Unklare Zukunft für „Hart aber fair“

hart aber fair - Louis Klamroth Moderator Louis Klamroth

WESTDEUTSCHER RUNDFUNK KÖLN hart aber fair - Louis Klamroth Moderator Louis Klamroth © WDR/Julia Sellmann

Die ARD will in den kommenden Wochen darüber entscheiden, ob die Talkshow „Hart aber fair“ im Ersten Programm über das Jahr 2024 hinaus fortgesetzt wird. „Die Quoten- und Abrufzahlen von ‘Hart aber fair’ werden als Basis für die Beratungen über die Zukunft der Sendung dienen“, erklärte die ARD-Programmdirektion auf Nachfrage. Ebenso würden „journalistische Kriterien wie programmstrategische Überlegungen berücksichtigt“. Die endgültige Entscheidung falle auf der nächsten Sitzung der Videoprogrammkonferenz der ARD. Wann diese Sitzung stattfindet, gab die Programmdirektion nicht bekannt.

Die letzte Ausgabe von „Hart aber fair“ vor der Sommerpause lief am 10. Juni. Dass in der ARD gerade jetzt eine Entscheidung über die Zukunft, der von Louis Klamroth moderierten Talkshow ansteht, hängt mit vertraglichen Regelungen zusammen. Seit Anfang 2024 läuft zwischen dem Westdeutschen Rundfunk (WDR), der für die Sendung federführend zuständig ist, und dem „Hart-aber-fair“-Produzenten Florida Factual ein Vertrag, der bis Ende 2025 gilt. Allerdings gibt es für den WDR die Option, die Zusammenarbeit bereits Ende 2024 vorzeitig zu beenden, wie bereits im Herbst 2023 berichtet wurde.

Die Ausstiegsoption ließe sich demnach anwenden, wenn „Hart aber fair“ bestimmte Ziele nicht erreicht. Vereinbart wurde, dass der durchschnittliche TV-Marktanteil des Formats in den ersten sechs Monaten dieses Jahres nicht niedriger ausfallen darf als im Vorjahreszeitraum. Zusätzlich muss die Sendung im ersten Halbjahr 2024 in der ARD-Mediathek im Schnitt 250.000 Abrufe pro Ausgabe erreichen. Dass eine solche Zielvorgabe zu den Online-Abrufen formuliert wurde, bestätigte nun die ARD-Programmdirektion. Louis Klamroth wollte sich zu den Beratungen über die Zukunft seiner Sendung nicht äußern.

Vorgaben für “ Hart aber fair“

Die erste Vorgabe hat „Hart aber fair“ nun erfüllt. Die 14 Ausgaben, die im ersten Halbjahr 2024 im Ersten montagabends ausgestrahlt wurden, kamen laut der ARD-Programmdirektion im Schnitt auf einen Marktanteil von 9 Prozent. Die durchschnittliche Zuschauerzahl lag bei 2,18 Millionen. Im Vorjahreszeitraum belief sich der Marktanteil von 19 gesendeten Ausgaben auf im Schnitt 8,5 Prozent (2,21 Millionen Zuschauer).

Ob auch die Vorgabe zu den Online-Abrufen erfüllt wurde, ist unklar. Dazu wollte sich die ARD-Programmdirektion nicht äußern. Sie wolle derzeit keine Abrufzahlen für die Sendung herausgeben. Die Online-Abrufe entwickelnden sich noch laufend. Man werde „keine vorläufigen Zahlen“ bekanntgeben, die „nicht als valide Entscheidungsgrundlage dienen können und nur zu Spekulationen über vermeintliche Tendenzen führen“, hieß es. Zuletzt waren Abrufzahlen für „Hart aber fair“ für den Zeitraum Januar bis März veröffentlicht worden. Demnach kam die Sendung in dieser Zeitspanne im Schnitt auf 205.000 Abrufe – deutlich weniger als die festgelegten 250.000.

Die Online-Abrufe kommen dabei vor allem über zwei Formate zustande. Seit Anfang 2024 gibt es neben den 75-minütigen Ausgaben von „Hart aber fair“ im Internet noch ein Extra-Format. Der kürzere „To-go“-Ableger der Sendung, der vor allem ein jüngeres Publikum erreichen soll, ist dienstags in der ARD-Mediathek verfügbar. In rund 25 Minuten fasst Louis Klamroth die wichtigsten Passagen aus der Talkshow vom Vorabend zusammen und kommentiert diese. Außerdem wurde fürs Netz noch ein „Europa-Spezial“ der Sendung zu „Rechtsruck und Populismus“ produziert.

Alternative Talkshow für die Primetime

Die Vorgabe, dass „Hart aber fair“ 250.000 Online-Abrufe im Schnitt erreichen muss, ist ein hochgestecktes Ziel. Schließlich bedeutet es, in etwa die bisherigen Abrufzahlen in der ARD-Mediathek zu verdoppeln. Falls es mit „Hart aber fair“ nicht weitergehen sollte, könnte es für die ARD eine Option sein, künftig die zweite vom WDR verantwortete Talkshow „Maischberger“ dreimal die Woche im Ersten auszustrahlen. Und zwar zusätzlich auch montags und nicht nur wie bisher dienstags und mittwochs. Dann gäbe es ein Pendant zur ZDF-Talksendung „Markus Lanz“, die dort dienstags bis donnerstags läuft.

Im April gab es bereits einen Testlauf. Drei „Maischberger“-Sendungen wurden montagabends nach den „Tagesthemen“ gesendet, als an diesen Tagen „Hart aber fair“ pausierte. Somit gab es drei Wochen mit je drei „Maischberger“-Ausgaben. Die ARD-Programmdirektion zog daraus eine positive Bilanz. Auch am Montagabend habe sich das Publikum an dem Format sehr interessiert gezeigt. Die Zuschauerzahlen seien montags sogar etwas höher gewesen als an den beiden anderen Sendetagen. Das habe auch mit dem insgesamt höheren TV-Konsum an Montagen zu tun. Beim Marktanteil sei kein signifikanter Unterschied erkennbar gewesen.

Die von Sandra Maischberger moderierte Sendung wollten an diesen drei Montagen im April zwischen 1,8 und knapp 2 Millionen Zuschauer sehen. Die Marktanteile schwankten zwischen elf und 13 Prozent. Die bisher 2024 ausgestrahlten „Maischberger“-Ausgaben kamen im Schnitt auf 1,4 Millionen Zuschauer und 11,7 Prozent Marktanteil.

Sandra Maischberger scheint jedenfalls nicht abgeneigt zu sein, künftig dreimal pro Woche auf dem Schirm zu sein: „Zwei Sendungen sind sehr gut. Wenn die ARD sich irgendwann einmal entscheiden sollte, dass es drei sein sollen, (…) kann ich mir das auf jeden Fall vorstellen“, sagte sie im Mai in einem Podcast-Interview mit dem „Bild“-Journalisten Paul Ronzheimer. Denn seien „gerade wirklich themenreiche Zeiten“.

 

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