Startbahn West: Polizei erteilt Platzverweise

Illegale „Startbahngegener/innendatei“ angelegt?

Nach zehnjähriger Pause muß die Polizei an der Frankfurter Startbahn West wieder regelmäßig ihren Dienst tun. Seit drei Monaten spazieren Startbahngegner an jedem ersten Monatssonntag in den Wald, um gegen die neuen Ausbaupläne des Frankfurter Flughafens zu protestieren. Grund genug für die Polizei, Präsenz zu zeigen und alte Fehler nicht zu wiederholen. In den 80er Jahren war es Polizei und Landesregierung, trotz Massenprozessen und Wasserwerfern, nicht gelungen, die Demonstrantinnen von der Startbahnmauer zu vertreiben. Diesmal soll eine Bewegung offensichtlich gar nicht erst entstehen.

Für den ersten Aprilsonntag ließ sich die Polizei etwas ganz Besonderes einfallen. Ordnungshüter winkten an zahlreichen Kontrollstellen um den Mönchsbruchwald willkürlich Pkws an den Straßenrand, darunter meine Begleiter und ich. Wie schon die Sonntage zuvor, wollte ich als Journalist die Ereignisse an der umstrittenen Betonpiste dokumentieren. Bereits vor einem Monat war ich in eine Kontrolle nach dem Sonntagsspaziergang geraten. Vermutlich deshalb teilte mir der diensthöchste Polizist am Kontrollpunkt als einzigem der Fahrzeugbesatzung mit, daß es mir verboten sei, an diesem Sonntag von 14.00 bis 18.00 Uhr einen bestimmten Bereich um die Startbahn West zu betreten. Zur besseren Orientierung händigte er mir einen fotokopierten Plan aus, auf dem der verbotene Bereich rot markiert war. Um den Platzverweis durchsetzen zu können, fertigte er persönlich ein Polaroid-Foto von mir an, das er nach eigenen Angaben an die Polizeikommandos vor Ort weitergab. Bei Zuwiderhandlung gegen den Platzverweis wurde mir eine 12stündige Inhaftierung angedroht.

Gründe für die Maßnahme nannten die Beamten, trotz intensivem Nachfragen, nicht. Ebensowenig nahmen sie meinen Widerspruch gegen die widerrechtliche erkennungsdienstliche Behandlung (Foto) und gegen den willkürlichen Platzverweis auf. Der Hinweis auf meine journalistische Tätigkeit wurde mit dem Verweis auf „Befehl von oben“ vom Tisch gewischt. Der leitende Beamte dazu: „Es spielt keine Rolle, warum sie hier sind. Sie haben jetzt einen Platzverweis, und damit basta!“.

Um die Pressefreiheit durchzusetzen, begab ich mich trotzdem in den „verbotenen Bereich“. Vor Ort stellte sich heraus, daß zahlreiche weitere Personen ebenfalls ein Platzverbot erhalten hatten. Die Polizeibeamten hatten auch bei Ihnen weder verbotene Gegenstände gefunden, noch Gründe für die Maßnahme genannt.

Es ist zu vermuten, daß die Polizei bei ihrer Selektion auf eine illegale „Demonstrantendatei“ von Flughafengegnerinnen und -gegnern zurückgriff, die derzeit angelegt wird. Diese scheint durch Fahrzeugkontrollen und Zivilpolizisten gewonnene Information zu enthalten; die angefertigten Polaroid-Fotos sind wohl zur Vervollständigung der Kartei gedacht.

In Anbetracht der Tatsache, daß hier eine Einschränkung der Freiheitsrechte und eine massive Beschränkung des Versammlungsrechts vorliegt, haben die Betroffenen eine gerichtliche Überprüfung des Platzverbotes eingeleitet. In meinem speziellen Fall hat sich außerdem die IG Medien eingeschaltet, um gegen die Behinderung der Presse zu protestieren.

Sollte sich die Polizeimaßnahme als rechtmäßig herausstellen, kann die Polizei zukünftig nach eigenem Ermessen, bestimmten Personen zu jeder Zeit für einen beliebigen Ort ohne Begründung einen Platzverweis erteilen. Das Presserecht läge dann im Ermessen der Exekutive.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

dju fordert Schutz für Medienschaffende

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordert nach dem erschreckend milden Urteil im Verfahren zum Angriff auf Journalist*innen in Dresden-Laubegast staatlich garantierten Schutz für Medienschaffende. Über zehn Männer hatten im Februar 2022 in Dresden-Laubegast am Rande einer Demonstration im verschwörungsideologischen Milieu sechs Journalist*innen und ihren Begleitschutz angegriffen.
mehr »

Medienkompetenz live und vor Ort

Daß Medienkompetenz nicht nur digital, sondern auch im real life vermittelt werden kann  zeigt ein Projekt aus Berlin. Durch aktive Medienarbeit möchte das Meko Neukölln Kinder und Jugendliche darin stärken, ihre Stimme zu erheben, sich einzubringen und an der Gesellschaft teilzuhaben. Die Angebote sollen die Teilnehmenden befähigen, sich selbst auszudrücken und ihre Sichtweisen und Erfahrungen zu teilen.
mehr »

Erziehung zur digitalen Mündigkeit

Wie kann man Kinder und Jugendliche bei der Social-Media-Nutzung vor Gefahren wie Cybergrooming oder -mobbing schützen, ohne ihnen Teilhabe- und Befähigungschancen in der digitalen Welt zu verbauen? Die aktuelle Debatte wird hitzig geführt. Antworten reichen von einem Verbot für Tiktok, Instagram und Co für unter 16-Jährige bis hin zur Stärkung von „digitaler Mündigkeit“ der User und rechtlicher Regulierung der Anbieter.
mehr »

EU ringt um digitale Regulierung

Trump droht mit Sanktionen. Denn einige US-amerikanische Online-Plattformen werden künftig etwas weniger Gewinn machen als bisher, wenn sie sich um Content-Moderation kümmern müssen. Schließlich will die EU Youtube, Instagram, X und andere verpflichten, illegale Inhalte von ihren Plattformen zu entfernen und ihre Funktionsweisen transparenter zu machen. Diese Eingriffe würden Sanktionen zufolge haben, verlautbarte der US-Präsident. Sanktionen als Preis dafür, die Orte gesellschaftlicher Auseinandersetzung weniger hasserfüllt zu gestalten?
mehr »