Beispielloser Angriff auf Lokalredakteur

dju sieht Freiheit der Berichterstattung gefährdet

Mit Empörung und Bestürzung reagierte die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di auf die tätlichen und verbalen Angriffe auf einen Redakteur des „Gelnhäuser Tageblatts“.

Der Lokalredakteur Alexander Schopbach wurde in der Nacht zum 17. Januar in einer Gaststätte in Gelnhausen völlig unvermittelt von einem ihm bis dato unbekannten Mann tätlich angegriffen. Schopbach wurde nach eigener Darstellung dabei am Unterleib attackiert und unter anderem als „Presse-Arschloch“ und „Journalisten-Sau“ bezeichnet. Ihm sei die Brille aus dem Gesicht gerissen und zerbrochen worden. Die Schilderung des Redakteurs wird von mehreren Zeugen bestätigt, unter ihnen auch hochrangige Kommunalpolitiker aus Gelnhausen.

Alexander Schopbach, der sich passiv verhielt, erfuhr erst nach dem Vorfall, dass es sich bei dem Mann um den Zahnarzt Dr. Paul-Michael Dreßler handelte. Das Vorstandsmitglied des Gelnhäuser Aero-Clubs hatte sich über die Berichterstattung des „Gelnhäuser Tageblatts“ zu den umstrittenen Ausbauplänen für den Flugplatz des Clubs in Gelnhausen erregt.

Zunehmende Tendenz

Alexander Schopbach, der mehrere Tage arbeitsunfähig war, verzichtete auf eine Anzeige, nachdem Dreßler in den Tagen nach dem Vorfall zunächst zu einer Entschuldigung und zur Zahlung von Schmerzensgeld bereit war. Diese Zusage zog Dreßler allerdings kurze Zeit später zurück. In einem Schreiben seines Anwalts wurde dann plötzlich der Journalist als Urheber der körperlichen Auseinandersetzung bezeichnet. Auf Anfrage der dju wollte Dreßler keine Stellungnahme abgeben, auch sein Anwalt war für die dju nicht zu erreichen.

Der hessische Landesvorstand der dju sieht in dem Vorfall einen für Hessen bislang beispiellosen Angriff auf die Freiheit der Berichterstattung. „Die dju fordert von Dr. Dreßler eine unverzügliche Entschuldigung sowie die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes an Alexander Schopbach“, sagte Manfred Moos vom ver.di-Landesbezirk Hessen. Er warnt vor der zunehmenden Tendenz, die Berichterstattung zum Anlass für Attacken auf die Pressefreiheit zu nehmen. „Immer öfter werden die Überbringer von Nachrichten für tatsächliche oder angebliche Missstände verantwortlich gemacht“, erklärte Moos und nannte als Beispiel die Aufdeckung der „Bonusmeilen-Affäre“. Diese Haltung gefährde nicht nur die Funktion der Presse in einer Demokratie, sondern könne offenbar auch dazu führen, dass Journalisten um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten müssten.

Angriff auf freie Publizistik

Der Verband der Hessischen Zeitungsverleger schloss sich der Kritik der dju an. Körperliche Gewalt gegen Journalisten bei der Arbeit gebe es normalerweise nicht. „Ich rühme das bei jeder Gelegenheit. Um so wichtiger ist es, einen solchen Angriff zu geißeln und damit mögliche weitergehende Attacken bereits im Keime zu ersticken“, sagte Gebhardt Ohnesorge, Geschäftsführer des Verlegerverbandes der „Frankfurter Rundschau“ . Der Angriff auf einen Redakteur, der für eine freie Zeitung arbeitet, sei immer auch ein Angriff auf die freie Publizistik. „Der aktuelle Vorfall ist ein Unding. Ich hoffe auf eine behördliche Reaktion“, so Ohnesorge.

In einer offiziellen Stellungnahme distanzierte sich der Aero Club-Vorsitzende Hans-Joachim Legorjé von dem Vorfall; nach der Entschuldigung und der Zusage seines Vorstandskollegen, die Sache zu regeln, betrachte er den Vorgang als erledigt. Nach anwaltlichen Gesprächen beider Parteien hat sich Alexander Schopach mit einer außergerichtlichen Einigung einverstanden erklärt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Löschen nur bei Falschangaben

Suchmaschinen müssen fragwürdige Artikel nur dann löschen, wenn die Betroffenen Falschangaben belegen können. Dabei sind Google und Co. nicht verpflichtet, selbst in solchen Fällen zu ermitteln und von sich aus auf die Betroffenen zuzugehen. Mit diesem Urteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 23. Mai eine wichtige Entscheidung zum so genannten Recht auf Vergessenwerden gefällt. Wer sich verleumdet sieht, muss also selbst aktiv werden. 
mehr »

Gesetz zum Schutz von Whistleblowern verabschiedet

Nach dem Bundesstag hat heute auch der Bundesrat das neue Regelwerk zum Whistleblower-Schutz verabschiedet. Damit wurde endlich – nach anderthalbjähriger Verspätung – die Whistleblowing-Richtlinie der EU umgesetzt. Da dieser Schritt überfällig war, wird das sogenannte Hinweisgeberschutzgesetz zwar begrüßt, steht jedoch nach wie vor in der Kritik, da es keinen umfassenden Schutz für Whistleblower beinhaltet. Das Gesetz soll noch im Juni in Kraft treten.
mehr »

Gang nach Karlsruhe wegen Staatstrojanern

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die rechtliche Grundlage für den Einsatz sogenannter Staatstrojaner durch den Bundesnachrichtendienst (BND) eingelegt. Die Beschwerde richtet sich zudem gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, das am 25. Januar eine Klage von RSF in derselben Sache als unzulässig abgewiesen und bemängelt hatte, dass die Organisation ihre Betroffenheit nicht hinreichend nachgewiesen habe.
mehr »

Medien und Recht: Was sind Texte, Fotos und Videos eigentlich wert?

Welche Vergütung für ein Werk ist angemessen und wie hoch ist sie, wenn das Urheberrecht verletzt wurde? Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) soll das Einkommen von Kreativen sichern, indem es verhindert, dass Werke wie Texte, Fotos oder Videos ohne Erlaubnis verwendet werden. Denn bei geistigen Leistungen ist die Gefahr groß, dass sich andere einfach an ihnen bedienen und die Ur-heber*innen leer ausgehen. Aber selbst wenn eine Erlaubnis erteilt wurde, ein Werk zu nutzen, muss die Vergütung „angemessen“ sein. Ist dies nicht der Fall, können Urheber*innen verlangen, dass der Vertrag dahingehend geändert wird, dass sie eine angemessene Vergütung erhalten, selbst wenn im Vertrag etwas…
mehr »