Änderungen und Zukunftsprobleme bei der journalistischen Altersversorgung für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen und Zeitschriften
Die erste Mai-Woche war eine gute Woche für die tarifliche Altersversorgung für RedakteurInnen an Zeitschriften. Nach über 31/2 Jahren Verhandlungen ist es gelungen, den Manteltarifvertrag, aber auch den Tarifvertrag über die Altersversorgung für die RedakteurInnen an Zeitschriften langfristig zu sichern. Der tarifliche Standard ist der gleiche wie bei den Tageszeitungs-KollegInnen: Ab 1. Januar 1999 wird der Verleger 5 Prozent des Gehaltes bis zur Bemessungsgrenze und die Redakteurin/der Redakteur 2,5 Prozent des Gehaltes in die obligatorische Lebensversicherung beim Versorgungswerk der Presse einzahlen.
Tarifverträge über die Altersversorgung für Redakteure und Redakteurinnen an Tageszeitungen und Zeitschriften in voller Höhe gesichert
Selbstverständlich ist dies nicht. Es ist das Ergebnis langer und zäher Verhandlungen und erstmals auch in der Geschichte des Versorgungswerks der Presse hat ein Geschäftsführer dieses Unternehmens durch seine Unachtsamkeit oder Parteilichkeit diesen Abschluß in Frage gestellt: Der Geschäftsführer des Versorgungswerks der Presse, Dr. Falk, hat die Verlegerseite während der Tarifverhandlungen auf Anfrage mit Informationen versorgt, die in etwa darauf hinaus liefen, daß auch bei einer nur zweiprozentigen künftigen Zahlung der Verleger das gleiche Kapitalergebnis erzielt werden könnte, wie mit 2,5 Prozent. Folglich entwickelte sich am Verhandlungstisch ein Streiten um dieses zusätzliche halbe Prozent, das die Verleger als unnötige Geldausgabe bezifferten. Mit Mühe und Not gelang es, auch für die Zeitschriften-RedakteurInnen die 2,5 Prozent, die die Verleger bislang in die sogenannte Versorgungskasse eingezahlt haben, künftig für die obligatorische Versicherung zu erhalten. Dies ist ein schwerer Vertrauensbruch, denn alle Gesellschafter des Versorgungswerks der Presse müssen von dem Geschäftsführer Unabhängigkeit erwarten können und nicht die Befürchtung haben, daß er in die eine oder andere Richtung parteilich ist oder in Tarifverhandlungen eingreift.
Zurück zur journalistischen Altersversorgung: Ist sie nun gesichert? Oder gibt es noch Probleme? Ja, einige Änderungen gibt es und Probleme in der Zukunft auch.
Die journalistische Altersversorgung ruht seit 1926, seit es den ersten Tarifvertrag über die Altersversorgung für Zeitungs-Redakteurinnen und -redakteure gibt, auf zwei Säulen. Die eine ist die obligatorische Lebensversicherung. Für sie zahlen der Verlag und die Redakteure die Beiträge jeweils hälftig. Heute sind dies je 2,5 Prozent des Gehaltes. Sie gehen an das Versorgungswerk der Presse. Die andere Säule ist die nur mit Verlegerbeiträgen finanzierte Zusatzleistung aus einer Unterstützungskasse. Heute sind dies 2,5 Prozent des Gehaltes für die sogenannte Versorgungskasse der Deutschen Presse.
Ziel der Versorgungskasse: Gesamtversorgung
Die Versorgungskasse hatte die Aufgabe, eine Gesamtversorgung für RedakteurInnen an Tageszeitungen und Zeitschriften sicherzustellen. Bei entsprechender Anwartschaft konnte eine Mindestrente bis maximal 2000 DM im Monat erreicht werden. Die Versorgungskasse hatte dabei die Aufgabe, Versicherungsleistungen aus der gesetzlichen Angestellten-Versicherung und aus der obligatorischen Lebensversicherung so aufzufüllen, daß der Standard von 2000 DM erreicht wird (Beispiel: gesetzliche Rentenversicherung 1200 DM, Kapitalversicherung umgerechnet in Rente 600 DM = 1800 DM – Differenz bis zur garantierten Gesamtversorgung 2000 DM = 200 DM aus der Versorgungskasse).
Die Höhe der Leistung aus der Versorgungskasse war nicht davon abhängig, was ein Verlag im Einzelfall an Beiträgen eingezahlt hatte, sondern vielmehr davon, welcher Versorgungsbedarf beim einzelnen Redakteur oder bei der einzelnen Redakteurin bestand. Erreichte die gesetzliche Rente und die obligatorische Versicherung aus dem Versorgungswerk die für die Gesamtversorgung vorgesehene Grenze, wurden keinerlei Leistungen aus der Versorgungskasse fällig. Das Geld sammelte sich also dort an.
