„Schluss mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist die zentrale Forderung der Freien in der ARD, bei der Deutschen Welle, im Deutschlandradio und im ZDF. Auf ihrem ersten Freienkongress beim RBB in Berlin Ende April kamen alle Fragen der Schlechterstellung gegenüber den Festen auf den Tisch: Immer mehr Tätigkeiten für das gleiche Geld, neue Berufsbilder im Kontext zur Weiterbildung, Tarifverträge, die Versorgung im Alter – im Fokus auch die Mitbestimmung von Freien in den Personalräten. Ein gelungener Auftakt, um die öffentlich-rechtlichen Freien „sichtbar zu machen“, so Christoph Reinhardt, einer der Mitinitiatoren des Treffens.
Werden Sender-Verantwortliche etwa gefragt: Sind Freie „Garanten der Rundfunkfreiheit oder billige Personalreserve?“, reagieren sie in der Regel ähnlich wie Claudia Nothelle, Programmdirektorin des RBB, in der so betitelten Eröffnungsdebatte auf dem ARD-Freienkongress. „Freie sind wesentlich und wichtig für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“ Sie seien die „tragenden Säulen des Programms“, betonte sie. In der Praxis kommt diese Wertschätzung für die Zehntausenden Freien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, davon – so hieß es – 18000 mit arbeitnehmerähnlichem Status, häufig nicht zum Tragen. Ausgemacht wurde, dass es viele Arbeiten im den öffentlich-rechtlichen Häusern gibt, die keine Freientätigkeiten sind. Knud Zilian vom DJV fand im Hessischen Rundfunk gar einen „freien“ Lageristen. Auch um ein fairer Arbeitgeber für alle Beschäftigten sein zu können, müsse der Rundfunk unabhängig und ausreichend finanziert sein, wandte sich Frank Werneke, stellverstretender ver.di-Vorsitzender, gegen eine Absenkung des Rundfunkbeitrags. Festanstellungen von Freien sollten möglich sein, ohne sich einklagen zu müssen, hob Werneke mit Blick auf das derzeit von der Bayerischen Staatsregierung geblockte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz hervor. Ein Knackpunkt in den Sendern ist die Mitbestimmung von Freien – derzeit aktuell bei der Neuregelung des Staatsvertrages für Deutschlandradio. Dazu gehöre das aktive und passive Wahlrecht für Freie in Interessenvertretungen, so Werneke. Stefan Gelbhaar, Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und Mitglied im RBB-Rundfunkrat, sieht die Politik in Bezug auf die Finanzierung des Rundfunks sensibilisiert – eher gegen die Absenkung des Beitrags. Er warb für Transparenz: Die Sender sollten selbst mehr aufzeigen, was viele Produktionen kosten. Es gelte immer mehr Freienvertretungen zu schaffen, die Möglichkeit dafür sei wenigstens staatsvertraglich (in vielen Ländern ) inzwischen geregelt, so Gelbhaar. „Wir sind die Garanten“, zeigte sich Kerstin Schweighöfer, freie Journalistin und Vorsitzende von weltreporter.net, überzeugt. Jedoch werde von uns „Fallschirmjournalisten“ maximales Output erwartet, aber für die Mehrarbeit letztlich weniger Geld gezahlt. Das gelte auch für die ARD-weiten Übernahmen von Autorenbeiträgen.
Unterschiedliche Honorare und Bedingungen
Die Schnittstellen der Arbeit freier Mitarbeiter_innen in den Sendern sind groß, dennoch gibt es sehr unterschiedliche Regelungen und praktische Auslegungen innerhalb der ARD. Freie erhalten 20 Prozent weniger Geld als Feste, hätten keinen Kündigungsschutz und im Krankheitsfall erhalten sie nicht sofort eine Honorarfortzahlung, wurde beispielsweise aus dem RBB berichtet. Bestandsschutz – etwa nach 15 Jahren – gibt es in einigen Sendern. Er ist jedoch jeweils sehr unterschiedlich ausgestaltet. Mitunter werden Sendungen redaktionell fast nur mit Freien gefahren, allein der Chef vom Dienst ist ein Fester, kam es aus dem RBB. Lange Sommer-Sendepausen müssten ohne Ausgleich überbrückt werden.
