Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hinterlässt einen Sender in einer „sehr aufgewühlten Situation“. Der Verwaltungsrat räumte im brandenburgischen Landtag Fehler ein, der RBB-Rundfunkrat hofft nach Schlesingers Abberufung auf einen Neuanfang. Schlesinger selbst hingegen mangelt es nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden des Rundfunkrats an Schuldbewusstsein. Derweil wird bekannt, dass die Einkünfte der Intendantin und der Direktor*innen offenbar noch höher waren als bislang bekannt. Der Verwaltungsrat entschied am 22. August, Patricia Schlesinger fristlos zu entlassen.
Nach dem Rücktritt von Patricia Schlesinger kommen weitere Einzelheiten zu den Gehältern der RBB-Geschäftsleitung ans Licht. Diese sind offenbar deutlich höher, als bisher bekannt war. Wie „Business Insider“ berichtete, zahlte der RBB der ehemaligen Intendantin und ihren vier Direktor*innen mehr als 200.000 Euro an Prämienzahlungen im Jahr. Schlesinger allein soll laut dem Bericht im Jahr 2020 eine „Zielprämie“ in Höhe von mehr als 60.000 Euro bekommen haben.
Damit sind die Einkünfte deutlich höher als bislang vom RBB auch nach Schlesingers Rücktritt angegeben. Wie ein RBB-Rechercheteam erfahren haben will, hat der Sender einer Beratungsfirma eine fünfstellige Summe gezahlt, um das spezielle Bonussystem zu entwickeln.
Trotz der massiven und anhaltenden Vorwürfe scheint Patricia Schlesinger sich keiner Schuld bewusst zu sein – so zumindest die Einschätzung von Dieter Pienkny, stellvertretender Vorsitzender des RBB-Rundfunkrats. „Ich hatte das Gefühl, Frau Schlesinger befindet sich in einem Paralleluniversum“, sagte Pienkny am Dienstag im RBB-Inforadio über den Auftritt der Ex-Intendantin bei der Rundfunkratssitzung am Vortag. So habe Schlesinger alle Erfolge der vergangenen Jahre unter ihrer Führung aufgezählt. Zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen etwa mit Blick auf ihre eigene Gehaltserhöhung angesichts eines rigiden Sparkurses im Sender habe sie sich aber nicht geäußert.
Rundfunkrat will eigene Rolle kritisch hinterfragen
Der RBB-Rundfunkrat hatte am Montagabend Schlesinger mit sofortiger Wirkung von ihrem Amt abberufen. In geheimer Abstimmung hatten sich 22 von 23 anwesenden Mitgliedern des Gremiums für diesen Schritt ausgesprochen, ein Mitglied habe sich enthalten.
„Der Weg für einen Neuanfang im Sender ist jetzt frei“, sagte Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach. Sie betonte, die Gründe für die Abberufung Schlesingers würden auch eine sofortige Kündigung rechtfertigen. Diese kann aber nur der RBB-Verwaltungsrat aussprechen. In einer Pressemitteilung heißt es, der Rundfunkrat bestärke den Verwaltungsrat „in seiner entschlossenen Haltung zur Beendigung des Vertrages“ mit Schlesinger. Zugleich kündigte Kirchbach an, dass der Rundfunkrat „seine eigene Rolle und Arbeitsweise kritisch hinterfragen“ werde.
In rund zwei Wochen möchte das Gremium zu seiner nächsten Sondersitzung zusammenkommen. Dabei soll es auch um das Verfahren für die Wahl von Schlesingers Nachfolge gehen.
Als „alternativlos“ bezeichnete ver.di die Abberufung Schlesingers und begrüßte die Entscheidung. „Zu groß ist der politische Schaden, den die ehemalige Intendantin angerichtet hat“, sagte Andrea Kühnemann, stellvertretende Leiterin des ver.di-Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Mit Blick auf die anstehende Sitzung des RBB-Verwaltungsrats am 30. August, bei dem es dem Vernehmen nach auch um Vertragsmodalitäten gehen soll, sagte Kühnemann: „Es wäre allerdings nicht vermittelbar, wenn zum Beispiel die Zahlung von Abfindungen vereinbart würde. Wir erwarten, dass das offensichtliche Fehlverhalten der Intendantin auch entsprechende Konsequenzen hat.“
Es sei nun an der Zeit, dass sich die politisch Verantwortlichen in Berlin und Brandenburg mit der schwierigen Situation im RBB auseinandersetzen und die richtigen Schritte einleiten, etwa um die Arbeitsmöglichkeiten der Kontrollgremien zu verbessern.
Nur Eckdaten zu den Gehältern
Am Dienstag hat die amtierende RBB-Spitze im brandenburgischen Landtag Auskunft zu der aktuellen Situation des Senders gegeben. Die stellvertretende Vorsitzende des Kontrollgremiums, Dorette König, räumte Fehler ein. Im ehrenamtlichen Verwaltungsrat seien die Mitglieder jeweils für unterschiedliche Themenbereiche zuständig, so König. Das habe dazu geführt, dass Einzelne „sehr viele Freiheiten“ gehabt hätten. Nicht jeder Berichterstatter habe das Gremium hinreichend informiert. Es habe wohl zu viel Vertrauen untereinander geherrscht.
Der Vertrag mit Schlesinger sei vom damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf-Dieter Wolf direkt mit der Intendantin vereinbart worden, ebenso Zielvereinbarungen für variable Gehaltsbestandteile. Trotz Anforderung lägen die Zielvereinbarungen dem Verwaltungsrat noch immer nicht vor.
Auch hinsichtlich der Gehälter der Direktor*innen seien vom damaligen Verwaltungsratsvorsitzenden nur Eckdaten vorgelegt worden, sagte König. Details seien mit Verweis auf Datenschutz und Vertraulichkeit zurückgehalten worden. Die Gehaltserhöhung für Schlesinger auf mehr als 300.000 Euro sei zwar „kritisch diskutiert“, aber für sachgerecht befunden worden.
Dass die Kosten für das digitale Medienhaus in Berlin, dessen Planung laut RBB inzwischen ausgesetzt wurde, mittlerweile auf 185 Millionen Euro beziffert würden, sei dem Verwaltungsrat nicht bekannt gewesen, so König. Der geschäftsführende Intendant Hagen Brandstäter verteidigte die Pläne, betonte jedoch, dass ein kreditfinanziertes 185-Millionen-Euro-Projekt kaum zu stemmen wäre.
Zur Vertragsauflösung von Schlesinger sagte König, der Verwaltungsrat wolle sich „alle Möglichkeiten offenhalten“, auch eine fristlose Kündigung sei nicht ausgeschlossen. Details könne sie aus diesem Grund nicht nennen.
In der Belegschaft herrsche derzeit großes Misstrauen gegenüber Geschäftsleitung und Kontrollgremien, sagte die RBB-Personalratsvorsitzende Sabine Jauer: „Wir sind in einer schwierigen, sehr aufgewühlten Situation.“
Aktualisierung am 22. 8. 2022
Ex-Intendantin Patricia Schlesinger fristlos entlassen
Der Verwaltungsrat des RBB entschied am Montag, die massiv in die Kritik geratene und abberufene Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, fristlos zu entlassen. Die Mitteilung erfolgte durch die amtierende Verwaltungsratsvorsitzende des öffentlich-rechtlichen ARD-Senders, Dorette König, nach einer Sitzung des Rats in Berlin. Vor einer Woche war Schlesinger vom Rundfunkrat – dem zweiten Kontrollgremium – als Intendantin abberufen worden.