1983 und 1984 z.B. lagen die gesetzliche Rente und die Leistungen aus der obligatorischen Lebensversicherung bei über 97 Prozent aller Redakteurinnen an Tageszeitungen und Zeitschriften über dieser Grenze von 2000 DM Gesamtversorgung. Die Verleger waren nicht bereit, die Gesamtversorgung, zum Beispiel auf 3000 DM oder 4000 DM hochzusetzen, also kamen immer weniger Redakteure in den Genuß von Leistungen aus der Versorgungskasse. Es entstanden die sogenannten „Null-Fälle“ und mit ihnen entstand auch eine Steuerproblematik bei der Unterstützungskasse. Die Finanzminister der Länder und des Bundes haben das erkannt und haben bei der Versorgungskasse den Finger gehoben. Dies war der Auftrag an die Verleger und die Gewerkschaften, über eine Reform der Versorgungskasse nachzudenken. Über mehrere Jahre lang haben wir über die Reform der Versorgungskasse verhandelt. Am 31. Dezember 1986 war es dann soweit. Ausgangspunkt war der Wille aller Beteiligten, die zusätzliche tarifliche Altersversorgung auf die obligatorische Lebensversicherung beim Versorgungswerk zu konzentrieren, weil dadurch das effektivste Ergebnis zu erzielen war und ist.
Zwischenlösung 1987 bis 1997
Dieses Ziel konnte jedoch nicht sofort ab dem 1. Januar 1987 durchgesetzt werden, denn die Versorgungsansprüche, die sich bis zum 31. Dezember 1986 bei der Versorgungskasse aufgebaut hatten, beanspruchten mehr Geld als die Versorgungskasse bis zu diesem Zeitpunkt in ihren Rücklagen hatte. Die Tarifvertragsparteien entschlossen sich deshalb zu einer Zwischenlösung: Vom 1. Januar 1987 an dienten die Verlegerbeiträge an die Versorgungskasse in Höhe von 2,5 Prozent des Gehaltes zur Bildung einer individuell gestalteten beitragsgerechten Kapitalleistung für jeden Versicherten, die über eine Versicherung bei der Versorgungskasse rückgedeckt war. Lebensversicherungen produzieren Gewinnanteile. Diese Gewinnanteile wurden nun zusammen mit der Rücklage der Versorgungskasse dazu verwendet, die alten bis zum 31. Dezember 1986 entstandenen Versorgungsansprüche zu finanzieren.
Die Hochzinspolitik der vergangenen Jahre brachte es mit sich, daß die Versorgungskasse wesentlich früher als 1986 vermutet ausfinanziert war. In einer Protokollnotiz in den Tarifverträgen für die Altersversorgung für Redakteurinnen und Redakteure an Zeitschriften und Tageszeitungen haben wir festgehalten, daß wenn die Ausfinanzierung erreicht ist, die 2,5 Prozent in das Werk fließen sollen, ebenso, daß die Gewinnanteile aus den Versicherungen an die RedakteurIn-nen gezahlt werden müssen. Die Zeitungsverleger kündigten den Altersversorgungs-Tarifvertrag mit dem Ziel, diese 2,5 Prozent künftig nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang zu zahlen. Dies wurde durch den Streik der Tageszeitungs-KollegInnen verhindert.
Ende des Jahres 1998 werden alle alten Versorgungsansprüche durch Versicherungen rückgedeckt sein. Damit ist der Weg frei, zum 1. Januar 1999 die wichtige Änderung umzusetzen, die am Verhandlungstisch für die RedakteurInnen an Tageszeitungen und Zeitschriften vereinbart worden ist. Ab 1. Januar 1999 werden dann diese 2,5 Prozent von den Verlegern an das Versorgungswerk in die obligatorische Versicherung gezahlt.
In Zukunft nur noch Versorgungswerk
Es gibt also in der Zukunft nur noch eine Säule. Und das bedeutet für alle neu eintretenden Versicherten: Aufgrund der neuen Tarifverträge kommt es zum Abschluß einer obligatorischen Lebensversicherung beim Versorgungswerk, deren Beitrag nunmehr bei 7,5 Prozent (2,5 Prozent RedakteurInnen-Anteil und 5 Prozent Verleger-Anteil) des Gehaltes beträgt. Statt zwei Versicherungen – nämlich eine beim Versorgungswerk und eine bei der Versorgungskasse – gibt es für die Neuen nur noch eine Versicherung beim Versorgungswerk.
Bei jenen RedakteurInnen, die bis zu diesem Zeitpunkt bereits beim Versorgungswerk obligatorisch versichert sind, endet am 31. Dezember 1998 ebenfalls die Zahlung der Verlegerbeiträge an die Versorgungskasse. Analog zu den Neueintritten erhöht sich der Verlagsbeitrag an das Versorgungswerk entsprechend auf 5 Prozent. Am RedakteurInnen-Anteil von 2,5 Prozent ändert sich nichts. Die ab 1987 bei der Versorgungskasse abgeschlossenen Rückdeckungsversicherungen werden sozusagen beitragsfrei gestellt. Die noch anfallenden Überschüsse daraus werden zu Leistungsverbesserungen verwendet.
