Stellen Sie sich vor, Sie berichten als Fotojounalist*in über eine Veranstaltung – und die Veranstalter*innen dürfen ihre Bilder kostenlos zu Werbezwecken nutzen. So sahen es die Bedingungen vor, die für Akkreditierungen zu Konzerten von Andreas Gabalier, Helene Fischer und Robbie Williams am Messegelände Riem in München galten.
„Der Veranstalter ist berechtigt, sämtliche in Folge dieser Anmeldung beim oben angeführten Event angefertigten Lichtbilder und Berichte unter Verwendung eines dementsprechenden Credits für diverse Marketingtätigkeiten auf zugehörigen Social-Media-Seiten, dieser Website und Printmedien etc. zu verwenden!“, heißt es auf der Website der Leutgeb Entertainment Group. Keine Zustimmung zur Bildnutzung – keine Berichterstattung. Im Übrigen: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Unternehmens schließen Bildaufnahmen bei Events für Besucher*innen sogar vollständig aus. Sie „sind nicht berechtigt, Foto, Film-, Video- oder sonstige Ton-/ Bildaufnahmen von Veranstaltungen zu machen“, heißt es da.
Wenn Journalist*innen über eine Veranstaltung berichten wollen, müssen sie sich an die Bedingungen der Veranstalter*innen halten. Diese haben das Hausrecht und können daher im Grundsatz vertragliche Vorgaben machen, wie sich Teilnehmende zu verhalten haben. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob Klauseln, mit denen den Veranstalter*innen weitreichende Nutzungsrechte eingeräumt werden, wirksam sind.
Fotografen unter Druck gesetzt
Bedenken bestehen vor dem Hintergrund, dass es sich bei solchen vorformulierten Vertragsbedingungen um AGB handelt. Ist die Übertragung von Nutzungsrechten in den Bedingungen „versteckt“, kann es eine überraschende Klausel sein, die nach § 305c Abs. 1 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist.
Aber selbst wenn Journalist*innen deutlich auf die Übertragung von Nutzungsrechten hingewiesen werden, bestehen Bedenken. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bedingungen unwirksam, wenn sie eine Seite „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Wenn aber die Berichterstattung über eine Veranstaltung nur möglich ist, indem Urheber*innen eine kommerzielle Verwertung ihrer Leistungen ohne Entgelt zustimmen, besteht eine gewisse Drucksituation, diese Bedingungen zu akzeptieren oder nicht zu berichten. Dazu kommen schwammige Formulierungen von Bedingungen wie „diverse Marketingtätigkeiten“ etc. Mit anderen Worten, die Nutzung ist praktisch beliebig möglich, wenn die nach §?13 Urheberrechtsgesetz (UrhG) ohnehin erforderliche Namensnennung erfolgt. Dabei muss die Nutzung nicht einmal im Kontext der Bewerbung des Konzerts stehen und darf zeitlich unbefristet erfolgen.
Mangelnde Wertschätzung
Sicherlich kann man die Zulassung zu der Veranstaltung, wenn sie kostenfrei erfolgt, als eine Art von Gegenleistung der Veranstalter*innen ansehen. Ob dies aber die Übertragung weitreichender Nutzungsrechte kompensiert, muss bezweifelt werden.
Letztlich sind es aber vor allem die Veranstalter*innen, die sich mit derartigen Bedingungen auf dünnes Eis begeben. Nutzen sie die Leistungen von Fotograf*innen und hält die Klausel einer gerichtlichen Nachprüfung nicht stand, sind sie nicht nur verpflichtet, die weitere Nutzung zu unterlassen, sondern machen sich schadensersatzpflichtig. Aber auch für den Fall, dass die Gerichte die Bedingungen für wirksam halten, sollten die Veranstalter*innen sich nicht allzu sicher fühlen. Denn das Urheberrecht lässt eine Übertragung von Nutzungsrechten nicht pauschal zu. Nach §?31 Abs. 5 UrhG gilt die sogenannte Zweckübertragungsregel. Diese besagt, dass sich die Nutzungsart, wenn nicht eine ausdrückliche Vereinbarung vorliegt, nach dem von beiden Seiten zugrunde gelegten Vertragszweck bestimmt. Im Zweifel verbleiben die Rechte bei den Urheber*innen.
Unternehmen, die sich allzu freizügig Nutzungsrechte einräumen lassen, ohne hierfür auch nur einen Cent zu zahlen, dokumentieren eine mangelnde Wertschätzung urheberrechtlicher Leistungen. Das Problem ist, dass Journalist*innen ihre Rechtsposition nur selten gerichtlich klären lassen (können). Denn es ist naheliegend, dass Unternehmen keine Akkreditierung
gegenüber Personen mehr erteilen, von denen sie verklagt werden. Es braucht daher weiter vor allem öffentlichen Druck, zum Beispiel der Gewerkschaften. Aber wer weiß, vielleicht beschäftigen sich die Gerichte ja in der Zukunft mit der einen oder anderen Klausel. Den Rechten von Urheber*innen würde dies sicherlich guttun.