Über 25 Betriebsratsmitglieder aus Unternehmen der sogenannten „Kirch-Sender-Familie“ trafen sich im Frühjahr auf einem Seminar von connexx.av in Berlin, um Wege zu finden, die Mitbestimmung im Kirch-Imperium zu verbessern. Auch wollte man für die sich bereits abzeichnenden Änderungen der Gesellschaftskonstruktion gewappnet sein.
Das „Arbeitnehmer-Familientreffen“ analysierte zunächst die bislang bestehenden Beteiligungsverhältnisse und die sich dahinter verbergenden Strukturen. Keine leichte Aufgabe für die Vertreter u. a. von SAT.1, ProSieben, DSF oder PremiereWorld – beklagten sich doch selbst Börsenanalysten über die Undurchschaubarkeit des Medienkonglomerats. Dies soll sich gerade ändern – der Medienmogul möchte seine in der „Kirch-Media“ zusammengefassten Free-TV-Aktivitäten an die Börse bringen und muss deshalb für ein Mehr an Transparenz für die Shareholder sorgen.
Deshalb ist Leo Kirch mit der SAT.1-ProSieben-Fusion gerade dabei, Ordnung zu schaffen. Derzeit ist auch damit zu rechnen, dass bei dieser „Kirch-lichen Ehe“ auch noch weitere, nichteheliche Kinder eingebracht werden. Nachdem der kleine Sender tm3 von Murdoch seiner Sportrechte beraubt wurde, sind für potentielle Käufer des Senders das Interessanteste die vorhandenen Frequenzen. Der Zufall will es, dass der ProSieben -Tochtersender N 24 wegen der fehlenden „technischen Reichweite“ auf der dringenden Suche nach Kabelfrequenzen ist. Die neueste Planungsvariante gibt dem Kleinsender die Rolle eines Gateway ins Internet zur Verstärkung der Multimediaaktivitäten des Konzerns.
Jedenfalls gibt es in der derzeit in der Hauptstadt ansässigen SAT 1-Säule einen Betriebsrat mit Ryszard Podkalicki, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesfachgruppenvorstandes (GBV), an der Spitze sowie bereits einen Konzernbetriebsrat. Angeregt durch das Seminar ging auch die ProSieben-Gruppe an die Stärkung heran. Der Betriebsrat des Senders mit dem Vorsitzenden Hubertus Steinacher (ebenfalls im GBV), der auch die Beschäftigten der im gleichen Unternehmen operierenden Sender Kabel1 und N 24 vertritt, gründete kürzlich mit den Mitarbeitervertretern des Sendezentrum München (SZM), das mit seinen rund 700 festen und freien Beschäftigten u. a. auch für die Sendeabwicklung von SAT.1 sorgt, sowie den Betriebsräten der für den N 24-Betrieb aufgekauften Nachrichtenagentur ddp/ADN einen Konzernbetriebsrat. Apropos N 24: Dieser Sender soll wohl komplett nach Berlin gehen, so dass ein Sozialplan fällig werden könnte. Grundsätzlich gilt es, im Rahmen der Sat.1-ProSieben-Fusion am Ball zu bleiben und entsprechend der am 22. August bei der Aktionärsversammlung vorzulegenden Gesellschaftsverträge das Mitspracherecht der Arbeitnehmer auszugestalten.
In einer weiteren Säule unter dem Kirch-Dach, dem Deutschen-SportFernsehen mit seinem rund 600 Mitarbeiter umfassenden Dienstleister Plaza Media, ist es nun ebenfalls soweit: Beim DSF hat gerade der neugewählte Betriebsrat beschlossen, eine verstärkte Kooperation mit der 100prozentigen Tochterfirma zu finden. Damit würde insbesondere die Information der Mitarbeitervertretung zu unternehmensübergreifenden Planungen erheblich verbessert.
Tarifflucht geplant?
Im Rahmen der Umstrukturierung der Senderfamilie (in allen Bereichen sind derzeit auch Unternehmensberatungen „zu Besuch“) sind Änderungen der Arbeitsbedingungen zu erwarten. Dabei gilt es, sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einzulassen. Aus diesem Grunde gab es auch bei dem Berliner Treffen einen intensiven Erfahrungsaustausch über die jeweiligen Arbeitsbedingungen. Ziel ist dabei natürlich auch, den bislang nur für SAT.1 und ProSieben geltenden Tarif TPR auf den ganzen Konzern als Mindestanforderung auszudehnen. Allerdings ist auch nicht auszuschließen, dass im Wege der Neugestaltung der ProSiebenSat.1 Media AG Tarifflucht durch die Hintertür begangen werden soll. Nachdem man sich in Berlin einig war, dass connexx.av noch weitere „Familientreffen“ arrangieren soll, gibt es jedenfalls genügend (Zünd-?) Stoff.