Die Einstellung der Beitragszahlungen an die Versorgungskasse einerseits und die Erhöhung des Verleger-Anteils zur obligatorischen Versicherung beim Versorgungswerk andererseits wirken sich natürlich auf die jeweiligen Versorgungsleistungen aus. Deshalb ist schon heute jede/r Redakteur/in darauf aufmerksam zu machen, daß sie/er sich die blauen und grünen Meldungen sehr genau ansieht. Die grünen Meldungen (Versorgungskasse) werden gegenüber dem letzten Datum einen geringeren Kapital-Leistungs-Stand ausweisen. Das ist normal, da diese Versicherungen für die Zukunft beitragsfrei gestellt sind und damit keine weiteren Zahlungen eingehen. Die blaue Meldung (Versorgungswerk) wird einen erhöhten Kapital-Standard ausweisen, weil ja künftig höhere Beiträge in diese Versicherung gezahlt werden. Dabei gleicht sich die Verringerung auf der einen Seite nicht sofort in voller Höhe mit der Erhöhung auf der anderen Seite aus. Aber dieser Ausgleich erfolgt alsbald, da die höhere Zahlung an die obligatorische Lebensversicherung Überschußanteile produziert, die wiederum das Leistungsergebnis der Versicherung erhöhen.
Zudem verbessern auch bei der Versorgungskasse ab 1999 Überschußanteile das Leistungsergebnis (beitragsfreier Wert der Kapitalleistung). Wie sich das Ganze in Mark und Pfennig auswirkt, darüber wird das Versorgungswerk im Herbst dieses Jahres alle betroffenen Redakteurinnen und Redakteure individuell auf ihre Person abgestimmt mit Daten, Fakten und Zahlen informieren.
Steuerliche Konsequenzen
Die Änderung über die Beitragszahlung (Versorgungswerk statt Versorgungskasse) zum 1. Januar 1999 hat aber auch steuerliche Konsequenzen für die Versicherten. Achtung! Hier zeichnet sich ein zweites Problem ab: Man/frau muß sich vor Augen führen, daß das Finanzamt bei einer vom Arbeitgeber mitfinanzierten Altersversorgung natürlich nicht unbeteiligt zusieht, sondern entsprechend Steuern, also Geld, sehen will. Entweder werden die vom Arbeitgeber laufend gezahlten Beiträge besteuert, oder wenn dies nicht der Fall ist, sind es die später ausgezahlten Leistungen von Versicherungen, die der Besteuerung unterliegen.
Bei Unterstützungskassen, und dazu gehört die Versorgungskasse der Deutschen Presse, werden die Verlagsbeiträge nicht besteuert. Statt dessen ist die bei Tod oder Rente ausgezahlte Leistung in voller Höhe als sozusagen Fortsetzung von Arbeitslohn oder Einkommen steuerpflichtig. Die Steuerfreiheit der Verleger-Beiträge ist zwar ganz angenehm, die anschließende Besteuerung einer relativ hohen einmaligen Kapitalauszahlung seitens der Begünstigten wird allgemein als nachteilig empfunden.
Deshalb geben wir dem umgekehrten Verfahren den Vorzug: Die Besteuerung der laufend gezahlten Arbeitgeberbeiträge zur obligatorischen Versicherung stellt die später ausgezahlte Kapitalleistung steuerfrei. Der höhere Arbeitgeberbeitrag zur obligatorischen Versicherung beim Versorgungswerk wird deshalb ab Januar 1999 auf dem Gehaltsstreifen nicht unbemerkt bleiben. Die 2,5 Prozent zusätzlich werden alle RedakteurInnen versteuern müssen, und dies macht sich beim Netto-Gehalt bemerkbar: Es wird dadurch geringer.
Deshalb werden wir auch in der Tarifkommission RedakteurInnen darüber beraten, ob die kommenden Gehaltsabschlüsse für RedakteurInnen an Tageszeitungen und Zeitschriften nicht mehrstufig ausfallen müssen, um diese Minderung der Netto-Gehälter ab Januar 1999 zu mildern. Der IG Medien und ihren streikenden Kolleginnen und Kollegen ist am Verhandlungstisch ein großer Fortschritt gelungen, nämlich die Altersversorgung für Redakteurinnen und Redakteure zu erhalten und zwar in voller Höhe. Es ist aber auch noch etwas anderes gelungen, nämlich die Zweigleisigkeit Versorgungswerk und Versorgungskasse zu einer einheitlichen Versorgung zusammenzuschweißen. Daß der Verlagsbeitrag in voller Höhe gesichert werden konnte, ist von hoher Bedeutung, den mancher Redakteur und manche Redakteurin wohl erst in dem ganzen Ausmaß zum Zeitpunkt der Verrentung bzw. beim Fälligwerden der Lebensversicherung erkennen wird. Für alle obligatorischen Versicherten verbessern sich die Leistungen durch zusätzliche Überschußanteile. Dies ist in den Zeiten der politisch herbeigeführten leeren Kassen bei der Rentenversicherung ein beruhigender Aspekt.
Buchtip
Heinz-D. Fischer/Erika Fischer,
100 Jahre Publizisten-Altersversorgung in Deutschland. Von der Pensionsanstalt über die Versorgungsanstalt zum Versorgungswerk der Presse,
Zweite Festschrift für Prof. Dr.h.c. Dietrich Oppenberg,
Econ Düsseldorf 1997, 383 Seiten