G + J auf unfairem Kurs im Umgang mit seiner Wirtschaftspresse
Bei der „Umstrukturierung“ seiner Wirtschaftspresse, sprich der Schließung der Standorte Köln (Capital, impulse) und München (Börse Online), der Kündigung aller Redakteure der drei Titel und der Gründung einer neuen, mit der Financial Times Deutschland (FTD) gemeinsamen Zentralredaktion in Hamburg zum 1. März, fährt Gruner+Jahr (G+J) weiterhin eine harte Linie und zeigt keine Kompromissbereitschaft. Die Verhandlungen über einen Sozialplan für die gekündigten Kölner Kolleginnen und Kollegen sind nach der siebten Verhandlungsrunde am 6. Februar gescheitert. Eine Einigungsstelle tagt erstmals am 10. März.
Am Anfang stand das Zitat des damaligen G+J-Zeitschriftenvorstandes Deutschland und ehemaligen FDP-Abgeordneten des schleswig-holsteinischen Landtags Bernd Buchholz: „Wenn Sie als Kapitän auf der Brücke stehen und eine Riesenwelle aufs Schiff zukommen sehen, dann müssen Sie den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseite stellen müssen.“ Damals begann das große Bibbern in den Redaktionen von G+J, denn mit „Zuckerbrot und Peitsche“, (M 11/2008) waren Sparmaßnahmen und Entlassungen angekündigt worden. Oder wie es Vorstandschef Bernd Kundrun feiner formulierte: Es werde „in den nächsten Wochen in all unseren Ländern unser Portfolio“ bereinigt. Kundrun bereinigte sich erst einmal selbst und schied zum Jahresende aus. Sein Nachfolger als oberster G+J-Chef wurde „Kapitän“ Buchholz. Dessen Einschnitte beim Portfolio: Das Ende für die Luxus-Postille Park Avenue, die russische Zeitschrift Life & Style und das Wochenmagazin Gala Niederlande. Platz auf dem Sonnendeck: 58 Stellen weniger in Verlag und Redaktion. Doch damit nicht genug. Bernd Buchholz legt bei den G+J-Wirtschaftsmedien mit einem deutschen Navigations-Clou nach: Die Wirtschaftstitel Capital, impulse, Börse Online und Financial Times Deutschland werden redaktionell in Hamburg gebündelt, die Standorte in Köln und München geschlossen, den dortigen 110 Beschäftigten betriebsbedingt gekündigt. Sie können sich, wenn sie denn wollen, auf 60 neue Stellen in Hamburg bewerben, die allerdings nicht tarifgebunden sind. Neueinstellungen, auch für altgediente Redaktionsmitglieder: fraglich. Buchholz über die Höhe des Einsparpotentials: „Es ist ein signifikanter siebenstelliger Betrag.“
Projekt Himmelfahrtskommando
Schon frühzeitig kritisierte ver.di die geplanten Stellenstreichungen. Der stellvertretende Vorsitzende Frank Werneke: „Bei solch einem Wirtschaftsjournalismus auf Sparflamme bleiben Unabhängigkeit von Unternehmens-PR, Präzision und kritische Recherche auf der Strecke. Wie mit den betroffenen Wirtschaftsjournalisten verfahren wird, lässt an den Unternehmensgrundsätzen von Gruner+Jahr zweifeln.“Auch die Betriebsräte aus Köln und München gingen auf die Barrikaden. In einem Brandbrief an Hartmut Ostrowski, den Vorstandsvorsitzenden beim Mehrheitsgesellschafter, beurteilen sie „das Projekt als Himmelfahrtskommando“, sprechen vom „wachsenden Dilettantismus der Verlagsführung“ und einer „verlegerischen Katastrophe“. Zusammenfassend sehen sie „die gesamte Wirtschaftsmedien-Gruppe von Gruner + Jahr in einer schwerwiegenden, existenzgefährdenden Krise.“
Doch Ostrowski wies ebenso kurz wie knapp jegliche Kritik zurück: Das von den Betriebsräten angegriffene Management habe sein Vertrauen, der eingeschlagene Weg sei ohne Alternative. Und sein Vorsitzender Bernd Buchholz ging noch einen Schritt weiter: „Die Qualität darf nicht als pauschales Totschlagargument dafür herhalten, dass nichts mehr geht.“
Aber so problemlos, wie Buchholz sich die Abwicklung der Redaktionen in Köln und München vorgestellt hatte, ging der Plan nicht über die Bühne. Er hatte nicht mit dem Widerstand der Belegschaft gerechnet. Zusammen mit den Betriebsräten probten die Redakteurinnen und Redakteure den Aufstand und forderten gerechte Abfindungsregelungen. Noch im vergangenen Herbst hatte der Verlag freiwillig Ausscheidenden ein großzügiges Angebot unterbreitet: Ein Bruttomonatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (begrenzt auf 18 Jahre), eine Einmalzahlung von 50.000 Euro und eine 1,5-fache Kündigungsfrist. Nun aber will G+J allen jetzt gekündigten Mitarbeitern der Wirtschaftsmedien nur noch 0,9 Bruttomonatsgehälter pro Jahr der Betriebszugehörigkeit (maximal 18 Jahre) zahlen. Und von einer Einmalzahlung ist keine Rede mehr.
Am Tag der 7. Verhandlungsrunde für einen Sozialplan begrüßten die Kölner von Capital und impulse die Geschäftsleitung mit Plakaten und Transparenten: „Wir sind dann mal weg…“ Dann verließen sie schweigend das Verlagsgebäude und begannen eine „kreative Frühstückspause“. Der Freitag war für sie gelaufen, und auch die gütlichen Verhandlungen endeten ergebnislos. Capital-Redakteurin und Betriebsrätin Ruth Bohnenkamp: „Wir wollen uns nicht abspeisen lassen. Es geht schon lange nicht mehr ums Geld, sondern um Gerechtigkeit.“ Auf einem anderen Protestschild hatte gestanden: „Wenn schon entsorgt, dann fair.“ Als „unfair“ beurteilt auch ver.di das Vorgehen des Zeitschriftenverlags. „Die Kolleginnen und Kollegen bei Capital und Impulse“, so Frank Werneke, „sind zu Recht verärgert und haben allen Grund, sich zu wehren. Dieses Vorgehen von Gruner+ Jahr/Bertelsmann ist absolut unwürdig und beschämend.“ Bei Redaktionsschluss dauerten die Verhandlungen zum Sozialplan für Börse Online in München noch an, aber auch hier ist wegen der gleichen Verhandlungsposition der Verlegerseite mit einem Scheitern zu rechnen. „Es herrscht Eiszeit“, so Thomas Thielemann vom Hamburger G+J-Betriebsrat.