Textabwurfstelle

Seit März können Verlage, freie Journalisten und Unternehmen auf „DieRedaktion“, dem neuen Online-Portal der Post AG, Texte anbieten und erwerben – mehr als 1.200 registrierte Nutzer meldete das Unternehmen Ende April.

Anders als bei com.box oder Spredder versucht hier ein Großunternehmen in Kooperation mit einem Großverlag aus vollen Festplatten Geld zu machen. 10.000 Artikel bietet der Axel-Springer-Verlag für den Anfang zum Verkauf an. Ziel ist es, bereits veröffentlichte Texte weiter zu verwerten, aber auch Autoren und Auftraggeber zusammenzuführen. Der Deutsche Journalisten-Verband hatte der Plattform bereits zum Start sein Gütesiegel gegeben. In einer Pressemitteilung zur Portaleröffnung hieß es: „Axel Springer AG, IDG Communications Media AG und der Deutsche Journalisten-Verband unterstützen DieRedaktion.de“.
Freischreiber e.V., der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, ist skeptisch, auch wenn das Angebot bei der Zweitverwertung hilfreich sein könnte. Das Portal wird sich nur über die Masse rechnen. Als Textabwurfstelle wird es dem Ansehen journalistischer Arbeit schaden. Sollten Regionalzeitungen aus dem Angebot ihre Seiten „füllen“, könnten sie damit die Vergütungsregeln für Tageszeitungsjournalisten weiter unterlaufen. Die Honorare sind nicht an die Auflagenhöhe des Mediums gebunden. Und für Urheberrechtsverletzungen hat die Post AG gleich zu Beginn die Verantwortung abgelehnt.
Vor allem aber vermischt das Portal auf dreiste Weise Journalismus und PR. Es macht daraus auch kein Geheimnis, sondern bezeichnet sich als „B2B-Plattform für Journalisten, Verlage, Corporate Publishing-Dienstleister sowie Unternehmen und Verbände“. Die Erfolgsgeschichten, welche „DieRedaktion“ in ihrem Newsletter erzählt, stammen denn auch aus der PR-Branche. Da suchte und fand, zum Beispiel, ein Marketingleiter im Holzhandel einen „Journalisten mit Holz-Know-how“. Aber wieso einen Journalisten? Schätzt die PR-Branche die eigene Zunft so gering, dass sie nicht von Textern oder PR-Autoren reden mag?
„DieRedaktion“ nennt sich „Journalismusbörse“, ist aber ein Marktplatz für Texte aller Art – als Qualifikationsnachweis für Autoren reicht, anstelle eines Presseausweises, die Empfehlung durch zwei Portal-Nutzer. Mit einer Redaktion hat „DieRedaktion“ sowieso nichts zu tun. Das Portal betreibt ausschließlich Online-Verwaltung und -vermarktung. Den Begriff Qualitätsjournalismus stellt es in eine Reihe mit „Premium Content“.
Journalismus – was war das noch mal?

Die Autorin ist Mitglied im Freischreiber e.V.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Mit Perspektiven gegen soziale Spaltung

Die Berichterstattung über den Nahostkrieg zwischen Staatsräson und Menschenrechten ist heikel, denn die Verengung des Diskurses begünstigt einen Vertrauensverlust der Medien und die soziale Spaltung in Deutschland. Beides wird durch den politischen Rechtsruck befeuert. Grund genug, den medialen Diskurs genauer unter die Lupe zu nehmen.
mehr »

Das „Compact“-Verbot wurde ausgesetzt

Das rechte Magazin „Compact“ darf vorerst weiter erscheinen. Nachdem das Bundesinnenministerium im Juni ein Verbot verfügt hatte, gab das Bundesverwaltungsgericht zwei Monate später einem Eilantrag des Unternehmens statt, das das Magazin herausgibt (BVerwG, Beschluss vom 14. August 2024 – BVerwG 6 VR 1.24). Dennoch ist der Beschluss kein Freifahrschein, denn das Gericht hat einem Verbot rechter Medien nicht grundsätzlich eine Absage erteilt.
mehr »

Pressefreiheit gegen rechts verteidigen

Die Wahlergebnisse der AfD in Brandenburg, Sachsen und vor allem in Thüringen sind für unsere offene, vielfältige und demokratische Gesellschaft eine Katastrophe. Noch ist unklar, wie sich das parlamentarische Erstarken der Rechtsextremisten und Faschisten konkret auf unser Zusammenleben auswirken wird. Absehbar ist aber schon jetzt, dass Medienschaffende und das Mediensystem insgesamt noch stärker unter Druck geraten werden.
mehr »

Die Schmuddel-Liste aus Bayern

Die bayerischen Verfassungsschützer haben Schreckliches entdeckt. In ihrem jüngsten Halbjahresbericht 2024 warten sie mit brandneuen Erkenntnissen zu russischen Desinformationskampagnen auf, unter anderem zu sogenannten Doppelgängerseiten. Das sind solche, die aussehen wie echte Nachrichtenportale, aber gefälschte Inhalte verbreiten. Der bayerische VS begnügt sich jedoch nicht mit Doppelgängern, sondern nimmt die originalen Inhalte deutscher Medien ins Visier. Unter der Kategorie „Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten“ listet er eine Reihe von Medien auf, deren Berichte angeblich öfter von „Doppelgängern“ aufgegriffen werden, um die Reichweite…
mehr »