Radikale Kürzung

Am 23. September hat der Bundestag die radikale Kürzung des Gründungszuschusses beschlossen. Die Streichung von weit über eine Milliarde Euro jährlich allein bei dieser Maßnahme der Arbeitsförderung ist nun gesetzlich umgesetzt und wird zum 1. November in Kraft treten.
Nachdem bereits der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales am 21. September der „Reform“ der Förderinstrumente zugestimmt hatte, war das Ergebnis vorhersehbar: Das entsprechende Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Alle Oppositionsparteien stimmten geschlossen dagegen.
Das heißt: Es werden künftig deutlich weniger Menschen Mittel der Arbeitsmarktförderung bekommen als heute und die radikalste Kürzung erfolgt beim Gründungszuschuss. Konkret gilt hier in Zukunft: Es wird keinen Rechtsanspruch auf den Zuschuss mehr geben. Dessen Vergabe liegt ab November im Ermessen der Arbeitsagenturen; der Zeitraum, in dem der Zuschuss in Höhe des bisherigen Arbeitslosengeldes gezahlt wird, beträgt zukünftig sechs statt bisher neun Monate; den Zuschuss bekommt künftig nur noch, wer noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld hat (bisher reichten 90 Tage).
Gegen die Kürzungen ausgerechnet bei diesem außerordentlich erfolgreichen Instrument der Arbeitsmarktförderung hatten sich im Vorfeld fast alle Arbeitsmarktexperten ausgesprochen. So auch eine Ende Juli erschienene Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (http://doku.iab.de/forschungsbericht/2011/fb0311.pdf) der Bundesanstalt für Arbeit. Protest und politischer Druck gegen das Maßnahmenpaket kam vor allem von der Gewerkschaft ver.di, die auf ihrem Bundeskongress ihre Position noch einmal in einer einstimmigen Resolution bekräftigte und alle Abgeordneten aufforderte, das Gesetz abzulehnen. Speziell gegen die Kürzungen der Gründungsförderung protestierten die Selbstständigen in ver.di unter anderem mit einer Kampagnenseite
Die Regierung blieb jedoch dabei, einigermaßen zynisch zu behaupten, mit dem Gesetz erhielten die Fallmanager den Entscheidungsspielraum, den sie bräuchten, um schneller und passgenauer zu helfen. Inzwischen sind Fälle bekannt geworden, wonach Arbeitsagenturen den Gründungszuschuss schon jetzt verweigern, obwohl das Gesetz derzeit noch einen Rechtsanspruch darauf garantiert. Deshalb: Wer sich demnächst selbstständig machen will, sollte sich zügig bei der Arbeitsagentur melden und den Antrag stellen.

www.mediafon.net

Weitere aktuelle Beiträge

Kriminalität nicht mit Migration verknüpfen

Kriminelle Migranten bedrohen die Sicherheit in Deutschland“ – dieses alte rechte Narrativ wird von der AfD neu belebt und verfestigt sich in der Mitte von Gesellschaft und Politik. Medien, die diese realitätsverzerrende Erzählung bedienen, weil sie meinen, die laute Minderheit repräsentiere ein öffentliches Interesse, spielen mit dem Feuer.
mehr »

Mit BigTech gegen Pressefreiheit

Der Vogel ist frei“ twitterte der US-Milliardär und Big Tech-Unternehmer Elon Musk am 28. Oktober 2022, dem Tag seiner Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, der damals noch den blauen Vogel als Logo hatte. Der reichste Mann der Welt wollte nach eigener Aussage den Dienst zu einer Plattform der absoluten Redefreiheit machen: „Freie Meinungsäußerung ist die Grundlage einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden“, hatte er zuvor erklärt.
mehr »

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »