taz: Kündigungen müssen vom Tisch

Gegen betriebsbedingte Kündigungen im Norden: ver.di-Protetstakion am 4. April vor der taz in Berlin.
Foto: Christian von Polentz

Drei betriebsbedingte Kündigungen in der Anzeigenabteilung taz Nord überschreiten für ver.di und viele in der taz-Belegschaft eine rote Linie. Im Zuge weiterer Digitalisierung von Produktionsabläufen hatte die Geschäftsführung den Vertriebsbeschäftigten aus Bremen und Hamburg Arbeiten mit Präsenzpflicht in Berlin angeboten und sie inzwischen betriebsbedingt gekündigt, statt ihnen Homeoffice von Hamburg oder Bremen aus zu ermöglichen. Am 4. April wurde der Unmut darüber vor dem Berliner taz-Gebäude öffentlich gemacht.

„Wir haben einen Konsens in der taz: Solidarität und Fairness. Vorstand und Geschäftsführung verlassen mit den 3 betriebsbedingten Kündigungen diesen Weg“, stand im gewerkschaftlichen Aufruf zu der Protestaktion in der Mittagspause. Alle taz-Beschäftigten wollten, dass die taz sich verändert und digitalisiert, hieß es weiter. Dies müsse aber sozialverträglich und fair ablaufen. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, müsse die Geschäftsführung den drei Beschäftigten der Anzeigenabteilung Nord einen neuen Arbeitsplatz zu fairen und machbaren Arbeitsbedingungen anbieten. Einen Umzug nach Berlin oder mehrmaliges Pendeln im Monat könnten sich „keine normalen taz-Beschäftigten“ leisten.

Die Kritik greift zudem tiefer: Seit zwei Jahren arbeiten bei der taz Redaktion und Verlag corona-bedingt weitgehend im Homeoffice und machen remote erfolgreich Zeitung. Die Geschäftsführung der taz Verlags- und Vertriebs GmbH rede Homeoffice und mobiles Arbeiten in einer aktuellen Stellungnahme jedoch schlecht und stelle so zwei Jahre erfolgreichen Zeitungsmachens infrage. „Was sind das denn für Signale und Vorzeichen, wenn wir erst richtig anfangen, die taz auf den Kopf zu stellen und zu digitalisieren?“, fragen ver.di-Aktive. Vor diesem Hintergrund will nun der Betriebsrat die Geschäftsführung zeitnah auffordern, über eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung zu verhandeln.

Bei der mittäglichen Protestaktion, zu der die übergroße Mehrheit aller im taz-Gebäude in der Friedrichstraße aktuell Tätigen nach draußen kam, erneuerte Betriebsratsvorsitzender Wolf Vetter die Forderungen. Er verlas auch Solidaritätserklärungen für die Gekündigten. Die drei Kolleg*innen der Anzeigenabteilung Nord hätten es trotz personeller Schwächung geschafft, „die Arbeit zwischen Bremen und Hamburg neu zu verteilen und zusammenzuführen, und nebenbei überregionale“ Vertriebsaufgaben zu übernehmen. Deshalb seien der Vorwurf, die Zusammenarbeit sei über die Distanz nicht erfolgreich gewesen, und die jetzige Kündigungen „ziemlich dreist“, schrieb der Betriebsrats Nord der taz. Solidarität bekunden auch die taz-Auslandskorrespondent*innen. Sie fordern die „Verantwortlichen in der taz dazu auf, eine für alle akzeptable Lösung für die drei MitarbeiterInnen“ zu finden.

„Ein guter Auftakt“ war die Protestkundgebung für Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer dju in ver.di Berlin-Brandenburg, der dazu eingeladen hatte. „Die Geschäftsführung muss akut handeln und die Kündigungen sofort zurücknehmen. Den drei Anzeigenleuten aus dem Norden – die übrigens alle um die 60 Jahre alt sind – muss ein ordentliches Angebot zur Weiterbeschäftigung vorgelegt werden“, so der Gewerkschafter.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

72 Angriffe auf die Pressefreiheit

Die aktuelle Ausgabe des Monitoring-Berichts von Media Freedom Rapid Response (MFRR) dokumentiert und analysiert die Verletzungen der Medienfreiheit, die sich in der ersten Jahreshälfte 2024 in Europa ereignet haben. In Bezug auf Deutschland wurden 72 Vorfälle registriert, von denen 116 Medienschaffende oder -einrichtungen betroffen waren. Der Bericht stellt eine neue Qualität von Protesten fest, in deren Kontext es auch zu Einschränkungen der Medienfreiheit kam.
mehr »

Ansätze der Wahlberichterstattung

Berichten über Landtags- oder Kommunalwahlen. Wie geht das? Im M – Medienpodcast mit Danilo Höpfner erklärt der Journalist Benjamin Denes, Geschäftsführer der Electronic Media School in Potsdam-Babelsberg, welchen Herausforderungen sich Journalist*innen im Zuge von Wahlberichterstattung ausgesetzt sehen und wie sie mit diesen fachlich genau umgehen können.
mehr »

Immerhin gibt es Presse

Der Iran gehört zu den repressivsten Ländern weltweit für Journalist*innen. Hunderte wurden strafverfolgt, inhaftiert oder hingerichtet. Medien unterliegen systematischer staatlicher Kontrolle, das Internet wird umfassend zensiert und überwacht. Dennoch wird viel über den Iran berichtet und viele Iraner*innen nutzen soziale Medien. Es gibt einen öffentlichen politischen Diskurs. Ein Gespräch mit dem Historiker Arash Azizi.
mehr »

Schon entdeckt? Gazer

„Viel Spaß beim Gaffen!“ wünscht das Redaktionsteam des Hamburger queerfeministischen Erotikmagazins seinen Leser*innen. Soeben ist die dritte Ausgabe erschienen. Es gibt Interviews mit Drag Queens und Erotikfotograf*innen, Comics und empowernde Fotostrecken, Ratgeber zu Selbstbefriedigung und toys zur Selbstbefriedigung. Das Magazin will informieren, aufklären, anregen und Lust machen. Besonders wichtig ist es den Herausgeber*innen, Raum für diverse Körper und Lebensentwürfe zu schaffen.
mehr »