Es rettet uns kein höh’res Wesen

Julia Hoffmann, freie Journalistin Foto: privat

Meinung

Beschäftigte die ihren Arbeitgeber anzeigen wollen, gelten als Nestbeschmutzer*innen, als illoyal oder undankbar. Im schlimmsten Fall werden sie für die Veröffentlichung von Informationen sogar juristisch belangt, gemobbt oder verlieren ihren Job. Ein eigenständiges Whistleblower-Schutzgesetz, das Hinweisgeber*innen schützt und unterstützt, fehlt hierzulande bis heute.

Bei den Anzeigen sogenannter Whistleblower handelt es sich in den wenigsten Fällen um große Skandale oder wirklichen Geheimnisverrat. Meistens geht es um Steuervergehen, Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, Schmiergeldzahlungen, sexuelle Übergriffe aber auch andere Straftaten die von Arbeitnehmer*innen bei der Polizei angezeigt oder den Medien durchgestochen werden. Wenn rauskommt, wer die Whistleblower sind, gibt es selten eine Belohnung. Menschen die im Beruf den Mund aufmachen und die Sauereien ihrer Chefs nicht wortlos hinnehmen haben es nie leicht. Doch in Deutschland sind sie auch arbeitsrechtlich noch immer schutzlos.

Dagegen will die EU vorgehen. Die Grundlage für ein neues Gesetz, das Arbeitnehmer*innen in solchen Fällen vor Kündigung schützen soll, ist die EU Whistleblower Richtlinie. Die Richtlinie schafft Möglichkeiten, Repressionen des Arbeitgebers gegen Whistleblower abzuwehren. Sie soll ermöglichen, dass Skandale wie die „Panama-Papers“ künftig publiziert werden können, ohne dass die Hinweisgeber*innen fürchten müssen, wie Kriminelle behandelt zu werden.

Eigentlich sollte die Richtlinie bis Ende des Jahres in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Frist dafür läuft am 19. Dezember ab. Doch bei dem Vorhaben gibt es momentan noch nicht einmal eine Verständigung auf Regierungsebene. Zwar hatte Justizministerin Christiane Lambrecht (SPD) im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der hängt aber seitdem fest. Und auch ein halbes Jahr später liegt noch nicht einmal ein Kabinettsbeschluss vor. Insbesondere die Unionsparteien machen sich mal wieder Sorgen, dass das Arbeitsrecht der Wirtschaft schaden könnte und blockieren deshalb.

Der Entwurf sieht nämlich unter anderem vor, dass am Arbeitsplatz Meldestellen für Hinweise eingerichtet werden. Wer nach der Meldung eines Missstandes vorzeitig gekündigt, gemobbt oder eingeschüchtert wird, muss nur diese Eingabe vorlegen. Der Arbeitgeber müsste dann belegen, dass die Behandlung der oder des Angestellten nichts mit der Meldung von Missständen zu tun hatten. Der Versuch von CDU/CSU hier Wirtschaftsinteressen gegen Arbeitnehmerrechte auszuspielen ist so langweilig wie durchschaubar.

Es muss künftig genau diese Rechtssicherheit geben für alle Mutigen und Couragierten: Rechtsverletzungen dürfen nicht als Betriebsgeheimnisse geschützt werden. Denn Hinweisgeber*innen, die vom Arbeitgeber schikaniert werden, hilft Applaus wenig – ein starker Kündigungsschutz dagegen sehr. Eine Forderung, der am 23. Juni, dem World Whistleblower Day, vielfach Nachdruck verliehen wird.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Das Manifest für die Schublade

Schwein gehabt: Das „Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland“, (meinungsvielfalt.jetzt) wurde weder ein Fest für die Freunde einer völlig verstrahlten medienpolitischen Debatte, noch eines für die Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus dem konservativen, neoliberalen und rechts-außen Lager. Ein paar Aufmerksamkeitszeilen in den Medienspalten der Zeitungen und wenige Interviews im Radio – das war’s. Glücklicherweise ist das Manifest fast schon wieder in der Versenkung verschwunden. Dort gehören diese Halbwahrheiten und unausgegorenen Neustartvisionen für meinen Geschmack auch hin.
mehr »

EU-Kommission geht gegen TikTok vor

Mit dem Digital Services Act (DSA), der nun in der gesamten EU gilt, werden vor allem die großen sozialen Netzwerke stärker als bislang reguliert. Zu diesen gehört auch TikTok. Die Plattform hat in der EU mittlerweile 135,9 Millionen monatlich aktive Nutzer*innen und ist vor allem bei Jugendlichen beliebt. Die EU-Kommission hat TikTok daher im April vergangenen Jahres als „sehr große Online-Plattform“ (Very Large Online Plattform, kurz: VLOP) eingestuft. In der Konsequenz muss die Plattform damit beginnen, eine Reihe von Vorgaben umzusetzen, unter anderem zum Schutz vor Minderjährigen.
mehr »

AfD im TV: Demokratie ist kein Boxring

Im Superwahljahr 2024 stellt sich den Medien verschärft die Frage, wie ein angemessener Umgang mit der AfD aussehen könnte. Sie einfach zu ignorieren scheidet als Strategie aus. Zum einen wäre eine solche Verweigerung weitgehend wirkungslos. Mit ihrer Präsenz in den sozialen Netzwerken hat sich die Partei längst eine Bühne geschaffen, von der sie ungefiltert ihr krudes völkisches Weltbild unter den Menschen verbreitet. Zum anderen würde diese Verweigerungshaltung den Informations- und Aufklärungsauftrag der Medien gegenüber einer Partei konterkarieren, die die Zerstörung der Demokratie anstrebt.
mehr »

Preis für respektloses Verhalten

Der seit Februar nicht mehr amtierende Produzent und Vorstandsvorsitzende der Constantin Film Martin Moszkowicz soll im Mai durch die Produktionsallianz und die Stadt Laupheim mit dem Carl Laemmle Preis 2024 für sein Lebenswerk geehrt werden. Empörend findet der Bundesfachausschuss Filmunion die Wahl dieses Preisträgers vor dem Hintergrund des aus einer Constantin Produktion heraus entstandenen „Schweiger-Skandals“ vor nicht mal einem Jahr.
mehr »