Die Löschtaste im Aufwind

„Das Netz vergisst nie“, war gestern. Google einen Namen und finde ihn so zum Beispiel in einem Jahre alten M-Artikel! Die Person steht im damaligen Kontext kritisch da – zu Recht, wahrheitsgemäß berichtet. Aber ist das nach vielen Jahren noch relevant oder sogar schädlich für den Betroffenen? M musste bereits mehrfach auf solche Anfragen reagieren und befand sich bei der Suche nach einer Lösung in einer rechtlichen Grauzone zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit. Nicht zuletzt stand die Frage im Raum: Wie gehe ich mit dem Archiv um?


Das hat nun ein Ende! Der Europäische Gerichtshof (EuGH) fällte ein für das Web wegweisendes Urteil. Er stärkt das Recht auf Vergessen und untermauert damit das Grundrecht auf den Schutz der Privatsphäre. Führt die Trefferliste einer Suchmaschine auf heikle persönliche Daten, kann der Betroffene künftig „unter bestimmten Voraussetzungen die Entfernung des Links aus der Ergebnisliste erwirken“, entschieden die Richter. Geklagt hatte ein Spanier gegen den Google-Konzern. Über ihn war in der Zeitung La Vanguardia und online über die Zwangsversteigerung seines Hauses im Jahre 1998 geschrieben worden. Bis heute führt der gesuchte Name per Google ohne Umwege direkt zur damaligen Situation des Mannes. Die Zeitung ist jedoch nicht der Adressat für eine Löschung, zudem sie die „betreffenden Informationen rechtmäßig veröffentlicht“ habe. Google dagegen wurde vom EuGH als Datenverarbeiter klassifiziert, der „automatisch, kontinuierlich und systematisch im Internet veröffentlichte Daten aufspürt“, die Daten auslese, speichere und weitergebe. Damit trage der Suchmaschienenbetreiber die volle Verantwortung für Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte. Diese würden noch dadurch gesteigert, dass der Internetnutzer mit Hilfe der Ergebnisliste ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Person erstellen könne.

Der Gerichtshof fußte seine Entscheidung auf die 1995 erlassene EU-Richtlinie zum Datenschutz sowie auf die jüngst verabschiedeten Vorstellungen des Europäischen Parlaments für eine neue Datenschutzregelung, in denen erstmals auch auf das „Recht auf Vergessen“ hingewiesen wurde. Nun sind die Länder gefordert, endlich einen gemeinsamen europäischen Datenschutz auf den Weg zu bringen!

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Das Manifest für die Schublade

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.
mehr »

EU-Kommission geht gegen TikTok vor

Mit dem Digital Services Act (DSA), der nun in der gesamten EU gilt, werden vor allem die großen sozialen Netzwerke stärker als bislang reguliert. Zu diesen gehört auch TikTok. Die Plattform hat in der EU mittlerweile 135,9 Millionen monatlich aktive Nutzer*innen und ist vor allem bei Jugendlichen beliebt. Die EU-Kommission hat TikTok daher im April vergangenen Jahres als „sehr große Online-Plattform“ (Very Large Online Plattform, kurz: VLOP) eingestuft. In der Konsequenz muss die Plattform damit beginnen, eine Reihe von Vorgaben umzusetzen, unter anderem zum Schutz vor Minderjährigen.
mehr »

AfD im TV: Demokratie ist kein Boxring

Im Superwahljahr 2024 stellt sich den Medien verschärft die Frage, wie ein angemessener Umgang mit der AfD aussehen könnte. Sie einfach zu ignorieren scheidet als Strategie aus. Zum einen wäre eine solche Verweigerung weitgehend wirkungslos. Mit ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken hat sich die Partei längst eine Bühne geschaffen, von der sie ungefiltert ihr krudes völkisches Weltbild unter den Menschen verbreitet. Zum anderen würde diese Verweigerungshaltung den Informations- und Aufklärungsauftrag der Medien gegenüber einer Partei konterkarieren, die die Zerstörung der Demokratie anstrebt.
mehr »

Preis für respektloses Verhalten

Der seit Februar nicht mehr amtierende Produzent und Vorstandsvorsitzende der Constantin Film Martin Moszkowicz soll im Mai durch die Produktionsallianz und die Stadt Laupheim mit dem Carl Laemmle Preis 2024 für sein Lebenswerk geehrt werden. Empörend findet der Bundesfachausschuss Filmunion die Wahl dieses Preisträgers vor dem Hintergrund des aus einer Constantin Produktion heraus entstandenen „Schweiger-Skandals“ vor nicht mal einem Jahr.
mehr »