Schadensbegrenzung

Interessenausgleich und Sozialpläne bei M. DuMont Schauberg

Auf vier eng beschriebenen Seiten erläutert die Mediengruppe M. DuMont Schauberg (MDS), wo ab Februar die „neue organisatorische Heimat“ von Umgeschichteten und Ausgegründeten liegen soll. Beschäftigte in 13 Verlags- und Redaktionsbereichen in vier Städten erhielten seit Jahresbeginn Briefe zum Betriebsübergang. Die „Perspektive Wachstum“, Umschreibung für ein bislang beispielloses Umstrukturierungs- und Stellenabbauprogramm im Medienkonzern, schreitet voran.

Die Ansage „Not amused“ der Beschäftigten des Berliner Verlages bei den Aktionen während der Tarifrunde 2011 gilt bis heute. Foto: Christian v. Polentz
Die Ansage „Not amused“ der
Beschäftigten des Berliner Verlages
bei den Aktionen während der
Tarifrunde 2011 gilt bis heute.
Foto: Christian v. Polentz

Am Ende einer „digitaler Transformation“ sollen Renditen bis zu 20 Prozent winken. Akut dürfte man froh sein, wenn Ende 2015 eine schwarze Umsatz-Null erreicht wird. Dafür bleibt aktuell kein Stein auf dem anderen. Direkt betroffen sind Anzeigenservice und Verwaltung, Blattplaner, Controller, Buchhaltung und Finanzabteilungen, Redaktionsarchiv, die komplette Kölner Druckerei, die Redaktion des Berliner Kurier … Tarifbindung und betriebliche Interessenvertretung sind allerorten bedroht. In etlichen neuen Gesellschaften könnten wegen der Beschäftigtenzahlen „entweder keine oder nur Betriebsräte mit eingeschränkten Rechten“ gewählt werden. „Auch der Kündigungsschutz verschlechtert sich“, kritisiert die Berliner Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch. Im Kölner Mutterhaus, nun „regionales Medienhaus Rheinland“ genannt, sowie in den „Mediengruppen“ Mitteldeutsche Zeitung und Berliner Verlag geht es jetzt um Schadensbegrenzung. Bei der Hamburger Morgenpost hat sich der Konflikt besonders zugespitzt.

Hamburg:

„Die Belegschaft zeigt mit beeindruckender Entschlossenheit, dass sie die jetzt eingeleiteten Kündigungsverfahren nicht akzeptiert. Jeder Spaltungsversuch von oben hat die Solidarität mit den Betroffenen nur noch stärker werden lassen“, sagt ver.di-Fachbereichsleiter Martin Dieckmann. Die Hamburger Geschäftsführung hatte Verhandlungen darüber abgelehnt, die angedrohten sieben Kündigungen noch abzuwenden. Dazu liegen „kostenneutrale“ Vorschläge des Betriebsrates auf dem Tisch. Stattdessen kursieren Listen von „Low Performern“. Die Gewerkschaften DJV und ver.di unterbrachen daraufhin die Tarifverhandlungen um Sozialtarifvertrag und Altersteilzeitregelung und riefen für den 20. Februar erneut zum Warnstreik auf. Seither wurde weiter verhandelt. Nach Redaktionsschluss am 4. März mit dem Ergebnis: Für Beschäftigte des Sales-Service gab es „einvernehmliche Regelungen“, so dass „Freikündigungen“ hier vom Tisch seien. Ansonsten wurden Abfindungen und eine Härtefallregelung vereinbart. Ab 1. Mai können Beschäftigte für zwölf Monate in eine Transfergesellschaft wechseln. Die Gewerkschaften verhandeln weiter über einen Altersteilzeit-Tarifvertrag.

