VDZ-Präsident offeriert Wünsche an die Politik

„Print ist nicht alles. Aber ohne Print ist alles nichts. Und das heißt: Paid content!“ – Worte des neugewählten VDZ-Präsidenten Rudolf Thiemann auf dem „Publishers‘ Summit“ in Berlin. Der Kongress stand im Zeichen der Bemühungen, nach heftigen internen Querelen im Verband der Zeitschriftenverleger wieder in die medienpolitische Offensive zu gehen.

„Wir leben von der Geschlossenheit unserer Mitglieder, vom Vertrauen und dem Willen zur Zusammenarbeit und Solidarität“, appellierte Thiemann. Was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass mit Spiegel, Zeit und Gruner+Jahr drei der wichtigsten Publikumsverlage dem Verband nach wie vor die kalte Schulter zeigen. Alle drei hatten im Streit über die Nominierung von Thiemanns Vorgänger Stephan Holthoff-Pförtner  vor einem Jahr den VDZ verlassen. Ein im Grunde überflüssiges Manöver, zumal Kurzzeit-Präsident Holfhoff-Pförtner bereits im Sommer  in die nordrhein-westfälische Landesregierung wechselte.

In seiner Antrittsrede lobte Thiemann die Erleichterung verlagswirtschaftlicher Kooperationen durch die Novellierung des Kartellrechts. Auch das Eintreten der Bundesregierung in Brüssel für die reduzierte Mehrwertsteuer der digitalen Presse fand seinen Beifall. Auf der medienpolitischen Wunschliste des VDZ-Chefs steht noch mehr. „Die Anerkennung der Presseverleger als Inhaber eigener Rechte im Urheberrecht ist überfällig und im digitalen Zeitalter unverzichtbar“, konstatierte Thiemann. Die künftige Bundessregierung müsse das Verlegerrecht in Brüssel unterstützen und das deutsche Leistungsschutzrecht durchsetzbar ausgestalten.

Der VDZ-Mann zieht eine „Demarkationslinie“ zwischen europäischen Medienanbietern einerseits, Suchmaschinen und Megaplattformen wie Google & Co. andererseits. Schon heute zögen diese Unternehmen und ihre Töchter rund 75 Prozent der Werbegelder auf sich. Das Wachstum schöpften sie fast komplett ab. Was die Zukunft angeht, gab sich Thiemann eher pessimistisch: „Es zeichnet sich nicht ab, dass dieser Trend sich umkehren wird.“

Hart ins Gericht ging er in diesem Zusammenhang mit den aktuellen Vorschlägen zur europäischen E-Privacy-Verordnung. Diese seien „ein Schlag ins Gesicht der Verleger“, denn sie entzögen den Verlagsangeboten im Internet die rechtliche Grundlage für ihre Geschäftsmodelle und bedrohten die ohnehin schwierige Werbefinanzierung offener journalistischer Angebote. „Profitieren werden Internetbrowser, die als neue Gatekeeper in ihren Datenschutzmenüs darüber entscheiden, wer überhaupt noch Daten zu wirtschaftlichen Zwecken verarbeiten darf“, wetterte Thiemann.

Auch ein Seitenhieb gegen die öffentlich-rechtlichen Anstalten fehlte nicht. Die Länder müssten im Rundfunkstaatsvertrag sicherstellen, dass öffentlich-rechtliche Telemedien von der digitalen Presse unterscheidbar blieben. „Dazu muss das Verbote presseähnlicher Angebote effektiv ausgestaltet werden“, forderte Thiemann.

Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und Medien, warnte in ihrem Grußwort vor einer Deformation der politischen Kommunikation, vor dem Schüren von Misstrauen unter dem Schlagwort „Lügenpresse“. Dahinter stecke vielfach der Versuch, eine unabhängige Berichterstattung zu attackieren. Aber: „Journalistische Vielfalt ist besser als populistische Einfalt“, sagte Grütters. Auch die Staatsministerin kritisierte die aktuelle E-Privacy-Verordnung. Diese könne „nicht so bleiben wie im aktuellen Entwurf“. Grütters sprach sich zudem zugunsten europaweiter Transparenzvorschriften für die Algorithmen von Google und Facebook aus. „Datenhoheit und Klicklogik“ dürften nicht in „Deutungs- und Meinungshoheit“münden.

Nach einer vom VDZ in Auftrag gegebenen Allensbach-Studie ist die Bereitschaft der Internet-Nutzer, für journalistische  Angebote im Netz zu zahlen, nach wie vor vergleichsweise gering. Zwei Drittel der User, so berichtete Allensbach-Chefin Renate Köcher, wollen auch künftig lieber kostenlos lesen. Nur gut jeder Vierte der regelmäßigen Nutzer signalisierte Zahlungsbereitschaft. „Das Internet hat die meisten an Gratisangebote gewöhnt und das Gefühl für den Wert von qualifizierten Inhalten unterminiert“, bedauerte Köcher.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Warnstreik bei der Süddeutschen Zeitung

Für die zweite Tarifverhandlungsrunde am 25. Juli 2024 hatten die Verhandler*innen des Zeitungsverlegerverbandes BDZV der dju in ver.di ein Angebot zu Tariferhöhungen angekündigt. Gehalten haben sie das Versprechen nicht. Konkrete Zahlen zur Tariferhöhung blieb der BDZV schuldig. Stattdessen stellte er Gegenforderungen zum Nachteil der Zeitungsredakteur*innen. Heute streikten dagegen über 100 Beschäftigte der Süddeutschen Zeitung. In Nürnberg gab es eine Aktive Mittagspause vor dem Verlag Nürnberger Presse.
mehr »

Süddeutsche ohne Süddeutschland?

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) will sich aus der Regionalberichterstattung in den Landkreisen rund um München weitgehend zurückziehen. Am Mittwoch teilte die Chefredaktion der SZ zusammen mit der Ressortleitung den rund 60 Beschäftigten in einer außerordentlichen Konferenz mit, dass die Außenbüros in den Landkreisen aufgegeben werden und die Berichterstattung stark zurückgefahren wird. Dagegen wehrt sich die Gewerkschaft ver.di.
mehr »

Breiter Protest für Rundfunkfinanzierung

Anlässlich der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten (MPK) in Leipzig fordert ver.di die Fortführung des Reformdiskurses über die Zukunft öffentlich-rechtlicher Medienangebote und über die Strukturen der Rundfunkanstalten. Die notwendige Debatte darf die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten jedoch nicht daran hindern, ihren vom Bundesverfassungsgericht zuletzt im Jahr 2021 klargestellten Auftrag auszuführen: Sie müssen im Konsens die verfassungsmäßige Rundfunkfinanzierung freigeben.
mehr »

Games: Welcome to Planet B

Die Bürgermeisterin muss sich entscheiden: Soll zuerst ein Frühwarnsystem vor Springfluten eingerichtet oder neue Möglichkeiten zum Schutz vor Hitze geplant werden? Und sollen diese neuen Schutzmaßnahmen besonders günstig oder lieber besonders nachhaltig sein? Was wie Realpolitik klingt ist ein Computerspiel. Denn immer mehr Games setzten sich auch mit Umweltthemen auseinander.
mehr »