Auch in der Zeitschriftenbranche herrscht der digitale Wandel. Während die klassischen Geschäftsfelder Anzeigen und Vertrieb schrumpfen, nimmt der Anteil der Digitalerlöse und des sonstigen Geschäfts am Umsatz rasant zu. Allen Unkenrufen zum Trotz werde in der Branche “immer noch Geld verdient“, bekräftigte Stephan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) bei der Jahres-Pressekonferenz in Berlin.
Die Innovationskraft der Branche sei ungebrochen, frohlockte Scherzer. Als Beleg führte er die Gesamtzahl von 1.625 Publikumszeitschriften an, die 2018 erschienen sei – immerhin ein Plus von 38 Prozent gegenüber 2001. Mit rund 20 Magazinen pro Einwohner habe Deutschland weltweit den stärksten Zeitschriftenmarkt. Neben dem Dauerbrenner Landzeitschriften boomen in jüngster Zeit vor allem Segmente wie Personality- oder Influencer-Magazine (Barbara, JWD, Boa), aber auch Titel der Bereiche „Good Living“: Gastronomieblätter oder Wohnzeitschriften sowie Lifestyliges. In einer hochdigitalen Welt, so Scherzer, seien die Leser auf der Suche nach einem „Anker“, nach Marken, die ihnen Orientierung lieferten. Auch in der Zeitschriftenbranche sei die Zeit der „großen Leuchttürme“ abgelaufen. Während selbst einstige Verlagsflaggschiffe wie Spiegel, Stern und Focus schwächeln, wachse die Bedeutung von Nischenproduktionen für spezielles Publikum.
20,6 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftete die Branche im vergangenen Jahr (2017: 14,8 Mrd.) Hinter dieser ungewöhnlich hohen Steigerungsrate steckt allerdings vor allem eine modifizierte Berechnungsmethode der Fachzeitschriftenverlage, in deren Folge mehr Titel mit ihren Umsätzen berücksichtigt werden. Nach einer verbandsinternen Umfrage rechnen die Verleger 2019 mit einem Wachstum des Digitalgeschäfts von knapp zehn Prozent. Die sonstigen Produkte – Content Marketing, Konferenzen, Messen, Seminare, etc. – sollen um etwa vier Prozent zulegen. Dagegen dürften die Umsätze in den Bereichen Anzeigen und Vertrieb mit einem Minus von 4,2 bzw. 3,5 Prozent weiter zurückgehen. Beim Digitalvertrieb wird mit einem Umsatzplus von 14,5 Prozent gerechnet. So hat der Umsatz mit E-paper in den letzten fünf Jahren um 135 Prozent zugelegt.
Auch künftig wollen viele Verlage mit Digitalinnovationen beim Publikum punkten. Fast jedes vierte deutsche Zeitschriftenhaus beabsichtigt, neue journalistische Produkte auf den Markt zu bringen. Nach wie vor liegt die größte „Herausforderung“ der Branche im Bereich Monetarisierung, also der Fahndung nach funktionierenden digitalen Geschäftsmodellen. Hoffnung schöpfen die Zeitschriftenverleger aus Ergebnissen einer Studie von Pricewaterhouse Coopers. Demnach nimmt die Bereitschaft beim Leser zu, für digitale Inhalte zu zahlen. Besonders aufgeschlossen seien die Digital Natives. So haben 39 Prozent der 18- bis 29-Jährigen bereits einmal für Online-Medien bezahlt. Über Streaming-Dienste wie Spotify oder Netflix seien diese User mittlerweile auch gewöhnt, mit digitalen Zahlungssystemen umzugehen.
Von der Politik erwarten die Zeitschriftenverleger eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. So forderte VDZ-Geschäftsführer Scherzer eine zügige Umsetzung des neuen europäischen Urheberrechts in der deutschen Rechtsprechung. Außerdem müsse die Politik sicherstellen, dass die Verlage mit der gegenwärtig debattierten E-Privacy-Richtlinie nicht schlechter gestellt würden als große US-Internetplattformen. Die aktuellen Entwürfe bedrohten mindestens 30 Prozent der Werbeeinnahmen journalistischer Internetangebot der Verlage. Zwecks Abbau von Wettbewerbsnachteilen müsse der reduzierte Mehrwertsteuersatz auch auf digitale Zeitschriften, Zeitungen und Bücher ausgedehnt werden. Zu in jüngster Zeit geforderten Subventionen im Zeitungsvertrieb äußerte sich Scherzer reserviert. Im Falle einer sogenannten „Infrastrukturförderung“ müssten allerdings Zeitungen und Zeitschriften aus Wettbewerbsgründen gleichgestellt werden. Bei den Zeitungsverlegern hatte sich BDZV-Präsident unlängst eindeutig gegen eine direkte staatliche Förderung von Presseprodukten positioniert. Döpfner: „Lieber Insolvenzen bei Zeitungen als der Verlust ihrer Unabhängigkeit durch Subventionen.“