Köln: Am 29. Januar unterzeichneten Unternehmen und Betriebsrat für die Gesellschaften M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitungen und Media Media Vermarktung Rheinland jeweils Eckpunktepapiere, die zu einer Betriebsvereinbarung Interessenausgleich und Sozialplan ausformuliert werden. Man hat sich in Verhandlungen mit ver.di-Beteiligung auf Abfindungsformeln geeinigt, die für freiwillige Austritte, im Kündigungsfall oder beim Wechsel in eine für zwölf Monate ausgestattete Transfergesellschaft gelten. Außerdem gibt es ein Angebot zu Altersteilzeit oder Sabbaticals. Weitere vier DuMont-Servicegesellschaften, die Blattplanung GmbH und die gesamte Druckerei (DuMont Druck Köln) sollen diesen Vereinbarungen durch Unterschrift beitreten. Der Betriebsrat ist im Rahmen eines Gemeinschaftsbetriebes gewisse Zeit für Ausgegründete noch mit zuständig.

Halle/Saale:

Bei der Mitteldeutschen Zeitung waren Gewerkschaften in Verhandlungen um Interessenausgleich und Sozialplan nicht involviert, der Betriebsrat unterzeichnete am 30. Januar. Arbeitsplatzabbau soll durch Auslaufen befristeter Verträge, über Abfindungsangebote oder Wechsel in Teilzeit, aber auch durch Kündigungen erreicht werden. Im bestehenden Sozialplan sind Fortbildungsmaßnahmen bei Umsetzung auf andere Arbeitsplätze sowie Betriebszugehörigkeiten geregelt, was auch für aktuell Betroffene gelten sollen.

Berlin:

Der Berliner Kurier wurde zum Februar in eine kapitalschwache Berliner Kurier GmbH ausgelagert. Beschäftigte und Interessenvertretung kritisieren fehlende Begründung und mangelnde Information zu den Folgen. Sehr viele Beschäftigten – wie übrigens auch beim ausgegründeten Vertrieb – haben sich Widersprüche gegen den Betriebsübergang offengehalten. Redakteure fragen die Geschäftsführung etwa, warum Titelrechte nicht mit übergingen oder ob mit der vorgesehenen Finanzausstattung überhaupt eine ordentliche Zeitung produziert werden kann. Immerhin gelang es den Gewerkschaften vor Jahresende, die Tarifbindung für die Beschäftigten der neuen Gesellschaft durch die Übernahme des Firmentarifvertrags des Berliner Verlags zu sichern.
Offen ist dagegen die Tarifbindung für die neue BVZ Berliner Lesermarkt GmbH (vorher Marketing/ Vertrieb). Doch gab es bei den laufenden Tarifverhandlungen für den Berliner Verlag, die BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH, die DuMont Redaktionsgemeinschaft, die Vermarktung-GmbH Berlin Medien und die BVZ Anzeigenzeitungen GmbH in der Verhandlung am 17. Februar leichte Fortschritte. Die Gewerkschaften fordern die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Betriebs am Alexanderplatz sowie eine unternehmenseinheitliche Interessenvertretung. Auf einen detaillierten Vorschlag zum Abschluss eines Sozialtarifvertrages hat die Arbeitgeberseite nun schriftliche Antwort zugesagt. Über einen möglichen Altersteilzeit-Tarifvertrag wird weiter debattiert.
Für die Ausgliederung von 13 Beschäftigten aus der BZV Berlin Medien Vermarktung GmbH in den zentralen DuMont Media Service zum 1. Februar 2015 wurden Interessenausgleich und Sozialplan vereinbart.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Lokaljournalismus: Die Wüste droht

Noch sei es nicht so weit, aber von einer "Steppe" könne man durchaus schon sprechen, sagt Christian Wellbrock von der Hamburg Media School. Wellbrock ist Leiter von "Wüstenradar", einer Studie, die zum ersten Mal die bundesweite Verbreitung und zahlenmäßige Entwicklung von Lokalzeitungen in den letzten 30 Jahren unter die Lupe genommen hat. Sie erhebt, wie stark der Rückgang lokaler Medien inzwischen tatsächlich ist und warnt: In etlichen Regionen droht tatsächlich die Verbreitung von "Nachrichtenwüsten".
mehr »