabei nicht wesentlich besser aus: Auf 17,3 Prozent errechnete eine Studie zur „Prekarisierung im Journalismus“ von 2021 die Gender Pay Gap in diesem Beruf, wie M berichtete. Auf der Basis dieser Daten ist jetzt der „vernachlässigte geschlechterspezifische Aspekt prekärer Beschäftigung im Journalismus“ noch einmal deutlich herausgestellt worden.
mehr »

Rundfunkbeitrag soll um 58 Cent steigen

Der finanzielle Spielraum von ARD, ZDF und Deutschlandradio schrumpft. Wie erwartet, empfiehlt die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) eine Erhöhung des monatlichen Rundfunkbeitrags ab 2025 um 58 Cent auf 18,94 Euro. Die von einigen Ministerpräsidenten geäußerten Forderungen nach Beitragsstabilität sieht die KEF angesichts der inflationären Entwicklung als übererfüllt an. Ver.di warnt vor weiterem Programmabbau und noch mehr Druck auf die Rundfunkbeschäftigen.
mehr »