Reform statt Lex Springer

Warnungen vor ausländischen Heuschrecken fehl am Platze

Der Alptraum eines Medienverbunds aus Bild, BamS und Glotze ist vorbei. Anfang Februar gab Springer-Chef Mathias Döpfner seine Übernahmepläne für die ProSiebenSat.1 Media AG endgültig auf. Das wirtschaftliche Risiko eines Festhaltens an dem umstrittenen Pro­jekt sei zu hoch, so die dürre Begründung des Verlagshauses. Damit bleibt der deutschen Politik die Zerreißprobe um eine Lex Springer erspart.

Das ist gut so: Nicht nur die Glaubwürdigkeit Springers hätte gelitten. Schließlich hatte der Konzern selbst bei der geplatzten Übernahme des Berliner Verlags durch die Holtzbrinck-Gruppe die Auffassung vertreten, die Politik solle sich möglichst aus den Medien heraushalten. Eine von konservativer Seite angestrebte Ministererlaubnis für die Megafusion hätte mit Sicherheit heftige Flurschäden in Politik und Medien angerichtet.
Ein Lob gebührt den Wettbewerbs­hütern. Allen voran dem Bundeskartellamt um Ulf Böge, Der blieb konsequent bei seiner Linie, die Verstärkung einer markt­beherrschenden Stellung zu verhindern. Springer behält eine dominante Rolle bei der Boulevardpresse und im bundesweiten Anzeigengeschäft für Tageszeitungen. Auf die Verbindung von Print- und TV-Power muss er verzichten. Und Böge bleibt wachsam, wie die jüngst geäußerten Bedenken des Kartellamtes gegen eine Komplettübernahme von n-tv durch die RTL-Gruppe belegen.
Lob verdient auch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK). Mit der Entscheidung, das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht durch ein bundesweites Verlegerfernsehen zu verhindern, bewegte sie sich medienrechtlich auf der Höhe der Zeit. Zugleich gelang es ihr, das Image eines bloßen Feigenblattgremiums abzustreifen, auch wenn manche Modellüberlegungen für ein binnenplural ausgestaltetes Privat-TV ein wenig unrealistisch anmuteten.
Eine traurige Rolle übernahmen dagegen erneut die Landesmedienanstalten. Sie haben ihre staatsvertraglich verankerte Pflicht zur Wahrung der Medienvielfalt offenbar längst zugunsten tumber Standortverteidigung aufgegeben. Daher muss allen Versuchen von dieser Seite, die KEK zu entmachten, entschieden entgegen getreten werden.

Klare Regeln sind überfällig

Nach Auffassung von ver.di hat das Verfahren aber auch gezeigt, dass im Sys­tem der Medienkonzentrationskontrolle noch erheblicher Präzisierungsbedarf besteht. „Kriterien und Verfahren müssen transparenter gemacht werden – auf Länder – wie auf Bundesebene“, fordert ver.di Vize-Chef Frank Werneke. Überfällig sind klare, überprüfbare Regeln gegen cross­mediale Medienkonzentration. Nationale Töne und Warnungen vor ausländischen „Heuschrecken“ sind dagegen fehl am Platze.
Verlogen waren sie schon im Fall der gescheiterten Fusion Springer-ProSiebenSat.1. Hatte nicht ein internationales Finanzkonsortium um den US-Amerikaner Haim Saban die angeschlagene ProSieben Sat.1-Gruppe aus dem Schlammassel gezogen? Nachdem Stoibers Spezi Leo Kirch sein Imperium gründlich gegen die Wand gefahren hatte? Wem die eigene Interessenlage den Blick trübt, für den ist die Globalisierung des Wettbewerbs offenbar wünschenswert nur als Einbahnstraße. Dabei erzielen Bertelsmann, WAZ-Gruppe und selbst Springer den Großteil ihres Umsatzwachstums längst im Ausland.
Die Forderung, im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschlands einen starken deutschen Medienkonzern zu privi­legieren, geht folglich in die Irre. Dabei wirkt der leicht völkische Beigeschmack, den die Diktion eines Roland Koch („würde mich wohler fühlen, wenn wir nicht ausländische Kulturtraditionen übernehmen“) verströmt, eher komisch. Kaum anzunehmen, dass Springer bei geglückter Übernahme „Sex and the City“ und „Desperate Housewives“ durch „Heidi“ und „Kommissar Rex“ substituiert hätte.
Das Setzen auf die nationale Karte und das Streben nach Ausschluß internationaler Wettbewerber sind ebenso reaktionär wie weltfremd. Auch der Verweis auf die sich anbahnenden Grausamkeiten von Montgomery & Co. im Berliner Verlag hilft nicht weiter. Plattmacher und Renditejäger gibt es schließlich auch in der deutschen Medienszene.
Vollends daneben schließlich auch die Kassandrarufe gegen eine Berlusconisierung oder Murdochisierung der deutschen Medienlandschaft. In Italien war es gerade das Fehlen wirksamer medienrechtlicher Konzentrationsregeln, das den Aufstieg Berlusconis zum Dominator der elektronischen Medien jenseits der Alpen begünstigte. Insofern besteht kein Grund zur Panikmache nach dem Motto: Heuschrecken ante portas! Ob Goldman / Sachs / Apax, ob General Electric / NBC Uni­versal oder SBS / KKS / Permira – wer auch immer bei ProSieben Sat.1 zum Zuge kommt: ein Ausverkauf steht kaum zu befürchten.
Die entscheidende Lehre aus dem Scheitern von Springers Fernsehplänen ist daher eher die Einsicht in die Notwendigkeit einer Reform der nationalen Medienaufsicht und Konzentrationskontrolle. Einer Reform, die aufbaut auf bewährte Institutionen wie Kartellamt und KEK, die aber deren Instrumentarium präzisiert. Und die verhindert, dass deren Entscheidungen von Landesmedienanstalten oder Wirtschaftsministern je nach politischer Opportunität wieder aufgehoben werden können. Wenn dabei als Regulierungsziel am Ende auch noch die Sicherung publizistischer Qualitätsstandards heraus kommt, soll’s recht sein.

 

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