Crossmedialer Tischreporter

Pilot für drei Jahre beim WDR tarifiert – weitere Tätigkeiten im Blick

Weit über fünf Jahren verhandeln die Gewerkschaften mit dem WDR über crossmediale Honorare. Der Sender wollte wegen angeblicher Synergien bei der Recherche zu einem Thema auf mehreren Ausspielwegen hohe Abschläge machen. Das hat die Verhandlungen zunächst einmal ins Off gebracht. Inzwischen wurde ein „Crossmedialer Tischreporter“ als Pilot für drei Jahre tarifiert.

Mit einem sogenannten Stufenmodell wollte der WDR für den ersten Beitrag zu einem Thema 100 Prozent des Honorars bezahlen, beim zweiten Beitrag zum selben Thema nur noch 50 Prozent und beim dritten Beitrag sogar nur noch 30 Prozent. Die Gewerkschaften haben die Gespräche dazu nach geraumer Zeit aufgekündigt, denn so hohe Abschläge hielten sie für nicht gerechtfertigt. Zugegeben gibt es Synergien, wenn man mehrere Beiträge zu einem Thema macht. Aber die Recherche für einen Fernseh-Beitrag ist eine vollkommen andere, als die für einen Hörfunk-Beitrag.

Der WDR hat daraufhin sein Stufenmodell einseitig eingeführt. Das wiederum hat den Personalrat auf den Plan gerufen, der beim WDR auch für die Einhaltung der Tarifverträge von Freien zuständig ist. Nach einigem Hin und Her haben sich Gewerkschaften und WDR dann zu einer zweitägigen Klausur getroffen. Herausgekommen ist ein „Letter of Intent“. Darin sagt der Sender zu, die einseitige Honorierungs-Praxis in Zukunft zu unterlassen. Als zweiten Schritt kam dann die Tarifierung des „Crossmedialer Tischreporter“ – ein Pilotprojekt für drei Jahre. Nach dieser Zeit kann er ohne Nachwirkung wieder abgeschafft werden.

Die Tischreporter*in geht nicht raus, sondern erledigt vom Schreibtisch aus Recherchen, schreibt Meldungen, besorgt Material, organisiert Gespräche mit Kolleg*innen oder Expert*innen … – für alle drei Ausspielwege. Die Beauftragung kann sowohl monothematisch als auch multithematisch erfolgen und muss im Vorfeld klar abgesprochen sein. Die Tischreporter*in kann sowohl tagesaktuell als auch für lang-fristige Projekte eingesetzt werden. Sie hat eine acht Stundenschicht, danach gibt es Zuschläge in Höhe von 12,5 Prozent pro angefangene Stunde.

Die Tätigkeiten sind genau definiert und teilen sich in drei unterschiedliche Anforderungs-Pakete auf. Für das erste gibt es 350 Euro pro Tag, für das zweite 450 Euro und 550 Euro für das dritte Paket. Das Schöne an diesen – im ARD-Vergleich – relativ hohen Effektiv-honoraren ist: Die linearen Erhöhungen der Ver-gütungsverhandlungen kommen immer oben drauf – für den WDR leider keine Selbstverständlichkeit. Mit dem einmaligen Honorar (E-Verträge) sind allerdings alle Folge-Vergütungen abgegolten.

Weil absehbar ist, dass die drei Anforderungs-Stufen mit den Etat-Verantwortlichen in den Redaktionen auch zu Diskussionen und Streitigkeiten führen werden, gibt es eine paritätisch besetzte Clearing-Stelle, die dann einspringt und versucht, die unterschied-lichen Positionen zu klären. Der Pilot wird zudem evaluiert.

Das wurde auch bei dem anderen tarifierten Crossmedia-Piloten des WDR im Studio Wuppertal gemacht. Diesen Piloten gibt es bereits seit über drei Jahren. Er ist rein auf die nachrichtliche Berichterstattung beschränkt. Ursprünglich haben mal drei Freie pro Tag so gearbeitet, heute ist es nur noch einer. Bezahlt wird nach einem ziemlich komplizierten, dafür aber sehr gerechten System, bei dem es für jede Tätigkeit eine bestimmte Anzahl an „Crossi-Punkten“ gibt. Das vorläufige Ergebnis der Evaluation lautet: Solche Cross-Media-Schichten bedeuten wesentlich mehr Stress für die Freien. Allerdings bedeutet es für Freie, die zuvor nur Hörfunk gemacht haben, auch mehr Geld. Denn im Rahmen der crossmedialen Tätigkeit machen sie dann auch Nachrichten-Filme, die höher honoriert werden.

Was den Verhandlungsparteien jetzt noch bevor steht, ist die Tarifierung einer Cross-Media-Reporter*in, die auch rausgeht. Denn der WDR hat die Ressorts Wissenschaft, Wirtschaft und Sport zu Crossmedia-Leuchttürmen erklärt. Das heißt ganz praktisch: Gerade ziehen die Redaktionen aus diesen Bereichen zusammen, um besser medienübergreifend arbeiten zu können. In der Konsequenz heißt das, dass die Redaktionen natürlich Freie auch entsprechend beauftragen und honorieren wollen. Doch anders als bei der Tisch-reporter*in, die für freie Autoren*innen eigentlich keine direkte Konkurrenz bedeutet, ist die Cross-media-Reporter*in für die Freien Mitarbeiter*innen in der Region durchaus eine neue Konkurrenz. Aber vielleicht gehen dafür ja noch einmal fünf Jahre ins Land.

Die Autorin ist Freie im WDR und Mitglied im Personalrat

Mehr Infos über die Aktivitäten des ver.di-Senderverbands WDR unter: https://wdr.verdi.de

Unterlagen zu den Crossmedia-Verhandlungen: https://tinyurl.com/y4v52zmn

 

 

 

 

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