Mutterschiff mit trudelnden Beibooten

Outsourcing beim MDR nur nach außen ein Erfolg

Der Begriff „Vorreiter“ hat in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine ganz neue Bedeutung gewonnen: Udo Reiter macht es vor – das Outsourcing im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) war über die vergangenen Jahre damit beschäftigt, Deutschlands viertgrößte ARD-Anstalt zu einem „schlanken Mutterschiff mit einer Flotte von effizienten und beweglichen Schnellbooten“ umzumodeln

Nun ist es vollbracht – das Outsourcing ist abgeschlossen, richtige Schnellboote gibt es noch wenige, aber man gibt sich hoffnungsfroh.

Gerade eben wurde das neue MDR-Fernsehzentrum auf dem ehemaligen Schlachthofgelände im Leipziger Süden mit großem Tamtam eingeweiht. Der Neubau hat eine Etage weniger als geplant, weswegen ein Teil der Verwaltung im alten Plattenbau sitzen bleiben muss – Sparen geht schließlich vor.

Ein paar Wochen zuvor feierte man in der Media City in unmittelbarer Nachbarschaft Einzug. Vermarktet wird die Media City von der 100prozentigen MDR-Tochter DREFA, die einen guten Teil der Fläche selbst angemietet hat. Mehr als 70 Firmen haben bereits ihre Büros bezogen, nur noch wenige sind frei: In der Chefetage der DREFA malt man schon ein Tätigkeitsszenario: „Hier kann ein Produzent mit einem Drehbuch unterm Arm reinkommen und ein paar Monate später mit dem fertigen Film rauskommen – alles dazwischen machen wir und unsere Partnerfirmen.“ Das scheint sogar realistisch. Die erste Bilanz der DREFA-Holding, die inzwischen mit acht Tochterfirmen und vier Gemeinschaftsunternehmen dasteht, weist eifnen Überschuss der Mediengruppe von 6,7 Millionen DM aus. Die acht Unternehmen, an denen die DREFA Minderheitsbeteiligungen hält, sind dabei noch nicht einmal berücksichtigt.

Das Outsourcing ist also auf den ersten Blick ein Gewinn. Auch wenn man sowohl bei der Tochter als auch beim Mutterschiff unumwunden zugibt, dass die MDR-Beschäftigten, die jetzt mit Gestellungsverträgen bei den DREFA-Töchtern arbeiten, eine „Problemgruppe“ darstellen. Für die DREFA sind sie ein „abrechnungstechnisches Problem, das sich nur langfristig biologisch lösen wird“, so Geschäftsführer Uwe Geißler auf der Bilanzpressekonferenz. Dr. Karola Wille, Juristische Direktorin und Leiterin der Projektkoordinierungsgruppe Outsourcing beim MDR, bezeichnete in der internen Mitarbeiterzeitung „mittendrin“ die Personalgestellung als „eine ungewohnte und nicht einfache Konstruktion“. Im gleichen Atemzug jedoch beantwortete sie ihre Frage „Wo bleiben die Mitarbeiter in diesen Prozessen?“ gleich selbst: „Die gestellten Mitarbeiter haben gleiche Entwicklungschancen. Der soziale Besitzstand ist gewahrt.“ Wenigstens das! Ansonsten sind diese Menschen beim MDR angestellt, jedoch im Arbeitsalltag von ihm abgekoppelt. Sie arbeiten für eine DREFA-Tochter, doch die ist nicht zuständig für ihre arbeitsrechtlichen Belange. Offiziell spricht man bei der DREFA übrigens von 290 Gestellten, nach der letzten Information der MDR- Gesamtpersonalratsvorsitzenden Adelheid Scholz sind es 303.

Töchter noch schwach am Markt

Ein Beispiel aus der Media Mobil GmbH (MMG), zu der die vom MDR ausgelagerten großen und mittleren Hörfunkwagen und die TV-Übertragungswagen gehören: Dort klagen die gestellten MDR-Mitarbeiter derzeit über Unterbeschäftigung. Der Grund dafür sind die Auftragsrückgänge von der öffentlich-rechtlichen Übermutter; das von der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner prophezeite „Drittgeschäft“ läuft nicht an. Viele würden sich lieber heute als morgen aus der Gestellung verabschieden, doch die Konditionen und Sicherheiten bei den DREFA-Tochterfirmen lassen im Vergleich zu den MDR-Verträgen viel zu wünschen übrig. Das alles interessiert auf der Kommandobrücke des Mutterschiffs wenig. Hier stellt man fest: „Positiv wird auch zu Buche schlagen, dass der MDR für Leistungen, die das gestellte Personal erbringt, keine Mehrwertsteuer zahlen muss.“ Derzeit läuft die Prüfung des Landesrechnungshofes hinsichtlich der sogenannten Exklusivleistungen der MDR-Töchter an ihre öffentlich-rechtliche Mutter. Dazu gehören zum Beispiel die ausgelagerten Schalträume, für die ja wohl kein „Drittgeschäft“ zu erwarten ist. Ob der gehobene Zeigefinger des Rechnungshofes das Mutterschiff zwingen wird, hier die Rückholleine auszuwerfen?

Neubau Pannen in Serie

Die Hörfunkzentrale des MDR hatte man bereits Ende 1999 von Leipzig ins 30 Kilometer entfernte Halle verlegt. Seitdem pendelt der Großteil der Beschäftigten im Neubau-Carr_ täglich zwischen Leipzig und Halle, täglich gibt es Park-Ärger, weil eine komplette Tiefgaragen-Etage eingespart wurde, der Fußbodenbelag löst Gesundheitsbeschwerden aus, die Büroflächen sind so knapp bemessen, dass für die Freien teilweise kein Platz ist. Aber abgesehen davon ist alles in Butter: Der Umzug lief planmäßig, die Belegschaft ist unzufrieden, aber friedlich und die Freien trauen sich nicht, einen Sprecher zu wählen. Das interne Klima am Standort Erfurt dürfte ähnlich sein, denn auch dort fiel der Neubau zu klein aus, weil der Kinderkanal in den Planungen nicht berücksichtigt worden war

Alles in allem scheint verständlich, dass die Stimmung bei den insgesamt 2040 MDR-Beschäftigten nicht gerade euphorisch ist. An der letzten Mitarbeiterbefragung (durch Berger & Partner!) beteiligten sich nur ein Fünftel der Beschäftigten. Diese konstatieren u. a. mehrheitlich die gestiegene Unsicherheit, die sinkende Identifikation sowie fehlende Transparenz in Entscheidungsstrukturen und Defizite in der Information der Beschäftigten. Dabei wird Information beim Mutterschiff und seinen Schnellbooten großgeschrieben, gerade in Sachen Outsourcing: So bekamen die Belegschaften in einer Spezialausgabe von „mittendrin“ einen Überblick über die MDR-Töchter und Enkel geliefert damit jeder weiß, wo er hingehört?!

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