Meinung
Unter der Kategorie „Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten“ listet er eine Reihe von Medien auf, deren Berichte angeblich öfter von „Doppelgängern“ aufgegriffen werden, um die Reichweite einzelner Inhalte zu erhöhen. Im Bericht werden dann zum Beispiel die Wochenzeitung „der Freitag“ und die „Berliner Zeitung“ genannt, sogar der NDR taucht in diesem Kontext auf. Und zwar in einer Reihe mit rechten Seiten wie Compact online, Tichys Einblick und der Jungen Freiheit.
Nun gehen bekanntlich die Uhren in Bayern anders als in Restdeutschland. Aber auch die dort agierenden Beamte sollte schon mal etwas von Artikel 5 GG, dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit, gehört haben. Klar: Medien bewegen sich nicht im rechtsfreien Raum, können sich strafbar machen, etwa bei Verletzung von Persönlichkeitsrechen Einzelner, Aufrufen zu Gewalt oder Verharmlosung des Holocaust. Hier aber maßt sich eine Behörde an, in das Kerngeschäft von Medien einzugreifen und die alltägliche Berichterstattung – negativ – zu bewerten. Eine schlichte Kompetenzüberschreitung, die von den Betroffenen zu Recht als ruf- und potentiell geschäftsschädigend empfunden und zurückgewiesen wird. Wer schaltet schon gern Werbung in Medien, die im Ruf stehen, russische Narrative zu verbreiten?
„Wieso passt den Münchnern der freie Meinungsaustausch nicht?“ beschwert sich folgerichtig die Chefredaktion der Berliner Zeitung. Und argwöhnt, das Unterdrücken von Meinungen sei möglicherweise der geheime Wunsch jener Kritiker, die den Debattenpluralismus der Zeitung „diffamieren und ihr düstere Absichten andichten“. Als sei der Umstand, dass russische Akteure Teile der Berichterstattung aufgriffen und verbreiteten, ein Beleg dafür, „dass die Berliner Zeitung ‚anscheinend grundsätzlich‘ Nachrichten mit russischem Narrativ publiziert“. Was genauso absurd erscheine, wie Olaf Scholz das Bedienen von Kreml-Narrativen zu unterstellen, wenn er – wie soeben geschehen – zu Friedensverhandlungen aufrufe.
Die Forderung nach Frieden dürfte sicherlich vom Grundgesetz gedeckt sein, konstatiert auch die Freitag-Chefredaktion. Mit seinem Bericht verstoße der Verfassungsschutz daher ausgerechnet gegen eine der Normen, die es doch angeblich schützen soll: die Wahrnehmung der grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit.
Wie die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Sachen Compact-Magazin, belegt, gilt diese Meinungsfreiheit selbst für eher unappetitliche, rechtsextremistische Inhalte.
So gesehen ist die Diffamierungspraxis des bayerischen Verfassungsschutzes der eigentliche Skandal.
Update vom 13.09.2024: Verfassungsschutz ändert Bericht nach Protesten.