Klarheit gefordert

Ein Gespenst geht um in deutschen Behördenstuben: Für die Medien ist es ein wichtiger Informant, der als Quelle geschützt werden soll, für die Obrigkeit ein Verräter, der aufgespürt und bestraft werden muss. Die unterschiedliche Betrachtung liegt in der Natur der Sache: Verwaltungen wollen ihre Interna unter Verschluss halten, Journalisten genau diese enthüllen, falls sie staatliches Fehlverhalten belegen.

Für das Spannungsverhältnis gibt es klare Spielregeln: Journalisten genießen Zeugnisverweigerungsrecht und können auch nicht von Gerichten gezwungen werden, Quellen und Informanten zu enttarnen. Wollen die Behörden ihre „Löcher“ stopfen, müssen sie das intern selbst regeln, aber keinesfalls durch Einschränkung der Pressefreiheit. Genau dies geschieht aber immer öfter! Der Trick: Gegen Journalisten wird wegen „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ ermittelt. Derzeit trifft´s drei Stern-Reporter und einen Redakteur der Financial Times Deutschland, die aus geheimen Unterlagen zum Fall des von der CIA verschleppten Deutsch-­Libanensen Khaled el Masri zitiert haben.
„Der Vorwurf der Beihilfe zum Geheimnisverrat“, kritisiert Renée Jacqueline Möhler, Sprecherin der dju in ver.di, „wird langsam zur Allzweckwaffe des Staates gegen unliebsame Nachforschungen und Veröffentlichungen“. Wenn der Staat „Quellen verschließen will, muss er sich dazu in seinen eigenen Reihen umsehen und dort disziplinarische Maßnahmen ergreifen. Der Quellen- und Informantenschutz, das Redaktionsgeheimnis ist für ihn tabu“. So hat es das Bundesverfassungsgericht schon vor über 40 Jahren im so genannten „Spiegel-Urteil“ gesehen. Klare Feststellung: Staatliche Aktionen wie die Durchsuchung von Redaktionsräumen dürfen nicht darauf abzielen, Informanten aufzudecken. Und 1979 hat der Gesetzgeber die Strafvorschrift 353c aufgehoben, die allein schon die Veröffentlichung des Dienstgeheimnisses durch einen Journalisten ahndete.
All dieses Handeln zur Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes kratzt die Ermittler offenbar nicht. Im Gegenteil: Sie sprechen von „Beihilfe zum Geheimnisverrat“ und agieren damit immer ungenierter in vermeintlichen Grauzonen. „Der Gesetzgeber ist nachdrücklich aufgefordert“, so die dju-Sprecherin Möhler, den „Straftatbestand klar zu stellen, damit der Missbrauch dieses Paragraphen gegen Journalisten beendet wird“. Die sind nämlich weder Gespensterjäger für deutsche Amtsstuben noch Beihelfer bei der Suche nach „Geheimnisverrätern“. Eine Klarstellung wird vom baldigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fall Cicero erwartet, in dem es ebenfalls um den Vorwurf der Beihilfe zum Geheimnisverrat und die Rechtmäßigkeit von Redaktionsdurchsuchungen vor diesem Hintergrund geht.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Neues Urteil gegen Kieler Nachrichten

Schlappe für den Verlag der Kieler Nachrichten: Das Landgericht Flensburg hat untersagt, dass der Verlag in Verträgen mit hauptberuflich freien Journalist*innen unzulässige Klauseln vereinbart. Erneut geklagt hatten der Deutsche Journalisten-Verband und die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di. Zukünftig darf die Kieler Zeitung Verlags- und Druckerei KG-GmbH & Co. die Klauseln nicht mehr nutzen, da sie unklar und unverständlich sind und die freien Mitarbeiter unangemessen benachteiligen.
mehr »

Die Schmuddel-Liste aus Bayern

Die bayerischen Verfassungsschützer haben Schreckliches entdeckt. In ihrem jüngsten Halbjahresbericht 2024 warten sie mit brandneuen Erkenntnissen zu russischen Desinformationskampagnen auf, unter anderem zu sogenannten Doppelgängerseiten. Das sind solche, die aussehen wie echte Nachrichtenportale, aber gefälschte Inhalte verbreiten. Der bayerische VS begnügt sich jedoch nicht mit Doppelgängern, sondern nimmt die originalen Inhalte deutscher Medien ins Visier. Unter der Kategorie „Webseiten, die Nachrichten passend zum russischen Narrativ verbreiten“ listet er eine Reihe von Medien auf, deren Berichte angeblich öfter von „Doppelgängern“ aufgegriffen werden, um die Reichweite…
mehr »

Niederlage für Google und Apple

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat zwei weitreichende Urteile gegen Tech-Riesen gefällt. Die Richter*innen bestätigten eine Geldbuße gegen Google von 2,4 Milliarden Euro. Zudem muss Apple 13 Milliarden Euro Steuern nachzahlen.
mehr »

Schlappe für Nancy Faeser

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat das vom Bundesinnenministerium (BMI) vor einem Monat exekutierte Verbot des rechtsextremistischen Magazins „Compact“ am 14. August im Eilverfahren ausgesetzt. Das BMI hatte sein Verbot damit begründet, dass die Compact Magazin GmbH ihre Medienerzeugnisse gezielt missbrauche, um verfassungsfeindliche Zielsetzungen reichweitenstark zu verbreiten.
mehr »