Unterschiedliche Honorare für einzelne Sendeformate wurden unter anderem im Panel „Neue Technik, neue Arbeit“ im Zusammenhang mit Automatisierung, Arbeitsverdichtung und Personalabbau diskutiert. Dagmar Menzel, Freiensprecherin bei der Deutschen Welle, beschrieb, wie der Arbeitsumfang bei einem Studiobeleuchter wächst und sich das zu bewältigende Sendevolumen verdoppelt. Um 50 Prozent ist damit das Arbeitspensum an einem Sendetag gestiegen, das Honorar innerhalb von 14 Jahren aber nur um rund 29 Prozent. Die Videojournalist_innen bei der Deutschen Welle sind heute nicht nur Autor/Rechercheurin, sondern auch Kamera-Operator, Tontechnikerin, Beleuchter und Cutterin. Das gezahlte Geld trägt dieser Tätigkeitserweiterung und dem veränderten Berufsbild kaum Rechnung. In anderen Sendern wird vieles davon ohnehin als selbstverständlich hingenommen. Die Teilnehmer_innen des Panels verabredeten, in ihren Sendeanstalten Beispiele „multipler“ Berufsbilder – ähnlich wie die Beispiele aus der Deutschen Welle – nach Aufgaben und Zeit zu erfassen und auszutauschen.
Freie gleichberechtigt in die Personalräte
Freie gleichberechtigt in der Interessenvertretung! Keine Frage, sondern ein Muss, so ein Fazit des Kongresses. Allein im Personalrat könnte alles zwischen Festen und Freien kommuniziert, Probleme transportiert und Lösungen gefunden werden, so Veronika Mirschel, Referatsleiterin Selbstständige bei ver.di. Bei einigen Sendern ist es bis dahin jedoch noch ein langer Weg. Etwa im CSU-regierten Bundesland Bayern. Mangels anderer – etwa gesetzlich legitimierter Möglichkeiten – agiert hier seit 8 Jahren der „Freienvertretung im Bayerischen Rundfunk e.V.“ Und er mache eine gute Arbeit, so Friedrich Schloffer vom Verein. Man mische sich ein und werde auch gehört. Wann und zu welchen Fragen sei jedoch vom Wohlwollen der Intendanz abhängig. Beim RBB liegt Einiges bei der Freienvertretung im politisch Argen. Ja, man habe es „verbockt“, räumte dann auch SPD-Mann Frank Zimmermann in der Podiumsdiskussion zum Thema ein. Gemeint ist, dass die Länderregierungen Berlin und Brandenburg, es lediglich schafften, eine Krücke für die Freienvertretung im RBB im Rundfunkstaatsvertrag zu regeln. Danach wird die Intendanz verpflichtet, in einem Statut – nach ihrer Fasson – Regeln für eine Freienvertretung zu fixieren. Von gleichen Rechten eines Personalrates ist das weit entfernt. Ganz anders bei Radio Bremen, wo die Mehrheit im Personalrat Freie sind. Oder auch beim WDR, wo von 23 Freien immerhin fünf Freie im Gremium vertreten sind. 2006 haben sich „Freie im Norden“ gegründet, als es um eine Reihe von Kolleg_innen beim NDR ging, die nicht mehr weiter beschäftigt werden sollten. Die Interessenvertretung organisiert Freientreffen und hält den Kontakt zu den Freien in dem Vier-Länder-Sender, wo sie auch gehört und zu Gesprächen eingeladen wird, berichtete eine der Aktiven aus Hamburg. Vom Kongress werde sie die vielen Erfahrungen und die Impulse für ihre bisher ausschließlich ehrenamtliche Arbeit mitnehmen.
In einer Resolution, die sich an die Intendantinnen und Intendanten, an die Rundfunkräte und die Parlamente in Bund und Ländern richtet, sind alle Prämissen für eine Gleichstellung der Freien mit den Festen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufgelistet. Auf dem nächsten ARD-Freienkongress im kommenden Jahr geht es dann weiter!